Parlament / „Tickende Zeitbombe“: Niemand wünscht sich eine Verlängerung der Laufzeit des Atomkraftwerks Cattenom
Nicht so sehr Gesetzprojekte als vielmehr Anträge beschäftigten die Abgeordneten am Donnerstag. Viel Außenpolitik stand an der Tagesordnung.
Staatsziele – Bei Gesetzesprojekten soll in Zukunft angegeben werden, ob und welchen in der Verfassung eingeschriebenen Staatszielen sie näherkommen. Das hat eine von Sven Clement (Piraten) bereits während der letzten Legislaturperiode eingereichte, aber erst am Donnerstag im Plenum erörterte Motion gefordert. Ein entsprechender Eintrag wird in der jedem Gesetzesvorschlag beiliegenden „Fiche d’évaluation d’impact“ zugefügt werden. Die Staatsziele sind keine einklagbaren Rechte, vielmehr handelt es sich um politische Vorgaben, die die Politik sich gibt. Zu diesen gehören etwa das Recht auf angemessenes Wohnen, das Recht auf Arbeit und der Erhalt der Biodiversität. Allein die ADR-Abgeordneten lehnten den Antrag ab. Derlei politische Ziele gehörten nicht in eine Verfassung.
Sudan – Einstimmig wurde die von Laurent Mosar (CSV) eingereichte Motion zur humanitären Krise im Sudan angenommen. Zu wenig werde über die Lage insbesondere in West-Darfur diskutiert, beklagte sich Mosar. Dabei habe der dort seit Jahren andauernde Konflikt derzeit einen Höhepunkt erreicht. Menschenrechtsorganisationen sprechen von ethnischen Säuberungen, von einer humanitären Katastrophe. Eine halbe Million Menschen seien auf der Flucht. Folter und Exekutionen stünden an der Tagesordnung. Im einstimmig angenommenen Antrag wird die Regierung aufgefordert, auf EU-Niveau zu intervenieren, um entsprechenden Druck auf die Kriegsparteien auszuüben und einen Waffenstillstand zu erwirken.
Armenien – Kommende Woche reist eine Parlamentsdelegation nach Armenien. In einer von Gusty Graas (DP) vorgestellten und einstimmig gebilligten Motion werden die Folgen des Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan thematisiert. So sei man über das Schicksal der über hunderttausend Armenier beunruhigt, die Bergkarabach verlassen mussten. Die Regierung wird aufgefordert, sich für eine Vertiefung der Beziehungen zu Armenien einzusetzen. Auch soll Baku alle armenischen Kriegsgefangenen freilassen. Außerdem sollte man sich um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei bemühen. David Wagner („déi Lénk“) sprach die schwache Kritik an der Türkei an. So würde man auch nie über das Vorgehen der Türkei gegen die Kurden reden. Was wohl auf die türkische NATO-Mitgliedschaft zurückzuführen sei. Außenminister Xavier Bettel (DP) begrüßte die Mitgliedschaft der Türkei in der NATO ausdrücklich, könne man doch eben in deren Rahmen miteinander diskutieren. Mit der Türkei wolle er schon reden. In den Iran reisen möchte er jedoch nicht, meinte Bettel unter Hinweis auf die dortige Unterdrückungspolitik, insbesondere gegen Homosexuelle. Dabei hatte der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser lediglich Gespräche mit dem Mullah-Regime vorgeschlagen.
Cattenom – Niemand wünscht sich eine Verlängerung der Laufzeit des Atomkraftwerks Cattenom. Einem entsprechenden Antrag von François Bausch („déi gréng“) stimmten alle Parlamentarier zu. 2024 und 2025 seien entscheidend, ob die veralteten Anlagen weiterbetrieben werden. Man habe es hier nicht nur mit dem größten AKW Frankreichs, sondern auch mit einem der instabilsten Reaktortypen zu tun, so Bausch. Studien belegen, dass bei einem größeren Zwischenfall die Existenz des Luxemburger Landes auf dem Spiel steht. Die Regierung sollte sich alle Mittel geben, um fundierte Gutachten in Paris vorzulegen, damit die Laufzeit von Cattenom nicht verlängert wird. Das Parlament soll regelmäßig über die diesbezügliche Arbeit der Regierung informiert werden.
