Forum / Trump sagt Christen, dass sie nach dieser Wahl nicht mehr wählen müssen
Bei einer pro-republikanischen Wahlveranstaltung, die von einer angeblich christlichen Organisation namens „Turning Point Action“ am 26. Juli 2024 in Florida organisiert wurde, sagte Trump, dass Christen im Jahr 2024 unbedingt wählen müssen. Er sagte: „In vier Jahren müsst ihr nicht mehr wählen. Wir werden es so gut regeln (,fix‘), dass ihr nicht mehr wählen müsst.“
„Turning Point“ ist eine Pro-Trump-nationalkonservative „christliche“ Aktivistenorganisation, die vom Demagogen, weißen Rassisten und Verschwörungstheoretiker, Charlie Kirk, gegründet wurde und geleitet wird. Zweck ist es, die Wahlen im Sinne Trumps zu beeinflussen und falsche Informationen über die Demokraten zu verbreiten. Unmittelbar nach der Wahl 2020 veröffentlichte Kirk die haltlose Behauptung, die Wahl sei von den Demokraten gefälscht worden. Er war einer der Anführer der „Stop the Steal“-Proteste, die die konspirative Grundlage für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 bildeten.
Bei den Präsidentschaftswahlen im November 2024 scheint es wirklich um die Zukunft der amerikanischen Demokratie zu gehen, sowie um Fortschritt oder Rückschritt auf vielen Gebieten: Frauenrechte, Minderheitenrechte, Chancengleichheit, Bildungspolitik, Einwanderungspolitik, Gesellschaftspolitik, Gesundheitspolitik, Familienpolitik, Umweltpolitik, …
Eine Wiederwahl Trumps würde nicht nur den demokratischen Rechtsstaat der USA in Gefahr bringen, sondern hätte schwerwiegende Folgen für die freie demokratische Welt insgesamt. Zahlreiche rechtsextreme und rechtspopulistische Parteien neofaschistischen Geistes warten nur darauf, dass Trump zurückkommt und sich an die Spitze einer von reaktionären Milliardären finanzierten weltweiten Bewegung stellt, deren Ziel es ist, die auf den universellen Menschenrechten gründenden demokratischen Rechtsstaaten grundlegend zu verändern. Am Ende sollen autoritäre nationalkonservative Scheindemokratien übrigbleiben, deren moralischer Kompass nicht mehr die Menschenrechte, sondern die Bibel sein sollte.
Mit Ungarn haben wir in Europa ein gutes Beispiel vor Augen, wie schnell ein demokratischer Rechtsstaat in eine solche Scheindemokratie – von Orbán selbst als „illiberale“ Demokratie bezeichnet – umgewandelt werden kann.
Diktator für einen Tag … oder länger?
Trump hat bereits vor einiger Zeit angekündigt, dass er im Falle einer Wiederwahl am ersten Tag seiner Amtszeit Diktator sein möchte. Was möchte er an diesem Tag tun? Insbesondere die Südgrenze zu Mexiko schließen und sofort anordnen, auf US-amerikanischem Gebiet nach weiteren Ölquellen zu suchen. „Bohren, bohren, bohren“, sagte er. Was ein klares Aus für Bidens ambitiöse Klima- und Umweltpolitik bedeuten würde!
Als Trump klar wurde, dass seine diktatorische Aussage kontraproduktiv war, sagte er, er habe einen Scherz gemacht. Dies muss jedoch bezweifelt werden, wenn man auf den von Trump angezettelten Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zurückblickt und außerdem das sogenannte „Project 2025“1) mit in Betracht zieht. Bei diesem Projekt handelt es sich um einen detaillierten Plan, den Staat so umzubauen, dass vom demokratischen Rechtsstaat nicht mehr viel übrigbleiben würde. Im Gegenteil, am Ende bliebe eine Präsidialdiktatur, die vollständig in den Händen einer christlich-nationalkonservativen Clique läge.
In diesem Zusammenhang sind auch die Äußerungen Trumps beim „Turning Point Action“- Treffen am 26. Juli 2024 zu sehen. Er sagt hier unmissverständlich, es sei (in vier Jahren) nicht mehr nötig, zur Wahl zu gehen, wenn das Wahlsystem erst einmal „repariert“ („fixed“) sei. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass keine Wahlen mehr stattfinden würden. Selbst im Iran finden immer noch Wahlen statt, ebenso wie in anderen mit dem Iran verbündeten Diktaturen wie Russland, Syrien und Venezuela, auch wenn es sich dabei mehr um „Scheinwahlen“ handelt. Die Idee hinter Trumps Appell an die Christen, noch dieses Mal massiv wählen zu gehen, ist wohl, dass die Republikaner, wenn sie denn die Mehrheit erreichen sollten, das Wahlsystem so verändern bzw. manipulieren werden, dass sie über einen längeren Zeitraum über die absolute Mehrheit verfügen, egal wie hoch die Wahlbeteiligung ist. Ähnliches tat übrigens Mussolini 1923 im faschistischen Italien und sicherte seiner Partei 20 Jahre lang die absolute Macht. In Frankreich ist dies auch in den Plänen von Marine Le Pen vorgesehen.
Keine Kinder, kein Wahlrecht?
Abschließend sollte man auch vor diesem Hintergrund die familienpolitischen Aussagen des ultrareaktionären Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten, J.D. Vance, deuten. Vance ist beispielsweise der Ansicht, dass Bürger, die keine Kinder haben, weniger Wahlrechte haben sollten als Familien mit Kindern, und dass Familien mit mehr Kindern umso mehr Wahlrechte erhalten sollten. Er geht davon aus, dass die Demokraten per se „familienfeindlich“ sind und weniger Kinder haben als die Republikaner. Er bezeichnete führende demokratische Politikerinnen wie Kamala Harris als „kinderlose Katzendamen“ („childless cat ladies“), die mit ihrem Leben unzufrieden seien. Als Vance im Januar 2023 in den Senat gewählt wurde, reichte er sofort Anti-Trans- und Anti-LGBTQ-Gesetzesentwürfe ein. Er befürwortet zudem ein nationales Abtreibungsverbot und lehnt entschieden die Scheidung ohne Schuld ab, ein Recht, das es vor allem Frauen ermöglicht, aus Gewaltehen auszubrechen. Vances Argument? Er möchte verhindern, dass „Frauen ihre Partner wechseln, so wie sie ihre Unterwäsche wechseln“.
Mit Trump und Vance und ihren reaktionären Financiers à la Elon Musk und Peter Thiel: Auf dem Weg in ein postdemokratisches, antifeministisches, antiökologisches, sozial zutiefst ungleiches, moralisch erzkonservatives, aber hochtechnologisches Zeitalter? Kann das alles noch verhindert werden? Ist Kamala Harris vielleicht gegenwärtig die bedeutendste Hoffnungsträgerin für die Verteidigung der demokratischen Rechtsstaatlichkeit, der universellen Menschenrechte und der menschlichen Emanzipation?
1) https://www.project2025.org/
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