Steuergutschrift von Luxemburg / Überstundensteuer: Deutsche Grenzgänger könnten am Ende ein Plus machen
Mit einem besonderen Steuerkredit versucht die Luxemburger Regierung, die von der neuen deutschen Überstundensteuer betroffenen Grenzgänger zu kompensieren. Kurios: Einige von ihnen könnten am Ende sogar profitieren.
Das Drama Überstundensteuer geht in den nächsten Akt. Vor drei Wochen verkündete Luxemburgs Finanzminister Gilles Roth seinen steuerlichen „Entlaaschtungs-Pak“. Und in dem versteckte der CSV-Politiker auch ein Bonbon für Grenzgänger: einen Steuerkredit für Überstunden. Bis zu 700 Euro pro Jahr sollen Pendler gutgeschrieben bekommen, falls sie „bestimmte Bedingungen“ erfüllen. Diese „Bedingungen“ sind einfach erklärt: Die Grenzgänger müssen in Deutschland wohnen. Denn weder in Belgien noch in Frankreich müssen Arbeitnehmer aus Luxemburg Steuern auf Einkünfte aus Mehrarbeit zahlen.
Ja, die berüchtigte Überstundensteuer mal wieder. Sie sorgt spätestens seit diesem Frühjahr für schlechte Laune bei Pendlern aus dem östlichen Nachbarland. Im März war bekannt geworden, dass das neue Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Großherzogtum und Bundesrepublik die Besteuerung von Löhnen für Überstunden in Deutschland vorsieht. Und das sogar auf Jahre rückwirkend. So interpretieren es zumindest die deutschen Steuerbehörden. Der Aufschrei war nicht klein. Und spätestens, nachdem das Bundesfinanzministerium der Luxemburger Regierung falsche Informationen zu dem Thema gab – die Finanzminister Roth auch noch verkündete – sah der eine oder andere großherzogliche Finanzbeamte das Gebaren der Nachbarn wohl als Affront.
Diplomatisch und mit Bordmitteln
Diesem Affront soll jetzt ganz diplomatisch und mit Bordmitteln entgegengewirkt werden. Die Luxemburger Regierung vermeidet die offene Konfrontation mit Berlin – und zahlt den Betroffenen stattdessen einfach einen Steuerkredit aus dem eigenen Budget. Stephan Wonnebauer – ein Steueranwalt aus Trier, der sich auf Grenzgängerfragen spezialisiert hat – geht von rund 8.000 betroffenen Grenzgängern aus.
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Nicht alle von ihnen bekommen den Höchstbetrag beim Luxemburger Steuerkredit. Und wiederum nicht alle von ihnen werden damit ihre Überstundensteuer komplett kompensieren können. „Einige deutsche Grenzgänger werden höhere Steuerlasten in Deutschland zu tragen haben. Darauf haben wir leider nur bedingt Einfluss“, schreibt das Luxemburger Finanzministerium auf eine Tageblatt-Anfrage. Die Zahlungen aus Luxemburg an die Menschen mit Wohnsitz in Deutschland sind gestaffelt. Unter einem Überstunden-Einkommen von 1.200 Euro gibt es gar nichts, ab 4.000 Euro den Höchstsatz von 700 Euro. Laut Stephan Wonnebauer wird er im Rahmen der (Luxemburger) Steuererklärung geltend gemacht.
Ausgleichszahlungen durch die Hintertür?
Wonnebauer schätzt, dass der Steuerkredit das Luxemburger Staatssäckel „grob“ mit rund 3,2 Millionen Euro pro Jahr belasten könnte. Umgekehrt könnten die deutschen Finanzämter Summen in der Höhe von acht Millionen Euro durch ihre neue Steuer einnehmen.
Das ist nicht ganz so viel, wie deutsche Kommunalpolitiker Anfang 2023 von Luxemburg gefordert haben. Sie verlangten damals 128 Millionen Euro als Ausgleichszahlung vom Großherzogtum. Das Argument: Die Grenzgänger profitierten von der Infrastruktur – zahlten ihre Steuern aber in Luxemburg. Sogar der wissenschaftliche Dienst des Bundestags widmete sich dem Thema. Er stellte fest: Mit Belgien hat Luxemburg einen „Fiskalausgleich“ beschlossen – und zahlt jedes Jahr Millionen.
