UN-Bericht / Treibhausgas-Emissionen steigen nach Corona-bedingtem Stillstand wieder an
Die Corona-Pandemie hat den Klimawandel nicht abgebremst, das geht aus dem Klimabericht der Vereinten Nationen hervor, der am Donnerstag veröffentlicht worden ist.
Durch die weltweite Corona-Pandemie hat der Klimawandel zwar an Aufmerksamkeit, dafür aber nicht an Dringlichkeit verloren. Das Virus hat das Leben der Menschen grundlegend verändert. Unter anderem war der Flugverkehr stark eingeschränkt und Fabriken geschossen worden. Nun bewegen sich die Emissionen wieder in Richtung des vor der Pandemie herrschenden Niveaus, nachdem durch Lockdowns in der ganzen Welt ein vorübergehender Rückgang zu verzeichnen war, schreibt die Weltorganisation für Meteorologie, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, in ihrem Bericht „United in Science 2020“.
Die Verringerung der CO2-Emissionen im Jahr 2020 werde sich nur geringfügig auf die Steigerungsrate der atmosphärischen Konzentrationen auswirken, so die UN. Vergangene Emissionen verbleiben sehr lange in der Atmosphäre. Um den Klimawandel zu stabilisieren, sei eine nachhaltige Reduzierung der Emissionen auf netto null notwendig. Anzumerken ist, dass durch die Pandemie auch die Zahl der Messungen zurückgegangen ist. Zum einen ging die Zahl der Flugzeug-gestützten Beobachtungen um durchschnittlich 75 bis 80 Prozent im März und April zurück. Zum anderen war der Betrieb händisch ausgewerteter Wetterstationen – insbesondere in Afrika und Südamerika – laut UN stark gestört.
„Die Welt wird die wärmsten fünf Jahre ihrer Geschichte erleben – ein Trend, der sich wahrscheinlich fortsetzen wird – und ist nicht auf dem Weg, die vereinbarten Ziele zu erreichen, den globalen Temperaturanstieg deutlich unter 2° C oder auf 1,5° C über dem vorindustriellen Niveau zu halten“, mahnen die Vereinten Nationen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres rief Spitzenpolitiker weltweit dazu auf, die in dem Bericht enthaltenen Fakten zu beachten, sich hinter der Wissenschaft zu vereinen und dringende Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, um den Weg in eine sicherere, nachhaltigere Zukunft für alle zu ebnen.
Energien und Energieeffizienz
Um das Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, d.h. die Erderwärmung auf nur 1,5 Grad Celsius zu beschränken, müssten die Treibhausgasemissionen zwischen 2020 und 2030 jährlich um sieben Prozent sinken. Um die Erderwärmung auf nur 2 Grad Celsius zu begrenzen, wäre ein jährlicher Einschnitt von drei Prozent notwendig, so die Vereinten Nationen unter Verweis auf ihren „Emission Gap Report 2019“. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste 2030 zwischen 29 und 32 Gigatonnen weniger CO2-Äquivalent ausgestoßen werden als heute. Das entspricht dem Ausstoß der sechs größten Emittenten, rechnen die UN vor.
„Es ist immer noch möglich, die Emissionslücke zu schließen, aber dies erfordert dringende und konzertierte Maßnahmen aller Länder und Sektoren. Ein wesentlicher Teil des kurzfristigen Potenzials kann durch den Ausbau bestehender bewährter Politiken realisiert werden, z.B. bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, kohlenstoffarmen Transportmitteln und einem Ausstieg aus der Kohleverstromung“, so die Organisation. Über das Jahr 2030 hinaus seien allerdings neue technologische Lösungen und eine allmähliche Veränderung des Konsums erforderlich. „Sowohl technisch als auch wirtschaftlich machbare Lösungen gibt es bereits“, so die UN.
Unter den Technologien, welche die Verstromung fossiler Brennstoffe mittelfristig ablösen könnten, wird die Kernfusion als besonders vielversprechend gehandelt. Sie ist theoretisch nicht wetterabhängig, ungefährlich und produziert kaum langlebigen, gefährlichen Abfall. In der Praxis allerdings existiert noch kein Fusionsgenerator, der mehr Energie produziert, als sein Betrieb verschlingt. Im französischen Cadarache entsteht derzeit ein experimentelles Fusionskraftwerk (ITER) unter Mitwirkung von Staaten weltweit – darunter die Europäische Union, China, die USA und Russland.
