Konkurs / „Traurig, dass es nicht geklappt hat“: Warum zwei Unverpacktläden in Luxemburg dichtmachen
Wer bei seinen Einkäufen auf Nachhaltigkeit setzen und unverpackte Lebensmittel besorgen will, wird es im Großherzogtum künftig etwas schwerer haben: Denn die beiden Unverpacktläden in Düdelingen und Luxemburg-Stadt haben Konkurs angemeldet. Ein Besuch des Geschäftes im Süden des Landes am letzten Öffnungstag zeigt: Gleich mehrere Gründe haben dazu geführt, dass es mit OUNI (Organic Unpackaged Natural Ingredients) vorbei ist – zumindest vorerst.
Ein sonniger Freitag im Oktober. Myriam Schütz – genannt Mim – aus Düdelingen nutzt ihre Mittagspause, um bei dem Unverpacktladen vorbeizuschauen, an dessen Aufbau sie als eine von mehreren Freiwilligen vor rund zweieinhalb Jahren maßgeblich beteiligt war. Nach der Arbeit werden einige von ihnen an diesem Freitagnachmittag mit den Mitgliedern der Kooperative dort zusammenkommen, um gemeinsam „e Patt op den OUNI ze drénken“, wie die 43-jährige Lehrerin erzählt. Und beim Gespräch im Laden feststellt: „Normalerweise sieht es hier noch schöner aus.“
Denn in dem Verkaufsraum in der Düdelinger rue de la Libération stehen einige leere Kartons auf dem Boden. Frisches Obst und Gemüse gibt es an diesem Tag nicht. In manchen dafür vorgesehenen Verankerungen an der Wand fehlen die Spender für Linsen, Reis und Co. Andere Gefäße hängen zwar noch an der Wand – sind allerdings fast leer. Das Auffüllen lohnt sich nicht mehr, denn: Wie die Filiale in Luxemburg-Stadt wird auch der OUNI-Laden in Düdelingen an diesem Tag seine Türen ein letztes Mal schließen.
„Wir haben unser Bestes gegeben“
Vor rund einem Jahr hat OUNI die Öffentlichkeit darüber informiert, dass man in finanziellen Schwierigkeiten stecke. Nun musste die Kooperative an diesem Mittwoch Konkurs anmelden. Der Grund: etwa 350.000 Euro Schulden – darunter etwa 100.000 Euro Darlehen beim Staat aus der Covid-Krise, aber auch 120.000 Euro bei den Mitgliedern der Kooperative, die Ende 2021 aufgenommen wurden, um die Läden vor dem drohenden Aus zu schützen.
„Wir hätten noch fünf Jahre Zeit, um diese zurückzuzahlen. Ab kommendem Januar müssten wir dafür allerdings Geld beiseite legen. Und wie will man das machen, wenn die Läden keinen Gewinn abwerfen?“, fragt die zweifache Mutter, die sich neben der Arbeit um die Kommunikation bei der Kooperative kümmert. Und auch für die Zahlungen der Mehrwertsteuer und an das „Centre commun de la sécurité sociale“ (CCSS) ist bei OUNI kein Geld mehr da – laut Mim Schütz „unverzeihliche Schulden“, die dann auch ausschlaggebend für das Anmelden der Insolvenz waren.
Zehn Festangestellte haben nun keine Arbeit mehr. „An sie habe ich zuerst gedacht – das arme Team“, bedauert Mim Schütz und weist darauf hin, dass man den Angestellten bis zum Ende das Gehalt hätte zahlen können. „Wir werden euch vermissen. Beste Belegschaft aller Zeiten“, steht in weißer Kreideschrift auf einer dunklen Tafel an der Wand im Düdelinger Laden geschrieben. Der Austausch mit den Menschen in dem Lokal, in dem Mim Schütz mit vielen anderen Freiwilligen alles selbst gebaut hat, wird ihr fehlen.
„Für mich ist es kein Abschied für immer“
Viele regelmäßige Kundinnen und Kunden hätten per soziale Medien geschrieben, dass sie traurig sind. Oder seien noch einmal zum Auffüllen der Vorräte vorbeigekommen. „Wir haben in drei Tagen so viel verkauft wie schon lange nicht mehr“, sagt Mim Schütz mit einem bedauernden Lächeln. Diese Kundschaft hat in der vergangenen Zeit gefehlt. Im Gespräch mit der engagierten Frau wird aber klar: Mehrere Faktoren haben zum Aus geführt. „Nur eine Person oder einen Grund zu nennen, wäre falsch. Es waren nicht nur Probleme bei der Geschäftsführung – es war nicht nur Corona. Wir alle haben unser Bestes gegeben, aber vielleicht muss man sich eingestehen, dass wir es zusammen nicht hinbekommen haben.“
Problematisch sieht sie vor allem die Tatsache, dass sich Freiwillige um zum Beispiel Kommunikation und Marketing kümmerten – und nicht etwa festangestellte Experten. Auch die Stelle der Geschäftsführerin oder des Geschäftsführers war seit rund einem Jahr nicht besetzt und wurde von den ehrenamtlichen Mitgliedern des Vorstandes übernommen: zuerst wegen eines Mangels an geeigneten Kandidierenden, dann weil das Geld für das Auszahlen eines Lohnes fehlte. Während der Pandemie zogen sich dann nicht nur Kundinnen und Kunden, sondern auch viele Freiwillige zurück – und kamen nicht wieder. Ohnehin war fehlende Laufkundschaft im Düdelinger Laden bereits ein Problem.
„Es ist traurig, dass es nicht geklappt hat. Ich habe deswegen viel geweint“, sagt Mim Schütz. Bei dieser Aussage merkt man der ansonsten fröhlich und positiv gestimmten Frau an, dass die vergangene Zeit kräftezehrend gewesen sein muss. Wie viele andere auch hat sie ihr Herzblut in den Unverpacktladen gesteckt. Sie alle brauchen eine Pause, müssen ihre „Batterien neu aufladen“ – wie Mim Schütz beschreibt. Um dann energisch hinzuzufügen: „Ich bin davon überzeugt, dass nicht Schluss ist. Vielleicht prosten wir heute auf die Zukunft. Für mich ist es kein Abschied für immer.“ Mit neuem Konzept, einer anderen Herangehensweise – womöglich wird man in Luxemburg eines Tages wieder von der Kooperative hören.
Die Funktionsweise
Die ersten Unverpacktläden in Luxemburg wurden von der Kooperative OUNI (Organic Unpackaged Natural Ingredients) eröffnet – im Dezember 2016 in Luxemburg-Stadt und im März 2020, zwei Tage vor dem Lockdown wegen des Coronavirus, in Düdelingen. Das Prinzip der Kooperative brachte mit sich, dass man ohne die finanzielle Unterstützung einer Bank auskommen wollte und sich stattdessen über die Anteile finanzierte, die Mitglieder erwerben konnten. Neben den freiwilligen Helferinnen und Helfern waren zehn Festangestellte für die beiden Läden im Einsatz.
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