Coronavirus / Tierärzte behandeln nur noch Notfälle – und Impfungen gehören nicht dazu
Auch in Corona-Zeiten müssen Tiere medizinisch versorgt werden. Wir haben mit einem Tierarzt aus dem Westen des Landes über dessen Arbeit gesprochen. Er wollte anonym bleiben.
Bei meiner Ankunft in der Tierpraxis sitzt vor der Tür ein Mann mit seinem Hund auf der Mauer. Der Wartesaal ist leer. Man hört einen Hund bellen. Ich werde vom Tierarzt (Name der Redaktion bekannt) in ein Behandlungszimmer geführt. Beim Interview sitzen wir in gebührendem Abstand voneinander entfernt. Wir tragen beide eine Gesichtsmaske. „Das ist jetzt notwendig“, erklärt der Veterinär. Seine Praxis wurde 1985 eröffnet. „Fünf Personen arbeiten hier“, sagt er. Behandelt werden nur Haustiere. Die meisten Patienten, etwa 90 Prozent, sind Hunde und Katzen. Beim Rest handelt es sich um sogenannte Heimtiere wie Kaninchen, Meerschweinchen, Schildkröten usw. „Vögel werden bei uns selten behandelt. Wir überweisen sie an einen Vogelspezialisten“, so der Tierdoktor.
Die Corona-Pandemie betrifft auch seinen Aktivitätsbereich. Er wurde vom „Collège vétérinaire“ über die neuen Verhaltensregeln informiert. Im Zusammenhang mit der Krankheit habe er sowieso mit Änderungen gerechnet, so der Veterinär. Nur noch Notfälle werden akzeptiert. Die Termine, nach Vereinbarung, sollen so auf ein Minimum reduziert werden. Im Wartesaal und im Behandlungszimmer ist nur noch eine Person erlaubt. Das Tragen eines Mundschutzes ist obligatorisch. Bereits am 16. März seien alle Sicherheitsbestimmungen in der Praxis angewendet worden, sagt der Tierarzt.
Keine Impfungen
Wie wird aber jetzt ein Notfall definiert? „Das sind Therapien und Behandlungen, die lebensnotwendig sind.“ Impfungen gehören beispielsweise nicht dazu – und werden dementsprechend auch derzeit nicht vorgenommen. Im Augenblick würden viele Tiere mit Bissverletzungen behandelt. Es würden aber auch viele Tiere mit Fremdkörper (Granen) in den oberen Atemwegen oder Augenverletzungen kommen. Die Geburtshilfe laufe indes normal weiter, ebenso wie die Behandlung von Krankheiten wie Herzleiden, Nierenleiden oder Krebs.
Der Tierbesitzer nimmt im Regelfall telefonisch Kontakt zu der Praxis auf und schildert das Problem. Der Veterinär entscheidet dann, ob ein Termin vereinbart wird oder nicht. Die Praxis ist von morgens 8.00 Uhr bis abends 18.30 Uhr geöffnet. Hausbesuche werden nur im absoluten Notfall und auch nur nach Absprache gemacht. Da nur noch Notfälle angenommen werden, kommen deutlich weniger Kunden als üblich, erklärt der Fachmann. Die Haustiere von Senioren, von denen ja viele zu einer Risikogruppe des Coronavirus gehören, würden oft von ihren Kindern oder Enkeln in die Praxis gebracht. Bei der Behandlung der schwierigen Tiere seien immer zwei Ärzte anwesend. Die Präsenz des Tierhalters im Behandlungsraum sei erlaubt, er müsse aber mindestens zwei Meter Abstand zu den anderen Personen im Raum wahren.
Sicherheit geht vor
Bei der Hygiene wird nichts dem Zufall überlassen. Nach jedem Patienten werden die Türklinke, das Zahlungsterminal, die Tastatur des PCs und alle anderen benutzten Objekte desinfiziert. Alle Mitarbeiter der Praxis tragen des Weiteren Gesichtsmasken und Handschuhe. „Wir wurden erst kurz vor der Pandemie beliefert und haben deshalb genug Material.“ Zum Einsatz kommen neben den chirurgischen Masken auch selbst gemachte Gesichtsschutze. Es ist sogar ein Gesichtsschutzschirm verfügbar. Auch bei den Medikamenten gebe es keine größeren Lieferprobleme. Lediglich Desinfektionsmittel seien am Anfang der Gesundheitskrise bei den Großhändlern selten gewesen, so der Tiermediziner. Jetzt seien die Stocks aber wieder gut gefüllt. Die Viruskrise hat indes auch personelle Folgen: Zwei Mitarbeiterinnen gehören einer Risikogruppe an und bleiben jetzt zu Hause.
Um Kontakte zwischen den Tieren – zum Beispiel Hunde und Katzen – zu vermeiden, werden die pelzigen Patienten in jedem Behandlungsraum durch eine Tür in die Praxis rein- und durch eine andere rausgelassen. „Das hilft uns jetzt bei der Corona-Krise“, meint der Tierarzt mit einem Lachen. Der Kontakt mit den Kunden sei normal, erklärt er weiter. Die Leute würden viel Verständnis zeigen und auch längere Wartezeiten in Kauf nehmen. Der Tierdoktor glaubt, dass die Rückkehr zur Normalität noch auf sich warten lässt, da die Wiederaufnahme aller wirtschaftlicher Aktivitäten eine lange Liste an Forderungen an die Gesellschaft und den Staat nach sich zieht. Er hofft aber zugleich, dass Lösungen zur Klimakrise und Gemeinwohl-Wirtschaft nicht vernachlässigt werden.
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