/ UEL verweigert den Sozialdialog: OGBL-Präsident André Roeltgen droht mit „Kraftakt“
In der ersten Sitzung des tripartitären „Comité permanent du travail et de l’emploi“ nach den Wahlen hat der Patronatsvertreter Nicolas Buck (UEL) offenbar den Sozialdialog verweigert und sich in die Opferrolle begeben. Der OGBL zeigte sich am Dienstag schockiert über diese Haltung und fordert die UEL dazu auf, ihre Position noch einmal zu überdenken. Zu groß seien die Herausforderungen eines sich ständig verändernden Arbeitsmarkts, um auf dieses konsensuelle Instrument verzichten zu können, mahnte OGBL-Präsident André Roeltgen am Dienstag auf einer Pressekonferenz.
Zum Foto: V.l.: Carlos Pereira, Frédéric Krier, Jean-Luc De Matteis, Nora Back, André Roelten und Marie-Jeanne Leblond-Reuter bei der Sitzung des Nationalvorstands in der Escher „Maison du peuple“ (Editpress/Julien Garroy)
Der Sozialdialog, der in Luxemburg eine jahrzehntelange Tradition hat, scheint jetzt am Widerstand des Patronats zu scheitern. Diese Befürchtung äußerte OGBL-Präsident André Roeltgen gestern auf einer Pressekonferenz, die die Gewerkschaft im Anschluss an die Sitzung ihres Nationalvorstands einberufen hatte.
Was war passiert? Vergangene Woche fand die erste Sitzung des „Comité permanent du travail et de l’emploi“ (CPTE) nach den Parlamentswahlen statt. In ihrem Koalitionsprogramm hatte die Regierung angekündigt, die Funktion dieses Tripartite-Gremiums noch verbessern zu wollen, um den Sozialdialog weiter zu fördern. Doch schon bei der ersten Sitzung dieses Komitees kam es zu einem Eklat. Entgegen dessen, was von der Regierung angedacht war, habe Nicolas Buck, Präsident der Patronatsvertretung „Union des entreprises luxembourgeoises“ (UEL), die tripartitären Gespräche verweigert, erklärte Roeltgen gestern. Als „fadenscheiniges“ Argument habe Buck angeführt, dass das Patronat seit 40 Jahren als Verlierer aus diesen Gesprächen hervorgehe.
Der OGBL zeige sich schockiert über diese Attitüde, sagte André Roeltgen. Dass die UEL sich nun in eine Verlierer- oder Opferrolle begebe, bezeichnete Roeltgen als „lächerlich“. Auch die anderen beiden Gewerkschaften CGFP und LCGB hätten die Haltung der UEL missbilligt. Zeitnah wollen sich die Vertreter der drei großen Gewerkschaften treffen, um eine gemeinsame Position auszuarbeiten.
UEL: „Kein Kommentar zur Arbeitssitzung“
Eine Sprecherin der UEL wollte sich am Dienstag auf Nachfrage nicht zu den Vorwürfen des OGBL äußern. Es habe sich um eine Arbeitssitzung mit den Ministern und den Gewerkschaften gehandelt. Dazu wolle die UEL „keinen Kommentar“ abgeben.
André Roeltgen forderte das Patronat derweil auf, seine Position noch einmal zu überdenken. Im Zuge des aufstrebenden Populismus und Rechtsextremismus in Europa und dem Rest der Welt würden die Demokratie und der Rechtsstaat immer häufiger infrage gestellt. Umso wichtiger sei es, den Sozialdialog zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden aufrechtzuerhalten. Alles andere sei unverantwortlich, mahnte Roeltgen.
Der Rifkin-Plan, die zunehmende Digitalisierung und die künstliche Intelligenz würden den Arbeitsmarkt vor neue Herausforderungen stellen. Scheinselbstständigkeit, Zeit- oder Leiharbeit und immer befristete Arbeitsverträge verlangten nach einer Anpassung des Arbeitsrechts. Daher müsse der Sozialdialog in den Unternehmen erneuert werden. Dazu sei das „Comité permanent du travail et de l’emploi“ ein wichtiges Instrument, an dem auch Arbeitsminister Dan Kersch (LSAP) weiter festhalten wolle. Schließlich gehe es darum, die Schutzfunktion des Arbeitsrechts zu erhalten. Kersch war gestern nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
Wenn das Patronat sich dem Sozialdialog jetzt verschließe, stehe der OGBL vor einer Zäsur. Unter diesen Voraussetzungen sei der „Kraftakt“ die einzige Möglichkeit, den Sozialdialog wiederherzustellen, drohte Roeltgen. Er hoffe aber, dass die UEL noch einlenken werde.