Derweil wird erwartet, dass es in der Periode von 2016 bis 2020 um 1,1 Grad Celsius wärmer war als in der Referenzperiode vor dem Industriezeitalter (1850 bis 1900) und 0,24 Grad wärmer als im Zeitraum 2011 bis 2015. Die Vereinten Nationen halten es für wahrscheinlich, dass sich der Trend fortsetzt.
Abnehmende Eismassen
Zwischen 2016 und 2019 wurde ein größerer Verlust an Gletschermasse verzeichnet als in allen anderen vergangenen Fünfjahresperioden seit 1950, so die Vereinten Nationen weiter. Zuletzt war zwar festgestellt worden, dass sich Grönlands größter Gletscher, der Jakobshavn, erholt. Wissenschaftler hatten berichtet, der Gletscher fließe wieder langsamer, werde dicker und bereite sich wieder in Richtung Meer aus, anstatt sich zurückzuziehen. Die US-Weltraumbehörde NASA geht jedoch davon aus, dass es sich dabei nicht um gute Nachrichten handelt. Die Erholung des Gletschers sei der Nordatlantischen Oszillation (NAO) geschuldet, einer Verschiebung der Meeresströmungen, die nun kälteres Wasser an den Gletscher heranführt. „Die Veränderungen des Jakobshavn sind vorübergehend. Wenn die NAO wieder umkippt, wird sich der Gletscher höchstwahrscheinlich wieder ausdünnen, da das warme Wasser zurückkehrt, um ihn von unten weiter abzuschmelzen“, so die NASA. Die Weltraumbehörde schreibt weiter: „Auch wenn das Verhalten Jakobshavns für einige verwirrend sein mag, gibt es keinen Hinweis darauf, dass sein Wachstum auf eine Verlangsamung der globalen Erwärmung hindeutet.“
Die Vereinten Nationen warnen eindringlich: „Der vom Menschen verursachte Klimawandel wirkt sich auf lebenserhaltende Systeme aus, von den Gipfeln der Berge bis in die Tiefen der Ozeane, was zu einem beschleunigten Anstieg des Meeresspiegels führt, mit kaskadenartigen Auswirkungen auf die Ökosysteme und die menschliche Sicherheit.“ Die Organisation nennt den Rückgang der Eisdecken und Gletscher. Zwischen 1979 und 2018 habe die Ausdehnung des arktischen Meereises für alle Monate des Jahres abgenommen. Auch zunehmende Waldbrände und abruptes Auftauen des Permafrostbodens sowie Veränderungen der Hydrologie der Arktis und der Gebirge bereiten den Verfassern des Berichtes Sorge.
Besonders die Ozeane leiden unter den weltweiten Veränderungen. Mit katastrophalen Folgen. Die Gewässer absorbieren einen Großteil der überschüssigen Hitze. Daneben absorbieren die Weltmeere CO2 und versauern. Dadurch dass das Eis der Gletscher und der Antarktis schmelzen und das Wasser ins Meer läuft, steigt der Meeresspiegel messbar an. Zwischen 2006 und 2015 wurde ein Anstieg von durchschnittlich 3,6 mm im Jahr gemessen.
Die Autoren des Berichtes zeichnen ein dramatisches Bild der Zukunft: „Bis 2050 wird die Zahl der Menschen, die von Überschwemmungen bedroht sind, von derzeit 1,2 Milliarden auf 1,6 Milliarden ansteigen. Anfang bis Mitte der 2010er Jahre lebten 1,9 Milliarden Menschen oder 27 Prozent der Weltbevölkerung in potenziell stark wasserarmen Gebieten. Im Jahr 2050 wird sich diese Zahl auf 2,7 bis 3,2 Milliarden Menschen erhöhen.“
Verfasst wurde der Bericht von der Weltorganisation für Meteorologie, unter der Leitung des Generalsekretärs der Vereinten Nationen und unter der Mitwirkung ihrer Partner, dem Global Carbon Project, der Zwischenstaatlichen Ozeanografischen Kommission der Unesco, dem Zwischenstaatlichen Ausschuss zum Klimawandel (IPCC), dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und dem Met Office, also dem nationalen meteorologischen Dienst des Vereinigten Königreichs.
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