Uni.lu-Rektor Stéphane Pallage / Überwachungstool könnte doch noch in der aktuellen Examenszeit zum Einsatz kommen
Die Uni.lu habe zwar in Erwägung gezogen, die umstrittene Fernüberwachungssoftware Proctorio noch in der aktuellen Examenszeit einzusetzen, doch könne diese erst implementiert werden, wenn die Universität Luxemburg sich vergewissert habe, dass diese konform sei, sagt Rektor Stéphane Pallage im Tageblatt-Interview. Es könne also nicht ausgeschlossen werden, dass das Tool noch während dieser Examenszeit in den Einsatz kommt.
Tageblatt: Die Worte „Rückzug“ und „kippte“ in unserem Artikel zur Fernüberwachungssoftware in der Dienstagsausgabe vom „T“ haben Ihnen nicht gefallen. Wieso?
Stéphane Pallage: In Wirklichkeit hat sich nichts wesentlich verändert. Die Universität hat sich seit Wochen in einem außergewöhnlichen und schwierigen Umfeld darauf vorbereitet, ein bestimmtes Instrument zur Überwachung der Examen aus der Ferne einzuführen. Es ist ein komplexes Projekt, und die letzten Prüfungen haben uns gezeigt, dass es immer noch Aspekte gibt, die Fragen aufwerfen. Wir haben viele Antworten dazu, aber einige Aspekte müssen noch geklärt werden, bevor das Instrument validiert werden kann. Das Tool wird noch geprüft, es wird nicht zurückgezogen. Die Universität wird es aber erst dann einsetzen, wenn sichergestellt ist, dass es in jeder Hinsicht konform ist – und auch dann nur in Ausnahmefällen, wenn andere Formen der Prüfungsüberwachung aus der Ferne schwierig oder unpraktisch sind. Die Universität ist sich ihrer Verantwortung bewusst und handelt dementsprechend.
Aber wenn man etwas ankündigt – die Studentenvereinigung UNEL hat uns gesagt, dass die Uni.lu den Studenten am 3. Juni mitgeteilt hat, dass sie den Einsatz einer solchen Software in Erwägung zieht – und am 5. Juni, das ergab eine Antwort der Regierung auf eine dringende parlamentarische Frage, es nicht mehr in Erwägung zieht, dann ist das doch ein Rückzug, da das Tool ja nicht mehr für die Examenszeit 2019/2020 eingesetzt wird?
Ich weiß nicht, was die UNEL bestätigt hat. Die Universität hat mitgeteilt, dass sie den Einsatz einer Fernüberwachungslösung erwägt, dass diese jedoch erst implementiert wird, wenn sie sich vergewissert hat, dass sie in jeder Hinsicht konform ist. Ich verstehe, dass dies wie ein Rückzug erscheinen mag, aber es ist Aufgabe der Universität, dafür zu sorgen, dass die Prüfungen unter den bestmöglichen Bedingungen stattfinden können.
Das Sommersemester läuft bis zum 4. September. Angesichts der Covid-19 bedingten Umwälzungen und um den Studierenden die Möglichkeit zu geben, die Prüfungen unter den bestmöglichen Erfolgsbedingungen abzulegen, gestattet die Universität ausnahmsweise die Organisation von Prüfungen in den Monaten Juli und August. Sollte eine Entscheidung zugunsten dieser Fernüberwachungssoftware getroffen werden, stünde ihrem Einsatz während dieser Zeit also nichts im Wege.
Sollte dieses Fernüberwachungsinstrument eingeführt werden, so würde dies von Fall zu Fall entschieden, und es ist klar, dass es nur in seltenen und außergewöhnlichen Fällen eingesetzt wird, in denen andere Formen der Fernüberwachung von Examen schwierig oder unpraktisch sind.Rektor Uni.lu
Im Tageblatt-Gespräch mit der UNEL-Vertreterin Estelle Née wurde uns mitgeteilt, dass die Uni.lu den Einsatz eines solchen Überwachungstools erst am 3. Juni bekannt gab, also fünf Tage vor Beginn der Examenszeit. Die UNEL hat diese kurzfristige Ankündigung kritisiert. Wieso wurde dies so kurz vor knapp mitgeteilt?
Sollte dieses Fernüberwachungsinstrument eingeführt werden, so würde dies von Fall zu Fall entschieden, und es ist klar, dass es nur in seltenen und außergewöhnlichen Fällen eingesetzt wird, in denen andere Formen der Fernüberwachung von Examen schwierig oder unpraktisch sind. Es wäre also eine sehr begrenzte Anzahl von Prüfungen betroffen. Und sicherlich würde die Universität die Anwendung eines solchen Instruments nicht kurzfristig verlangen. Es liegt auf der Hand, dass die betroffenen Studenten im Falle einer Anwendung eine angemessene Vorbereitungszeit und die Möglichkeit haben müssen, das Instrument unter akzeptablen Bedingungen zu testen. Ich denke, dass dies den Studierenden durchaus mitgeteilt worden ist.
Die Uni.lu war laut ihrer Aussage in Kontakt mit der Nationalen Datenschutzkommission CNPD. Wie hat diese die Benutzung einer solchen Software beurteilt?
Das Projekt wurde mit der CNPD im Hinblick auf seine praktische Umsetzung eingehend erörtert. Die Interaktion mit der Kommission war sehr nützlich. Ich kann jedoch nicht im Namen der CNPD sprechen – das ist eine Frage, die Sie an die CNPD richten sollten.