Kollektivverträge und andere Abkommen
Als eine der wichtigsten Forderungen der Gewerkschaft, um den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt zu begegnen, nannte der OGBL-Präsident die Anpassung des Gesetzes über die Kollektivverträge. Das alte Gesetz schränke die gewerkschaftliche Arbeit zu sehr ein. Auch die permanente Weiterbildung der Arbeitnehmer sei ein wichtiges Anliegen des OGBL, der sich dafür einsetzt, dass die Betriebe sich stärker an den Kosten für Fortbildungsmaßnahmen beteiligen, erläuterte Roeltgen.
Der OGBL verschließe sich nicht grundsätzlich flexibleren Arbeitszeiten, doch es müsse dafür gesorgt werden, dass die Interessen der Arbeitnehmer bei den Lohnverhandlungen respektiert werden. Neben den Kollektivverträgen könnten die Arbeitsbedingungen und Löhne auch über branchenübergreifende Abkommen geregelt werden.
Als Beispiel nannte André Roeltgen die Ladenöffnungszeiten im Einzelhandel. Der gesetzliche Rahmen solle zwar restriktiv bleiben, doch der OGBL sei nicht gegen mehr Handlungsspielraum bei der Festlegung der Öffnungszeiten. Allerdings müsse darauf geachtet werden, dass die Angestellten ihr Recht auf Feierabend und Freizeit behalten und die Bedingungen im Sozialdialog auf Grundlage von Tarifverträgen oder branchenübergreifenden Abkommen festgelegt werden. Nicht zuletzt spricht die Gewerkschaft sich dafür aus, dass das Recht auf vorübergehende Teilzeitarbeit auf Betriebe mit über 50 Mitarbeitern ausgedehnt wird.
Klima- und Wohnungsnotstand
Der Nationalvorstand des OGBL beschäftigte sich gestern Vormittag in der „Maison du peuple“ in Esch/Alzette aber nicht ausschließlich mit dem „Eklat“ im CPTE. So wird sich die Gewerkschaft am kommenden Freitag an der großen Demonstration „United for Climate Justice“ in der Hauptstadt beteiligen und wartet mit eigenen Vorschlägen zur Bekämpfung des Klimawandels auf.
Der OGBL spricht sich dafür aus, dass die Milliarden, die die Europäische Zentralbank während der Finanzkrise zur Rettung der Banken freigemacht hat, nun in den Klimaschutz anstatt in die Finanzspekulation investiert werden, meinte André Roeltgen. Mit diesem Geld könne etwa die Energiewende gefördert oder der Ausbau der öffentlichen Transportmittel bezahlt werden. Ferner unterstützt der OGBL die Schaffung einer europäischen Klimabank und schlägt vor, dass Dividenden von Aktiengesellschaften für die Erreichung der Klimaziele abgezweigt werden. Die Bekämpfung des Klimawandels dürfe aber nicht auf Kosten der Arbeitnehmer erfolgen, so Roeltgen.
Bereits vor den Sommerferien hatte der OGBL in Luxemburg den Wohnungsnotstand ausgerufen. In diesem Bereich fordert die Gewerkschaft die Regierung dazu auf, den Kampf gegen die Spekulation mit Bauland und Immobilien endlich aufzunehmen. Die ungleichen Besitzverhältnisse beim Bauland müssten durch eine Spekulationssteuer gebrochen werden. In Luxemburg besitzen nicht einmal drei Prozent der Bevölkerung rund 75 Prozent der bebaubaren Fläche. Weitere 14 Prozent sind im Besitz von privaten Unternehmen. Der öffentlichen Hand gehören lediglich 11 Prozent der bebaubaren Grundstücke.
Die Besteuerung von spezialisierten Investmentfonds könnte eine wichtige Maßnahme sein, betonte Roeltgen. Eine progressive Grundsteuer, die das eigene Haus steuerfrei lasse und mit zunehmendem Besitz konsekutiv ansteige, sei eine weitere Möglichkeit. Auch eine Mietbremse oder ein Mietenstopp könne bei der Bekämpfung der Wohnungsnot helfen.
Der Nationalkongress des OGBL wird am 6. und 7. Dezember stattfinden. Der künftige EU-Kommissar für Arbeit und Soziales, Nicolas Schmit (LSAP), sei schon eingeladen worden, hieß es gestern.
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Schon beim OPE sinn mer geschleeft gin.
Do gëtt ërem vill warm Loft an d’Lucht geblosen.
Was ja nun mal wieder klar zeigt, welche Meinung die Bosse der Bosse haben, wenn es die Bedürfnisse ihrer Angestellten betrifft: „Kuckt datt der eens gitt mat deem, wat mer iech dohi geheien.“