Bereits am Vormittag hatten sich alle Parteien während einer gemeinsamen Sitzung der Umwelt- und Wirtschaftsausschüsse auf diese Vorgehensweise verständigt. Laut Christophe Hansen (CSV) sei das Koalitionsabkommen in der Frage kritischer Anlagen in Grenznähe eindeutig. Franz Fayot (LSAP) sprach von einer „tickenden Zeitbombe“. Man sollte das Zeitfenster 2026 nutzen und sich „virulent“ dagegen wehren.
„Realistische Realpolitik machen“
Verwirrung und Unverständnis löste der Beitrag von Tom Weidig (ADR) aus. Seine Partei stehe für eine pragmatische Energiepolitik. Jede Energiequelle habe ihre Vor- und Nachteile. Es sei politisch naiv, eine Schließung von Cattenom zu fordern. Frankreich könne sich eine Schließung einfach nicht erlauben. Luxemburg sollte sich für höchstmögliche Sicherheitsstandards engagieren und sich auch an deren Finanzierung beteiligen, wenn diese wegen Luxemburg ergriffen würden. Dennoch stimmte die ADR für die Motion.
Weidigs Aussagen lösten Gelächter und Kopfschütteln aus. Marc Baum („déi Lénk“) sprach von „politischer Akrobatik“ der ADR. Einerseits sei sie für die Schließung Cattenoms, andererseits soll Luxemburg für Sicherheitsmaßnahmen zahlen. Man sollte eine „realistische Realpolitik machen“, versuchte Weidig sich herauszuwinden. Frankreich mache ohnehin, was es wolle. Wenn Luxemburg der Ansicht sei, dass mehr Sicherheitsmaßnahmen notwendig seien, sollte es mitmachen.
Außenminister Bettel zufolge hat sich die Haltung der Regierung in der Cattenom-Frage nicht geändert. Im Juni findet eine Sitzung der Gemeinsamen französisch-luxemburgischen Kommission zu Cattenom statt und dort werde auch diese Frage erörtert. Nach leichten Änderungen wurde der Antrag einstimmig angenommen.
Eine „Maison de la coopération“
In seiner Antwort auf eine Frage des LSAP-Abgeordneten Franz Fayot hat Außenminister Xavier Bettel die Schaffung einer „Maison de la coopération“ angeregt. Sie soll dazu beitragen, die Öffentlichkeit und insbesondere junge Menschen für die Kooperation mit Drittweltländern zu sensibilisieren und über Ursachen und Folgen von Armut zu informieren. Fayot hatte die angeblich geplante Neuorientierung der diesbezüglichen Sensibilisierungspolitik der Regierung in den Schulen und von einem möglichen Arbeitsplatzverlust bei den Nichtregierungsorganisationen angesprochen. Bisher bemühten sich vor allem NGO um diese Aufklärungsarbeit in den Schulen. Bisher sei hierzu noch keine Entscheidung gefallen, so Bettel. Man rede derzeit mit den NGO, wie diese Sensibilisierungs- und Erziehungsmission verbessern werden könnte. Es soll zu keinem Stellenabbau kommen. Man wolle lediglich eine bessere Koordinierung der Arbeiten.
Abkommen mit Thailand, Malaysia, Peru und Kolumbien
Per Gesetz wurden die Kooperations- und Partnerschaftsabkommen der EU mit Thailand und Malaysia ratifiziert. Lediglich „déi Lénk“ enthielt sich. Große Zustimmung fand auch das Handelsabkommen der EU mit Peru und Kolumbien. „déi Lénk“ lehnte dieses Gesetz hingegen ab. Diese Märkte würden in Zukunft mit europäischen Produkten überschwemmt. Ecuador sei dem Abkommen lediglich unter dem Druck der EU beigetreten, habe man ihm doch angedroht, den Zugang zu den EU-Märkten zu erschweren. Dass sich die Arbeitsbedingungen in diesem Land verbessert hätten – was Außenminister Bettel zuvor als Folge des Beitritts des Landes zum Vertrag interpretiert hatte –, sei auf den Einsatz der dortigen Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft zurückzuführen, so Wagner.
Der Vertrag mit der Andengemeinschaft, der Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru angehören, wurde von der EU ausgehandelt. Bolivien hat sich bisher noch nicht zur Vertragsunterzeichnung entschlossen.
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