Italienreise / Toskana genießen – abseits von Reiseführern
Michelin, Gambero Rosso, Tripadvisor – sie alle haben in ihren Katalogen Gourmet- und Restaurantangebote. Doch häufig sind diese Lokalitäten auf den Tourismus abgestimmt, überhöhte Preise sind hier nicht selten und hin und wieder kommt es auch vor, dass die Lust der Köche, für ein Publikum zu arbeiten, das ohnehin selten ein zweites Mal kommt, sehr eingeschränkt ist. Besser isst man dann dort, wo auch die Einheimischen ein Lokal besuchen. Unser Korrespondent Wolf H. Wagner hat einige ausfindig gemacht.
In Vorbereitung auf eine längere Reise durch Frankreich wollte ich von Ortskundigen wissen, wo man gut, aber preiswert essen könne. Mich interessierten keine Gourmettempel mit Michelin-Sternen, sondern ehrliche, bodenständige Küche. Man riet mir, mich an Restaurants auf den Fernstraßen zu halten: Dort, wo viele LKW parkten, esse man sicher sehr gut, denn die Fernfahrer liebten gute und landestypische Küche. Der Rat war gut, das Essen nicht enttäuschend.
Ähnliches widerfährt einem, wenn man eine gute Pizzeria oder ein Ristorante in der Toskana sucht. Auch hier bieten Reiseführer und sogenannte Insidertipps verschiedene Möglichkeiten an – und ja, hin und wieder hat man Glück und trifft wirklich auf schmackhaftes Essen in angenehmem Ambiente.
Die Italiener selbst hingegen legen auf das, was wir ein romantisches Restaurant nennen würden, eher weniger Wert. Wer gut essen möchte, legt seinen Schwerpunkt auf die Küche und nicht auf Kerzenbeleuchtung. Und beachtet vor allem die Essenszeiten. Eine Freundin meinte einmal schmunzelnd zu uns, Touristen könnten immer essen. Doch wer nach 14.00 Uhr irgendwo einkehren möchte, kann erleben, dass außer einem belegten Brot, einen Panino, nicht mehr viel zu bekommen ist. Mittags isst man in Italien um 12.00, das kann sich dann gut ein, zwei Stunden hinziehen, doch bestimmend ist der Anfang.
Florenz bietet ab Mai eine Vielzahl von Straßenlokalen. Doch wer wirklich etwas Typisches, dabei sehr Schmackhaftes und dazu noch Preiswertes möchte, lenke seine Schritte in das kleine Restaurant „Le Mossacce“. Das kleine, seit 1925 ansässige Haus findet sich nur wenige Fußminuten vom Dom entfernt. Seit mehr als 50 Jahren bemüht sich hier die Familie Fantoni-Manucci um die Gaumen ihrer Gäste. Nur fünf Minuten von Dom, das muss doch von Touristen überlaufen sein? Nein, ist es nicht. Hier kehren die Mitarbeiter städtischer Büros, von Banken und Rechtsanwaltskanzleien zu ihrer Mittagspause ein. Stets findet sich eine kleine Schlange vor dem Eingang, doch es braucht nur wenig Geduld, bis man einen Tisch zugewiesen bekommt. Dafür wird man jedoch mit ausgezeichnet gekochter toskanischer Küche verwöhnt. Ob Nudelgerichte, Trippa alla Fiorentina oder das berühmte Bistecca von Chianina-Rindern, alles ist sehr schmackhaft und lässt die Mittagspause bei einem guten Schluck Chianti aus nahegelegenem Anbau zur Erholung von der Stadtbesichtigung werden. Innerhalb der Woche ist auch abends zwischen 19.00 und 21.30 geöffnet. Wer mag, kann sich für ein weiteres Mal auch einen Tisch vorbestellen, eine lustige Visitenkarte zeigt ein erfreutes Gesicht von jemanden, der bei Mossacce gegessen hat – dreht man die Karte um, so zieht sich das Gesicht in die Länge und die Unterschrift verrät: „Der hat woanders gegessen.“
Auch in ländlichen Gebieten kann man echte Geheimtipps entdecken. In der Kristallstadt Colle di Val d’Elsa findet sich im Industriegebiet San Marziale die gleichnamige Bar. Romina und Piero sorgen mit ihrem Team für schmackhafte Genüsse. Es geht lebhaft zu in der Bar, hier nehmen die Arbeiter aus den Kristallfabriken, den Metall- und Holzwerkstätten oder den umliegenden Transportunternehmen ihre Mittagsmahlzeiten ein. Nichts für zartbesaitete Gemüter, dafür jedoch etwas für jeden Liebhaber echt toskanischer Küche. Jetzt im Frühjahr gibt es Nudelgerichte mit frischem grünen Spargel. Freitags ist Fischtag, man kann zwischen Riesengarnelen oder Doraden wählen, wer eine kleine kalte Platte mag, kann sich Vitello tonnato bestellen. Zu zweit bezahlt man für den Mittagstisch kaum mehr als 15 Euro, Getränke eingeschlossen. Die Öffnungszeiten richten sich nach der Arbeitszeit der Betriebe, abends muss man sich etwas anderes suchen.
Doch auch hier kann man am Ort fündig werden. Vor einigen Jahren verlegte das Restaurant „Astronave“ (Raumschiff) seinen Sitz aus dem Wald bei Pievescola in den Ortsteil Belvedere von Colle. Wer ein gutes Rumpsteak oder ein Bistecca alla Fiorentina liebt, ist hier bei sehr gutem Chianti di Colle senese gut aufgehoben. Von Donnerstag bis Sonntag ist das Restaurant täglich von 19.30 bis Mitternacht geöffnet. Ein leckeres Dessert, zum Beispiel die hausgemachte Pannacotta, rundet das Mal ebenso ab wie ein guter Espresso. Das „Astronave“ ist leicht zu finden, es liegt nur einen halben Kilometer von der Bar San Marziale in Richtung Schnellstraße nach Siena entfernt.
Abseits der großen Touristenattraktionen findet sich der kleine Ort Casole d’Elsa. Das mittelalterliche Dorf mit seinen 1.000 Einwohnern liegt nur 25 Kilometer von Siena entfernt. Hier findet sich eine der besten Pizzerien, die wir in der Toskana ausfindig machen konnten. Luciano Stoppo und sein Team bieten Abend für Abend verschiedene Pizzen und Calzone an. Das Restaurant – das im Übrigen mit seinem herrlichen Ausblick über die Sieneser Hügel verwöhnt – öffnet um 19.00 Uhr. Es empfiehlt sich jedoch, noch eine Stunde zu warten, bis der Pizza-Ofen seine richtige Temperatur entfaltet hat. Dann geht der Teig richtig auf, ist knusprig, ohne verbrannt zu sein. Neben den Pizzen gibt es auch klassische toskanische Küche und verschiedene Nudelgerichte. Die hausgemachte Crème brûlée rundet das Abendmahl ab.
Die vorgestellten Restaurants sind nur eine kleine Auswahl von Möglichkeiten, die zeigt, dass es sich lohnt, selbst auf die Suche zu gehen und kulinarische Kleinode zu finden. Viel Spaß dabei und einen erholsamen Urlaub in der Toskana!
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