Editorial / Trugschluss Generationengerechtigkeit: Rentendebatte muss sich aufs Wesentliche konzentrieren
Die anstehende Rentendebatte wird das politische Geschehen in Luxemburg wohl noch länger beschäftigen, wenn nicht sogar überschatten. Im Zentrum der Debatte: die Frage der Generationengerechtigkeit.
UEL-Präsident Michel Reckinger ist einer der Ersten, die sich pünktlich zur Rentrée in einem RTL-Interview zur Rentendebatte geäußert haben. Für die Arbeitgebervertreter komme eine Erhöhung der Beitragszahlungen in die Rentenkasse nicht infrage. Weil dann natürlich zusätzliche Kosten auf die Arbeitgeber zukämen, und es eine Frage der Generationengerechtigkeit sei. Gleichzeitig meint Reckinger, dass die Studien- oder Babyzeit für junge Studierende und Familien zwar anerkannt, aber künftig nicht mehr aus der Rentenkasse gezahlt werden sollten, weil ja auch nichts eingezahlt wurde. Diese Aussagen wurden nachträglich etwas kontextualisiert, doch schon jetzt ist klar: „Jidderee probéiert, säi Beefsteak ze verteidegen“, wie Reckinger treffend meinte.
Dass die jeweiligen Interessenvertreter nun versuchen, das Bestmögliche für ihre Klientel herauszuschlagen, ist normal. Es ist jedoch ein logischer Trugschluss, wenn mit Verweis auf ein angeblich zwischen Alt und Jung bestehendes Gerechtigkeitsverhältnis Reformvorschläge abgelehnt oder befürwortet werden sollen oder können. Denn: Es sei, die Politik zaubert eine Wunderlösung aus dem Hut, wird es unweigerlich dazu kommen müssen, dass entweder Alt oder Jung – oder sogar beide – bei der anstehenden Rentenreform verlieren werden. Das scheint bei der Reform eines generationenübergreifenden Umlagesystems unvermeidlich.
Der interessierte politische Beobachter der vergangenen Jahre wird sich an die Versprechen der vorherigen Regierung erinnern: Eine nachhaltige Steuerreform, bei der niemand etwas verlieren wird. Über die Gründe, warum aus einer solchen Reform nichts wurde, können sich die Stammtische des Landes gerne weiter auslassen. Fakt ist aber: Eine solche Reform mit nur Gewinnern ist illusorisch. Das wird sich auch die jetzige Regierung bei ihrer angekündigten Steuerreform eingestehen müssen – auch wenn das nach außen natürlich nicht so kommuniziert werden wird.
Umso mehr, wenn man ein System reformiert, das auf einer jahrzehntelangen solidarischen Umverteilung von Geldern basiert. Dass eine solche Reform notwendigerweise Gewinner und Verlierer zur Folge hat, ist unausweichlich. Es ist an der Politik, dies von Anfang an klar zu kommunizieren, damit die Diskussion um eine zukünftige Rentenreform nicht in eine „Boomer vs. Gen X vs. Gen Y. vs. Millennials vs. Gen Z“-Debatte ausartet.
Genau dann würde nämlich am eigentlichen Kern der Reform vorbeidiskutiert werden. Es ist kaum anzunehmen, dass die liberal-konservative Regierung sich mit der in der Rentendiskussion eigentlich impliziten Wachstumsfrage auseinandersetzt. Bleibt das derzeitige System in seinen Grundzügen bestehen – und danach sieht es laut aktuellem Koalitionsvertrag aus –, muss es um die Frage gehen, ob die wirtschaftlich Schwächsten im Alter angemessen überleben können und inwiefern die Bessergestellten bereit sind, dazu beizutragen. Die gesellschaftliche intergenerationelle Solidarität im gleichen Atemzug infrage zu stellen, wäre ein politisch hochexplosives Rezept für eine Debatte, aus der nur wenige konstruktive Schlüsse für eine Rentenreform zu ziehen sind.
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