Paradoxer Wochenbericht / Trotz höherer Positivrate, mehr Toten und weniger Impfungen auf dem Weg der Besserung?
Luxemburg wird bald seine Corona-Maßnahmen auf mehreren Ebenen deutlich lockern – so wie viele Nachbarländer das auch machen, weil die Fallzahlen entsprechend sind. Aber wie sicher ist der Trend? Der aktuelle Wochenbericht (Kalenderwoche 21) lässt mehrere Sichtweisen zu.
Das „Infektionsgeschehen“ in Luxemburg klingt, grundsätzlich, weiterhin ab – das belegt auch der neueste Wochenbericht, der vom Gesundheitsministerium am Mittwoch (2.6.) herausgegeben wurde.
Je nach Sichtweise weist der Report allerdings auch Anzeichen auf, die allzu großen Optimismus eintrüben müssen. So sind zwar in der Woche vom 24. bis 30. Mai nur 354 neue Infektionen entdeckt worden, während es in der Vorwoche noch 495 waren, was ein Abschmelzen von rund 28 Prozent bedeutet. Allerdings sind auch deutlich weniger Tests gemacht worden, nämlich nur 44.490 in der Kalenderwoche 21. Davor waren es noch 72.118.
Die Zahl der Tests sank also sogar um 38,3 Prozent, während die Anzahl der gefundenen Infektionen nur um 28 Prozent abgenommen hat. Folge: Die Test-Positivrate hat wieder etwas zugelegt, nachdem sie in den letzten Vorwochen stetig gesunken war. Vor allem bei den Jüngsten macht sie wieder einen kleinen Satz nach oben.
Paradox: Obwohl die Test-Positivrate etwas ansteigt, sinkt gleichzeitig die Wochen-Inzidenz: von 77,99 (Woche 20) auf 55,77 in der jüngst betrachteten Kalenderwoche 21. Das liegt daran, dass die Inzidenz zwar einerseits ein relatives Element enthält (die Umrechnung auf die Bevölkerung), andererseits aber eben auch ein absolutes Element (die gefundenen Infektionen). Dass die Inzidenz aus diesem Grund eigentlich ein untaugliches Mittel ist, um die Schwere eines Infektionsgeschehens zu beurteilen, ist ja auch Ansicht Luxemburger Forscher, die vor kurzem einen Aufsatz dazu geschrieben haben, der es in das Medizinjournal The Lancet geschafft hat.
Folgt man dieser Sichtweise, muss die zu Anfang dieses Artikels gemachte Feststellung also zumindest relativiert, wenn nicht sogar umgekehrt werden: Man könnte auch behaupten, dass sich die Lage wieder etwas verschlechtert hat. Und sowieso: Auch eine Wochen-Inzidenz von mehr als 50 hält Luxemburg beim benachbarten Deutschland immer noch auf der Liste der „Risikogebiete“ (auch wenn das mittlerweile praktisch keine spürbaren Folgen im Alltag hat mehr hat).
Andererseits sind die Fallzahlen mittlerweile derart gesunken, dass bereits einzelne Cluster die Statistik ausschlagen lassen (wenngleich man vom „statistischen Rauschen“ denkbar weit entfernt ist).
Schaut man sich andere Kennzahlen an, wird aber klar, dass die Lage zumindest nicht allzu schnell wieder außer Kontrolle geraten dürfte: So sind auf das Large Scale Testing, das ein sehr starkes Zufalls-Element enthält, zwar 65 Prozent aller Tests entfallen, hierüber aber letztlich nur 5 Prozent aller neuen Infektionen gefunden worden. Das bedeutet, dass die Test-Positivrate hier gerade einmal 0,06 Prozent betrug.
Erfolgreiche Kontaktverfolgung
Ungleich „erfolgreicher“ ist dagegen die Kontakt-Nachverfolgung: In der betrachteten Woche wurden 766 Kontakte identifiziert, was zu 226 Tests führte. Das waren lediglich 4,7 Prozent aller Tests – sie fanden dafür aber stolze 63,85 Prozent aller festgestellten Neuinfektionen. Infolgedessen ist die Test-Positivrate bei den Tests, die aufgrund einer Kontaktnachverfolgung gemacht wurden, auch sehr hoch: Sie beträgt 10,7 Prozent. Ein Wert, der beim Large Scale Testing eine regelrechte Katastrophe wäre, kann hier sogar als begrüßenswert betrachtet werden: Denn höhere Test-Positivraten im Zuge der Kontakt-Nachverfolgung können eben auch so interpretiert werden, dass Infizierte besonders gut ausfindig gemacht werden.
Wer seine Infektion nicht per Test bemerkt, bemerkt sie, vielleicht, irgendwann an Symptomen – und lässt sich dann testen. Rund 29 Prozent aller Tests waren individuell und anlassbezogen – und haben 31 Prozent aller Infektionen aufgedeckt. Hier betrug die Positivrate 0,85 Prozent.
