Open Airs auf Kirchberg / Über Nachtruhe, zu viele Festivals und zu wenig Locations
Mit dem „Pond Eclectic“ und dem „Luxembourg Open Air“ (LOA) werden diese Woche wieder mehrere Veranstaltungen auf Kirchberg organisiert. Der Rückblick auf den Festival-Sommer in dem hauptstädtischen Viertel und das Gespräch mit den Verantwortlichen verschiedener Events unter freiem Himmel zeigt: Die Organisation von Open Airs ist oft ein Drahtseilakt – zwischen dem Wunsch, Menschen an der frischen Luft etwas bieten zu wollen und dabei die Nachbarschaft zu respektieren.
Es ist wieder etwas los in Luxemburg-Stadt: Zieht einerseits die Schobermesse noch bis einschließlich Mittwoch Menschen in die Hauptstadt, sorgt andererseits „den Atelier“ aktuell zusammen mit Partnern auf Kirchberg für die Unterhaltung von vor allem Groß, aber auch Klein: Seit Sonntag und noch bis Mittwoch finden während des „Pond Eclectic“ im Amphitheater in der Nähe des Schwimmbades Konzerte statt. Und damit nicht genug: Am Wochenende werden dann in rund 850 Meter Entfernung davon auf dem Gelände bei der Philharmonie wieder DJs beim „Luxembourg Open Air“ (LOA) die Menschen zum Tanzen bringen.
Organisatorische Abläufe
Wer auf einem vom „Fonds Kirchberg“ verwalteten Gelände – wie etwa dem Amphitheater nahe dem Schwimmbad oder der place de l’Europe rund um die Philharmonie – eine öffentliche Veranstaltung organisieren will, muss dafür auf der Webseite des „Fonds Kirchberg“ ein Formular herunterladen und dieses ausfüllen. Private Feste sind nicht erlaubt. Organisierende werden dabei daran erinnert, dass das Polizeireglement der Gemeinde mit darin festgehaltener Nachtruhe ab 22.00 Uhr einzuhalten ist. Zudem braucht es für das Durchführen einer Veranstaltung eine Genehmigung von der Gemeinde Luxemburg.
Was bei den einen für gute Stimmung sorgt, kann anderen diese schnell verderben: So hatten sich bereits im Juni mehrere Anrainerinnen und Anrainer aus der Hauptstadt bei der Gemeinde wegen zu lauter Musik von Veranstaltungen auf dem Kirchberg beschwert. Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) hatte daraufhin das Gespräch mit den Verantwortlichen des „Fonds Kirchberg“ gesucht, der Grundstücke wie das Amphitheater im Kirchberger Park oder die place de l’Europe rund um die Philharmonie verwaltet – die als Austragungsorte für Konzerte und Co. beliebt sind.
Schnell fand sich im Juni eine Einigung – wie die Nachfrage bei der Gemeinde Luxemburg sowie dem „Fonds Kirchberg“ ergibt: Seitdem werden Organisatorinnen und Organisatoren ausdrücklich daran erinnert, dass für die Durchführung von Veranstaltungen eine Genehmigung von der Gemeinde nötig ist und die im Polizeireglement vorgeschriebene Nachtruhe ab 22.00 Uhr zu respektieren ist. „Das heißt ja nicht, dass dann sofort alles vorbei sein muss. Aber die Nachtruhe soll ab 22.00 Uhr eben nicht gestört werden“, erklärt dazu Bürgermeisterin Lydie Polfer.
Flexibilität gefragt
Wie das konkret nun umgesetzt wird, wollte keiner der Verantwortlichen der aktuell auf Kirchberg stattfindenden Open Airs dem Tageblatt erklären: Beim „Atelier“ verwies man auf eine hektische Zeit und Urlaube, beim „LOA“ wollte man sich in der heißen Phase vor dem Festival nicht zu Organisatorischem äußern. Aufmerksamen Menschen dürfte allerdings aufgefallen sein, dass „den Atelier“ kurz vor Beginn der Show am Dienstagabend das Konzert von Yann Tiersen im Rahmen des „Pond Eclectic“ „aus technischen Gründen“ um eine Stunde vorverlegte. Erst einige Stunden zuvor war die für Freitag geplante Show von Fritz Kalkbrenner ganz abgesagt worden. Offenbar musste auch beim „Atelier“ kurzfristig umgeplant werden – wie das im Laufe des Sommers bereits bei mehreren Veranstaltungen auf Kirchberg der Fall war. Denn das mehr oder weniger plötzliche Beharren der Gemeinde in puncto Nachtruhe – nachdem in den letzten Jahren dort durchaus Konzerte unter freiem Himmel bis 1.00 Uhr stattfinden konnten – wurde für viele zur organisatorischen Herausforderung.
Wie zum Beispiel beim „De Gudde Wëllen Open Air Festival“, das im Juni als Programmteil der hauptstädtischen „Fête de la musique“ im Kirchberger Park stattfand. „Donnerstags sollte es losgehen und alles war bereit. Da es wegen einer Veranstaltung am Wochenende zuvor aber viele Beschwerden gegeben hatte, wurden wir anfangs der Woche von der Gemeinde gebeten, früher mit der Musik aufzuhören“, erzählt Luka Heindrichs vom „Gudde Wëllen“. Kurzerhand wurde das Live-Programm um eine Stunde gekürzt und danach Musik über eine kleinere Anlage gespielt. „Für schnellere Übergänge mussten wir zusätzliche Techniker buchen“, erklärt Luka Heindrichs zu den anfallenden Kosten durch die spontane Umorganisation.
