/ „This is not going to end well“ – Jim Jarmuschs schwarze Zombie-Komödie
„The Dead Don’t Die“ ist eine Liebeserklärung an das Genre-Kino und die Lieblingsschauspieler des Kultregisseurs. Trotz radikaler postapokalyptischer Stimmung nimmt sich der Film (fast) keine Sekunde ernst – nur der Zuschauer bleibt bei den etwas hermetischen Referenzspielchen, der plakativen Gesellschaftskritik und den Stereotypen manchmal auf der Strecke.
„This is not going to end well“ – Polizist Ronnie Robertsons (Adam Driver) apokalyptische Aussage zieht sich wie ein blutroter Faden durch Jim Jarmuschs neuen Streifen. Dabei passiert in Centerville meist (rein gar) nichts: Der Schauplatz des Films ist eine verlassene amerikanische Kleinstadt, deren 738 Einwohner hauptsächlich aus rassistischen Rednecks (Steve Buscemi), einem Einsiedler (Tom Waits) und einem lakonischen Polizeichef (Bill Murray) bestehen und deren Hauptattraktionspunkte ein schäbiges Motel, eine heruntergekommene Tankstelle und ein austauschbares Diner sind.
Die Alltagsroutine ist so festgefahren, dass der einzige afro-amerikanische Bürger des Kaffs (Danny Glover) kaum mehr auf die xenophoben Kommentare von Buscemis Bauernfigur reagiert. Streng metaphorisch genommen sind die Einwohner von Centerville bereits alle tot. Als eines Tages die Nachricht umgeht, die Erde sei aus ihrer Rotationsbahn geraten, und der Mond eine psychedelische Färbung annimmt, reagieren die Einwohner erst mal mit dem mittlerweile üblichen und etwas klischeehaften Unglauben: In Trumps Amerika sind die Aussagen der Wissenschaftler nichtig.
Als die ersten beiden Untoten – darunter ein urkomischer Iggy Pop – das Diner anpeilen, um dort Kaffee zu holen (1) und quasi nebenbei die Besitzerin und deren Angestellte auffressen, denkt nur der gleichgültige Ronnie an eine bevorstehende Invasion der Untoten.
Dieser Auftakt zur Zombie-Apokalypse kommt allerdings, Jarmusch oblige, erst nach einer halben Stunde Spielzeit – was es dem Regisseur, der für die Langsamkeit seiner Filme bekannt ist, erlaubt, seine Figuren erst mal zu entwickeln.
Only Zombies Left Alive
Nach den Vampiren von „Only Lovers Left Alive“ interessiert sich Jim Jarmusch nun für eine andere Kategorie fantastischer Kreaturen – die Zombies wurden seit George A. Romero zu einem der stärksten Symbole für soziale Pathologien. „Romero revolutionierte die Darstellung des Monströsen im Film. Vor Romeros Zombies kamen die Monster stets von außerhalb. Bei Romero sind sie Teil der menschlichen Gesellschaft – und sind selbst auch Opfer“, sagte Jim Jarmusch während der Pressekonferenz in Cannes.
Wo „Only Lovers Left Alive“ ein berührender, wenn auch etwas langatmiger Liebesfilm war, ist „The Dead Don’t Die“ eine dunkle Sozialsatire, die in ihren besten Momenten Running Gags für die (untote) Ewigkeit entwickelt (Stichwort Chardonnay und Schottland). Oftmals muss der Film allerdings arg plakativ als Parabel auf das emotionale Absterben der Empathie im westlichen Spätkapitalismus herhalten.
Die Untoten stürzen sich nach ihrem Wiederbeleben sofort auf das, was sie zu Lebzeiten am meisten interessiert hat – Leidenschaft empfinden sie aber meist nur für materielle oder digitale Güter wie Kaffee, Chardonnay, Kabelfernsehen oder Gratis-WiFi. Vampire scheuen das Tageslicht und ernähren sich von Blut, die hirntoten Zombies irren herum und ernähren sich, so will es die Mythologie, von menschlichen Gehirnen – wohl weil ihnen selbst der nötige Grips fehlt, um andere Interessen zu entwickeln.