Ebenfalls im offiziellen Report aufgeführt werden 209 positive „Antigentests“, also Schnelltests. Es gibt hier keine Aufschlüsselung, in welchem Rahmen diese Zahl an das Gesundheitsministerium gelangt ist – und auch nicht, in wie vielen Fällen das positive Ergebnis eines Schnelltests durch einen PCR-Test bestätigt wurde. Klar ist nur, dass diese 209 Antigen-„Treffer“ nicht in die Fallzahlen einfließen.
Bei 878 Menschen galt die Infektion während der Berichtswoche als aktiv, 1.169 Menschen befanden sich in Isolation – während es in der Vorwoche 1.283 und 1.665 Menschen waren. Auch bei den Personen, die in Quarantäne mussten, gab es einen starken Abschwung: von 1.999 auf 1.128 Menschen.
Andererseits ist der R-Wert angestiegen: von 0,81 auf 0,82 in der Berichtswoche. Vor einigen Tagen lag der Wert sogar bei 0,99. Liegt er oberhalb 1,0, deutet das darauf hin, dass sich das Virus wieder stärker verbreitet.
Ein Fall mehr: Steigerung um 25 Prozent
Ein wichtiger Kennwert zur Beurteilung der Lage ist sicherlich, wie viele Menschen das Virus so arg trifft, dass sie ins Krankenhaus müssen. Hier hat sich Erfreuliches getan: Zwischen dem 24. und 30. Mai gab es nur noch 19 gesicherte Covid-19-Fälle auf den Normalstationen – während es in der Vorwoche noch 28 waren.
Auch die Intensivstationen werden weniger in Anspruch genommen: Waren in der Vorwoche noch 19 Patienten verzeichnet, waren es im Berichtszeitraum nur noch 13. Damit waren 14,6 Prozent aller Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt (Vorwoche: 21,6 Prozent).
Ein sehr umstrittenes Thema waren schon immer die Toten und ob sie nun „an“ oder „mit“ einer Coronainfektion gestorben sind. Hier gab es jedenfalls einen Anstieg um volle 25 Prozent – aber die Fallzahlen sind mittlerweile auch so niedrig, dass jegliche Abweichung starke Schwankungen in der Statistik erzeugt. So wurden im Berichtszeitraum vier neue Todesfälle verzeichnet, während es in der Woche davor drei waren. Ihr Durchschnittsalter war 71 Jahre.
Auch wenn natürlich jeder einzelne Fall einer zu viel ist, sind diese Werte kein Vergleich zu dem, was sich gegen Jahresende 2020 in Luxemburg abgespielt hat. Der Wochenbericht fasst in einigen Aspekten den gesamten Pandemieverlauf monatsweise zusammen – und zeigt so ab November die Wucht der Welle, die zweimal zu weit mehr als 150 Todesfällen pro Monat geführt hatte.
Nun ist die Anzahl der Todesfälle aber wieder stark gesunken – wobei auffällt, dass der Anteil der tendenziell jüngeren Verstorbenen größer wird. Das dürfte wohl mit dem einsetzenden Schutz durch die mittlerweile angelaufenen Impfungen zusammenhängen, von dem zuerst die älteren Menschen am stärksten profitierten.
Bisher wurden in Luxemburg 364.909 Impfdosen verabreicht – wobei die Zahl der Erstimpfungen in der Berichtswoche mit 7.001 Dosen so niedrig war wie zuletzt vor zwölf Wochen. Immerhin gab es zwar 18.861 Zweitimpfungen, der höchste Wert seit Beginn der Impfungen, trotzdem sind in der Berichtswoche so in Summe nur 25.682 Impfdosen verabreicht worden. Auch dieser Wert war in den drei Vorwochen jeweils höher. „Wir hätten noch mehr Kapazitäten“, hat Premier Xavier Bettel am Mittwoch nach dem Regierungsrat erklärt. Doch der Impfstoff sei eben auch für Luxemburg rar. Wenige Sekunden zuvor hatte Bettel allerdings erklärt, bis zum 1. Juni seien 413.000 Einzeldosen Impfstoff geliefert worden, bis dato verabreicht seien 357.000 Dosen – was etwa 86 Prozent wären. Das bedeutet, dass 56.000 Impfdosen ungenutzt blieben. Das ist fast achtmal so viel, wie vergangene Woche an Erstimpfungen verabreicht wurde, und immer noch deutlich mehr, als jemals innerhalb einer Woche überhaupt verabreicht wurde. – Warum liegt so viel Vakzin auf Halde?
„In Luxemburg werden rund 25 Prozent der gelieferten Impfdosen der Impfstoffe Biontech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca zurückgelegt, um sicherzustellen, dass auch bei etwaigen Lieferengpässen Personen, welche eine Erstimpfung erhalten haben, zum vorgegebenen Zeitpunkt auch ihre Zweitimpfung erhalten können“, erklärt eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums auf Anfrage des Tageblatt.
Auf diese strategische Reserve konnte also nicht zurückgegriffen werden, um mehr Erstimpfungen durchzuführen. „Der Rückgang der verabreichten Dosen in der letzten Woche ist darauf zurückzuführen, dass weniger Dosen als erwartet geliefert wurden“, heißt es.
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Hört auf mit den Zahlenspielereien! Nützt doch alles nichts.Im Herbst gibt es ein neues Spiel und der ganze Zirkus wird erneut stattfinden!