Auch bei „Lauter Unfug“ – einer gemeinnützigen Vereinigung zur Organisation von Events mit elektronischer Musik – war beim „Lost Paradise Festival“ am zweiten Juli-Wochenende Flexibilität gefragt. „Anfang des Jahres hatten wir die Genehmigung bei der Gemeinde angefragt. Es kam keine Rückmeldung – wir gingen davon aus, dass wie immer alles in Ordnung sei. Einen Tag vor der Veranstaltung wurden wir darüber informiert, dass die Musik um 22.00 Uhr aus sein müsste“, erklärt ein Verantwortlicher von „Lauter Unfug“. Auch hier war leisere Musik am späten Abend die Lösung. Die kurzfristige Ansage bedeutete allerdings viel Druck für die Organisatoren.
Frischluft statt Stickluft
Denn einiges an Überzeugungsarbeit war notwendig, damit die seit langem geplante Veranstaltung überhaupt stattfinden konnte. Ein anderer Organisator musste ein dreitägiges Festival mit nationalen DJs aus dem Bereich der elektronischen Musik im Juli absagen – nach einjähriger Planung. Freitags sollte es losgehen, dienstags wurde er zur Gemeinde gebeten. „Man sagte mir, dass wir um 22.00 Uhr aufhören müssten. Aber wer geht denn von 18.00 bis 22.00 Uhr auf ein Festival?“, fragt der Veranstalter, der beruflich auf die Zusammenarbeit mit der Gemeinde angewiesen ist und deshalb anonym bleiben will. Eine Anfrage für eine freie Nacht hatte er nicht beantragt, da er davon ausgegangen war, dass das Festival wie immer bis 1.00 Uhr gehen könnte.
Auf den Kosten für das als Location dienende Zirkuszelt, das selbstgebraute Bier und für die Werbung blieb er sitzen. Und doch zeigt er Verständnis für die Nachbarschaft in den hauptstädtischen Vierteln: „Es war jetzt quasi an jedem Wochenende was los. Da kann ich nachvollziehen, dass es irgendwann zu viel wird. Aber als wir vor mehr als einem Jahr anfragten, war noch nicht so viel geplant.“ Seiner Meinung nach müsste vor allem besser darauf geachtet werden, wie viel organisiert wird. Auch bei „Lauter Unfug“ stellt man fest, dass es nach zwei Jahren Pandemie ein Überangebot an Events gibt.
Den prallgefüllten Veranstaltungskalender auf Kirchberg erklärt auch Lydie Polfer mit der Tatsache, dass die Menschen endlich wieder zusammenkommen können. Aber: „Das müsste ja nicht unbedingt draußen, in der Nähe von Wohnungen sein. Die Veranstaltungen könnten an anderen Orten organisiert werden. Dafür gibt es ja Häuser wie die Philharmonie oder die Rockhal.“ Eine Sicht, die die verschiedenen Organisatoren nicht teilen. Sie verweisen unter anderem auf die hohen Temperaturen im Sommer, bei denen Menschen sich lieber an der frischen Luft statt in einem stickigen Club oder in einer dunklen Halle aufhalten.
Austragungsorte gesucht
Zudem hat sich das Konzept von Events unter freiem Himmel in der Pandemie bewährt. Und: „Das macht einen Ort ja auch attraktiv. Ich will mir keine Stadt oder kein Land ohne Open Airs vorstellen“, sagt dazu Luka Heindrichs. Als Verantwortlicher des ehemaligen „Food for your Senses“-Festivals weiß er, wie schnell es für ein Open Air vorbei sein kann – vor allem wegen der mühseligen Suche nach einem geeigneten Austragungsort: „Luxemburg ist dicht besiedelt und hat viele Grünzonen. Entweder stört man die Nachbarschaft oder man bekommt wegen des Naturschutzgesetztes keine Genehmigung. Oder man wird irgendwann gehen müssen, da an dem Ort gebaut wird.“ Auch von „Lauter Unfug“ lautet die Feststellung: „Es fehlt an alternativen Orten.“
Da ist es wohl umso wichtiger, dass einerseits Gelände wie auf dem Kirchberg gut verwaltet werden und auf der anderen Seite deren Nachbarschaft respektiert wird. Für die Aufregung um zu laute Musik im Juni war wohl vor allem ein Event schuld, das von einem in der Branche unbekannten Veranstalter organisiert wurde – wie gleich mehrere Organisatoren im Gespräch mit dem Tageblatt vermuten. Allgemein meint dazu Luka Heindrichs: „Es ist ein Problem, wenn nicht an die Menschen in der Umgebung gedacht wird. Es macht zum Beispiel einen großen Unterschied, welche Anlage man nutzt. Seriöse Organisatoren arbeiten mit ordentlicher Technik, guten Dienstleistern und gewissenhaftem Personal.“
Musik würde dann weniger in verschiedene Richtungen strahlen und vor allem die Ohren der Gäste vor der Bühne erreichen. Auch bei „Lauter Unfug“ ist man überzeugt, dass durch das richtige Set-up die Lautstärke reguliert werden kann. Und wie so oft scheint letztlich Kommunikation das A und O. „Eine besorgte Einwohnerin hat sich im Juni kurz vor dem Festival gemeldet, da sie als Krankenhausmitarbeiterin um 5.00 Uhr aufstehen muss. Wir waren dann per Mail im Dialog. Wenn man die Tür für Feedback offen lässt, kriegt man schnell mit, wenn man die Leute in der Umgebung stört“, stellt Heindrichs fest und sagt: „Wir wollen ja nicht den Ruf haben, dass wir Lärm machen.“ Seine Erklärungen und die von anderen Organisatoren zeigen, dass die Beschallung des öffentlichen Raumes zu später Stunde ein heikles Thema bleibt. Und das kann offensichtlich nur gemeinsam angegangen werden: durch Zusammenarbeit und gute Kommunikation.
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