Dass es die Zombies in Jarmuschs Streifen selten auf das Gehirn, sondern viel mehr auf die Eingeweide der Lebenden abgesehen haben, zeugt von der pessimistischen Weltsicht eines Films, der sein düsteres Ende fatalistisch ankündigt und konsequent durchzieht: Jarmusch scheint suggerieren zu wollen, dass die Lebenden genauso hirntot wie die Zombies sind – und deren Hirne folglich nutritiv uninteressant sind.
So unterscheiden sich die Einwohner selbst nicht sonderlich von den Untoten, Lethargie, Gefühlsleere, Apathie kennzeichnen die meisten der Figuren, die (zu) sehr nach Stereotypen funktionieren: Waits ist der gesellschaftsverachtende Eremit, Murray der lakonische Polizist, Buscemi der Trump-Kappenträger-Rassist, und Chloe Sevignys Mindy ist abermals eine simpel gestrickte, ängstliche Frauenfigur (man erinnere sich an Adam Drivers Freundin in „Patterson“, die sich aufs Cupcake-Backen und Herumjammern reduzierte).
Das ist nur deswegen nicht frauenfeindlich, weil die Männerfiguren ähnlich skizziert bleiben und muss wohl als Anspielung auf die eindimensionale Charakterzeichnung in Horrorstreifen verstanden werden.
Spiel mit Stereotypen
Leider wird das Spiel mit den Stereotypen irgendwann, weil es nicht über den Referenzhorizont hinausgeht und das Aneinanderreiben verschiedener Prototypen kaum Funken produziert, selbst zum Stereotyp. Die Metapher für die westliche Apathie (wenn Jarmuschs Zombies mit iPads herumlaufen, erinnern sie frappant an die menschlichen Smombies (2), die überall auf der Welt herumgeistern) gegenüber einem sterbenden Erdball ist so blutleer wie die Untoten selbst.
Semantisch verneigt sich Jarmusch hier nicht nur vor Romero – die Anspielungen auf den Meister des Genres sind oftmals sehr explizit –, sondern auch vor „Fargo“ (wegen des Kleinstadtflairs und der beschränkten Intelligenz der Figuren) und Quentin Tarantino: Tilda Swintons exzentrische Leichenbestatterin kultiviert eine vertraut wirkende Leidenschaft für ihr Samurai-Schwert und auch optisch geht ihre Figur als psychedelischer Counterpart zu Uma Thurmans The Bride (aus „Kill Bill“) durch. Der Film wirkt streckenweise wie ein amerikanischer Buddie-Movie – nur sind die inszenierten Freundschaften nicht Teil des Films, sondern entwickeln sich seit Jahrzehnten hinter der Kamera. Der Zuschauer spürt, dass sich die Schauspieler amüsieren – mitunter wirken die Running Gags etwas zu selbstgefällig.
Wenn Adam Drivers Figur beispielsweise erklärt, er kenne bereits das Ende, weil er Jims Drehbuch gelesen habe, wirkt dies wie ein etwas müdes Versatzstück aus der postmodernen Trickkiste, ein metaleptischer Gag, den man bereits zigmal auf der Leinwand gesehen hat und der einen darüber hinwegtrösten soll, dass der Film aus der erzählerischen Sackgasse des Genre-Pastiches irgendwann nicht mehr herausfindet. Es bleibt ein blutrünstiger Spaß mit ausgezeichnetem Soundtrack (3), den man für seine Radikalität bewundern kann, der aber – wie ein Zombie – meilenweit Jarmuschs frühen Großtaten hinterherhinkt.
1) Wer Jarmuschs Werk kennt, weiß, dass Iggy Pop in seinem Film „Coffee & Cigarettes“ mitwirkte.
2) Kurz für „Smartphone-Zombies“.
3) Für den Soundtrack zeichnet Jarmuschs Band SQÜRL verantwortlich. In der Vergangenheit arbeitete Jarmusch mit Drone- und Postrock-Bands wie Boris zusammen, beim Komponieren des Soundtracks ist er oft selbst impliziert.
Offizieller Wettbewerb.
Bewertung: 2,5/5
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