/ Türkisblauer Rosenkrieg: Kurz wirft Kickl raus – und alle FPÖ-Minister gehen mit
Harmonieshow war vorvorgestern: Nach dem Scheitern ihrer Koalition an der Ibiza-Affäre liefern sich ÖVP und FPÖ einen erbitterten Rosenkrieg, der an einer stabilen Übergangsphase bis zur Neuwahl im September zweifeln lässt.
Von unserem Korrespondenten Manfred Maurer, Wien
Stabilität hatte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) versprochen, nachdem er am Wochenende wegen des auf Ibiza heimlich aufgezeichneten Skandalvideos von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus seine Koalition mit den Rechtspopulisten aufgekündigt hatte. Auch der nach Straches Abgang interimistische FPÖ-Chef Norbert Hofer will „alles tun, damit die Stabilität gewährleistet“ bleibt.
Die EU-Kommission vertraut zwar freundlicherweise auf das Funktionieren der demokratischen Institutionen in Österreich, wie ein Sprecher gestern in Brüssel sagte, doch tatsächlich herrscht momentan auf vielen Ebenen Chaos, auf welches der Wahlkampfmodus, in dem sich alle Parteien schon befinden, nicht gerade deeskalierend wirkt.
Kickl untragbar
Zentrale Figur des türkisblauen Scheidungskrampfes war gestern Innenminister Herbert Kickl, dessen Abgang Kurz und die ÖVP forderten. Zwar hat er nichts zu tun mit dem Skandalvideo, das Strache im Juli 2017 auf Ibiza mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte über die Übernahme der einflussreichen Kronen-Zeitung und illegale Parteispenden schwadronierend zeigt. Er war aber aus anderen Gründen untragbar geworden: Er steht für die Verbindungen der FPÖ zur rechtsextremen Szene, die nach dem Bekanntwerden einer Spende des Christchurch-Attentäters an die österreichischen Identitären wieder für Schlagzeilen sorgen.
Als Herr über den Verfassungsschutz wurde Kickl zudem selbst zum Sicherheitsproblem: So hatte die Welt am Sonntag berichtet, der deutsche Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang habe den österreichischen Behörden wiederholt sein Misstrauen wegen möglicher Informationsweitergabe an Russland ausgesprochen. Der Grund des Misstrauens: Die FPÖ pflegt nicht nur auf Ibiza, sondern auch sonst eine spezielle Russland-Connection, die durch einen Kooperationsvertrag mit der Putin-Partei Geeintes Russland dokumentiert ist. Und nun wäre Kickl auch noch verantwortlich gewesen für die Aufklärung der Ibiza-Affäre, die in eine Zeit fällt, als er selbst FPÖ-Generalsekretär war.
Kickl setzte gestern noch eine Provokation und ernannte einen Vertrauten mitten in der Krise zum Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, wofür Bundespräsident Alexander van der Bellen allerdings seine Unterschrift verweigerte. Am frühen Abend war das Spiel aus: Kurz verkündete die Entlassung Kickls.
Damit war der nächste Akt des Scheidungsdramas programmiert: Die FPÖ kündigte den Abzug ihrer gesamten Ministerriege an. Kurz hat mit Van der Bellen für diesen Fall bereits vereinbart, die frei werdenden Regierungsposten mit Experten oder hochrangigen Beamten zu besetzen.
Misstrauensantrag geplant
Doch damit ist der Kanzler noch nicht aus dem Schneider. Die Liste „Jetzt“ kündigte für die anstehende Sondersitzung des Nationalrates einen Misstrauensantrag an, der nicht nur von SPÖ und Neos, sondern auch von Freiheitlichen unterstützt werden könnte. Kickl schloss nicht aus, dass die FPÖ für den Misstrauensantrag stimmen werde. Auch Kurz’ Tage als Kanzler könnten also gezählt sein. Wann es zu der Sondersitzung kommen wird, ist noch unklar. Die Opposition drängt auf einen Termin noch diese Woche, die ÖVP will die Ibizagate-Aufarbeitung erst nach der EU-Wahl am kommenden Montag über die Bühne gehen lassen.
Auch außerhalb des Epizentrums Wien kommt es zu Erschütterungen. Und zwar überall dort, wo ÖVP beziehungsweise SPÖ mit den Rechtspopulisten koalieren. Im Burgenland kündigte der rote Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gestern wie erwartet das vorzeitige Ende der Koalition mit der FPÖ an. Er tat das aber halbherziger als wohl auch von Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erhofft: Die vorgezogenen Neuwahlen sollen erst im Januar stattfinden, nur vier Monate vor dem regulären Termin. Damit werden die Sozialdemokraten im Wahlkampf wohl wieder mit der Frage konfrontiert sein: Wie haltet ihr es mit der FPÖ?
Linzer SPÖ-Bürgermeister kündigt Zusammenarbeit auf
Einen klareren Schlussstrich zog der Linzer SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger: Er hat gestern als Konsequenz des Ibiza-Videos mit sofortiger Wirkung die Zusammenarbeit mit der FPÖ aufgekündigt und Neuwahlen in ganz Oberösterreich gefordert, wo auf Landesebene die ÖVP mit der FPÖ koaliert. Landeshauptmann Thomas Stelzer will dieses Bündnis anders als Kurz im Bund nicht aufkündigen, forderte aber den Rücktritt des freiheitlichen Landesrats Elmar Podgorschek. Dieses Opfer brachte die FPÖ gestern.
Umfrage: ÖVP legt zu
Vorerst scheint die ÖVP von Ibizagate sogar zu profitieren: Eine Umfrage der Tageszeitung Österreich sieht die Kurz-Partei im Aufschwung. Die ÖVP liegt demnach bei 38 Prozent, vier Prozentpunkte mehr als bei der Nationalratswahl 2017. Die FPÖ würde zwar wenig überraschend verlieren, allerdings nicht in dem Ausmaß, wie das nach diesem Skandal vielleicht erwartbar wäre: 18 Prozent bedeuten ein Minus von „nur“ fünf Prozentpunkten. Die SPÖ kann bislang offenbar nur leicht profitieren und liegt mit 26 Prozent einen Punkt über ihrem letzten Ergebnis. Ebenfalls um einen Punkt verbessern sich die Neos auf neun Prozent. Die nicht im Nationalrat vertretenen Grünen dürfen mit fünf Prozent auf den Wiedereinzug hoffen, die Liste „Jetzt“ würde es mit zwei Prozent nicht mehr schaffen.
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