Was die Prüfungsmodalitäten anbelangt, so kann ein Studierender bereits jetzt die Verwendung bestimmter Modalitäten ablehnen, wie z.B. während einer Fernprüfung gefilmt oder aufgezeichnet zu werdenRektor Uni.lu
Kann die Weigerung eines Studenten, ein von der Uni oder dem Dozenten vorgegebenes Programm auf seinem Rechner zu installieren, einen negativen Einfluss auf seine Noten haben?
Der Erfolg ihrer Studierenden liegt der Universität sehr am Herzen, das ist ihr vorrangiges Ziel. Sie hat auch die Pflicht, den Wert der von ihr verliehenen Abschlüsse und Diplome im Interesse der Studierenden, der Gesellschaft und der Universität selbst zu schützen. Die Hochschullehrer haben die Verantwortung, die besten Tools zur Verhinderung von Täuschungsversuchen im Unterricht und bei den Prüfungen einzusetzen. Artikel 5 der Charta der Universitätsnutzer besagt, dass der Nutzer das Recht auf eine effiziente Arbeits- und Prüfungsorganisation hat, die das Betrugsrisiko so weit wie möglich einschränkt.
Ein Student kann die Teilnahme an einer Prüfung nicht verweigern.
Was die Prüfungsmodalitäten anbelangt, so kann ein Studierender bereits jetzt die Verwendung bestimmter Modalitäten ablehnen, wie z.B. während einer Fernprüfung gefilmt oder aufgezeichnet zu werden. Wenn eine solche Verweigerung rechtzeitig mitgeteilt wird, wird eine alternative Prüfung angeboten.
Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass es ernsthafte Bedenken gibt, und wir nehmen diese auch sehr ernst. Und ich vertraue den Professorinnen und Professoren, dass die Bewertung der Studierenden mit höchster Professionalität auf der Grundlage des Wissens und der Fähigkeiten der Studierenden durchgeführt wird. Jetzt ist es an der Zeit, die Dozenten ihre Arbeit machen zu lassen.
Wann könnte eine solche Überwachungssoftware an der Uni.lu ohne Datenschutzbedenken zum Einsatz kommen?
Sobald wir davon überzeugt sind, dass die Nutzungsbedingungen in jeder Hinsicht konform sind. Und auch in diesem Fall wird das Instrument nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.
Welche Fragen müssten denn noch geklärt werden?
Die zu klärenden Aspekte betreffen technische Fragen. Die Universität möchte das ordnungsgemäße Funktionieren des Instruments sicherstellen, falls es angewandt wird. Nach unserem Austausch mit der CNPD ist die Universität auch dabei, eine Folgenabschätzung in Bezug auf den Datenschutz abzuschließen.
Die Universität wird ein einziges Tool anbieten. Wir haben nicht die Ressourcen, um mehrere zur Auswahl zu stellen.Rektor Uni.lu
Geht es hier nur um das Tool Proctorio oder auch um andere Programme?
Die Universität wird ein einziges Tool anbieten. Wir haben nicht die Ressourcen, um mehrere zur Auswahl zu stellen.
Sind die Instrumente, die in der aktuellen Examenszeit eingesetzt werden, im Einklang mit den persönlichen Datenschutzrichtlinien?
Die Antwort ist ganz klar ja; wir sind der Auffassung, dass alle Instrumente, die in dieser Phase eingesetzt werden, im Einklang mit der Datenschutzrichtlinie stehen.
Wie gehen Sie nun in der aktuellen Examenszeit vor, wenn ein Student sich weigert, irgendwelche Programme zu benutzen? Hat er das Recht auf ein Präsenzexamen?
Das Format der Prüfungen wird vom Dozenten rechtzeitig vor der Prüfung bekannt gegeben. Wenn ein Studierender zum Beispiel nicht gefilmt werden möchte, muss er dies frühzeitig mitteilen. Dem Studierenden wird dann ein alternatives Prüfungsformat vorgeschlagen.
Hansen, Mosar und Roth lassen nicht locker
Die drei CSV-Abgeordneten Martine Hansen, Gilles Roth und Laurent Mosar lassen nicht locker. Sie haben sich mit der knappen Antwort ihrer dringenden parlamentarischen Frage zum Einsatz der Fernüberwachungssoftware an der Uni.lu vor wenigen Tagen nicht begnügt und am Mittwoch eine weitere dringende parlamentarische Frage eingereicht. In der Antwort heißt es, dass die Uni.lu in erster Linie eine juristische Person sei und über pädagogische, wissenschaftliche, administrative und finanzielle Autonomie verfüge. Demnach basiere man sich bei der Beantwortung der Fragen zum Überwachungstool auf die Informationen, die die Uni der Regierung mitgeteilt habe. Daraus geht hervor, dass die Uni.lu den Einsatz der Fernüberwachungssoftware Proctorio zur Überwachung von Fernexamen in Erwägung gezogen hat. Dieses Tool wurde am 26. Mai den Universitätsdekanen, Vizedekanen, der Studentendelegation, den Vertretern des Datenschutzes sowie dem Informatik-Team vorgestellt. Bei dieser Präsentation konnten zahlreiche Fragen erörtert und besprochen werden. Die Vertragsbedingungen mit dem Anbieter sind vertraulich.
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