Die Wurzeln für diesen Pakt liegen zwar lange zurück – sie gehen auf Abkommen aus der im Jahr 1922 beschlossenen Wirtschaftsunion zurück –, dennoch weckt er immer wieder Begehrlichkeiten. „Im Jahr 2019 erhöhte sich die Kompensation erneut, diesmal auf 91 Millionen Euro. Es profitieren insgesamt 55 Gemeinden von den Zahlungen, wobei die Gemeinde Arlon mit 23 Prozent den größten Teil des Ausgleichsfonds zugeschlagen bekommt“, schreibt der wissenschaftliche Dienst des Bundestags 2022 in einer Kurzinformation. Eine Finanzspritze, nach der man sich in der mit hunderten Millionen Euro in der Kreide stehenden Stadt Trier sicherlich die Finger leckt.
Deutsche Finanzämter ziehen Steuer schon ab
Die deutschen Finanzbehörden arbeiten jedenfalls schon mit der neuen Steuer. „Die Überstunden sieht man direkt in der Steuerkarte. Das Finanzamt hat somit ein leichtes Spiel, sie zu erkennen, und besteuert sie“, sagt Stephan Wonnebauer. Er ist mehr denn je davon überzeugt, dass dieses Vorgehen auf wackligen juristischen Beinen steht. Seine Kanzlei habe bereits zehn Einsprüche eingelegt.
Bei einem Privatmann würde man sagen: Das ist dreist gelogen.Steueranwalt
Da ist einmal die rückwirkende Anwendung der Regel. Benachteiligende Gesetze dürfen laut Wonnebauer im Steuerrecht nicht rückwirkend angewandt werden. Deshalb nutzen die deutschen Behörden einen Trick: Sie behaupten, dass die Überstunden eigentlich schon immer versteuert werden mussten – und dass das in der berüchtigten Konsultationsvereinbarung zum Doppelbesteuerungsabkommen nur klargestellt wurde. „Aber das stimmt ja nicht“, sagt Wonnebauer. „Überstunden aus Luxemburg wurden noch nie besteuert.“ Er betreue seit 1998 Grenzgänger – „und das wurde noch nie gemacht“, sagt er. „Dass die das einfach hinrotzen, das ist dreist. Bei einem Privatmann würde man sagen: Das ist dreist gelogen.“
Und dann gibt es da noch einen Seitenhieb der Autoren der Regelung für den Überstunden-Steuerkredit. Die verweisen ausdrücklich auf ein älteres Gesetz, das die Besteuerung für Einkünfte aus Überstunden in Luxemburg regelt – in dem sie von der Steuer freigestellt werden. Das geschieht auf die exakt gleiche Weise wie bei den Nacht- und Feiertagszuschlägen. Das Absurde: Diese werden in Deutschland als „tatsächlich besteuert“ betrachtet und müssen eben nicht mehr versteuert werden. Warum dann die Einkünfte für Überstunden? Wonnebauer: „Meines Erachtens müsste ein Gericht später sagen: Sie gelten damit wegen der gesetzlichen Freistellung als besteuert“. Damit könnte die Überstundensteuer dann in Deutschland fallen. Die offizielle Position des Luxemburger Finanzministeriums bleibt dagegen natürlich stoisch: „Die Anwendbarkeit des DBA mit Deutschland wird durch diese neue Regelung nicht tangiert“, schreibt die Behörde dem Tageblatt.
Am Ende mehr „raus“?
Der Steuerkredit kann zudem zu einem kuriosen Effekt führen: Nämlich, dass die mit der Überstundensteuer belegten Grenzgänger am Ende mehr Geld übrig haben als vorher. „Man könnte unter Umständen sogar ein Geschäft machen“, sagt Stephan Wonnebauer. Ab 4.000 Euro Einkünften aus Überstunden schreibt der Luxemburger Staat 700 Euro gut – egal, wie viele Steuern dafür tatsächlich in Deutschland fällig werden. „Wenn man Ausgaben absetzen kann – Versicherungen, Kinderfreibetrag und so weiter – dann sind in Deutschland von den 4.000 Euro vielleicht noch 2.000 Euro versteuerbar.“ Davon 25 Prozent Steuer sind 500 Euro – 200 weniger als der Steuerkredit. „Das wäre doch ein gutes Szenario“, sagt Wonnebauer lachend.
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