EU-Außenminister / Ukraine braucht dringend Luftverteidigung und andere Militärhilfe
Die EU-Außenminister tagten am Montag gemeinsam mit den Verteidigungsministern in einem „Jumbo-Rat“, wie der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell es bezeichnete. Der Grund: die militärische Hilfe für die Ukraine.
Während die ukrainische Armee in den Kriegsgebieten weiter gegen die russischen Invasionstruppen an Gelände verliert, beraten die Europäer über die militärische Unterstützung, die sie Kiew anbieten könnten. Auf die Frage, wie es sein könne, dass binnen eines kurzen Zeitraumes bereits zum vierten Mal über die Bereitstellung von Waffen für die Ukraine in der EU geredet werde und trotzdem immer noch nicht klar sei, was die EU-Staaten denn nun liefern wollten, meinte Borrell, dass nun ein klares Verständnis darüber vorherrsche, was getan werden müsse. Nachdem die EU-Minister noch einmal alles durchgegangen seien, seien die Dinge „nun ausgereift“. „Es wurde alles gesagt und viele Dinge müssen getan werden“, so der EU-Außenbeauftragte.
Immerhin: „Viele Alliierte sind erleichtert“, meinte der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis, nachdem am Wochenende im US-Kongress die 60 Milliarden Dollar umfassende Hilfe nach monatelangem Gezerre endlich gestimmt wurden. Doch auch bei den Europäern sollen die Dinge in die Gänge kommen. „Ich glaube, dass die Botschaft, schneller, effizienter zu werden, tatsächlich angekommen ist“, sagte nach der Tagung General Robert Brieger, der Vorsitzende des EU-Militärausschusses, der an der Tagung in Kirchberg teilgenommen hatte. Die Ukrainer brauchen vor allem Luftabwehr, um ihre Städte und systemische Infrastruktur vor den dauernden russischen Angriffen zu schützen. Allein an gelenkten Waffen seien in den vergangenen vier Monaten an die 7.000 russische Gleitbomben auf die Ukraine niedergegangen, hätte ihnen der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba während der Sitzung berichtet, sagte Josep Borrell. Dabei sei vor allem die Stromversorgung in der Ukraine ins Visier genommen worden.
Deutschland hat jüngst angekündigt, ein weiteres Patriot-System aus eigenen Beständen an die Ukraine zu liefern und hat eine Initiative zur Flugabwehr gestartet. Sie „appelliere eindringlich, dass jeder noch einmal in seine Bestände schaut“, sagte am Montag die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock. Denn die Luftverteidigung werde in den nächsten Monaten entscheidend sein, meinte General Brieger. Es sei aber gelungen, „klare Perspektiven“ zu schaffen, „in welchem Umfang und mit welchen Zahlen die einzelnen Mitgliedstaaten unterstützen können“, sagte er. So würde Italien etwa ins Auge fassen, Mittelstreckenraketen zu liefern. Der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski meinte jedoch, dass sein Land als Frontstaat nicht auf die zwei Patriot-Systeme verzichten könne, jene in westlichen Beständen jedoch „nützlicher in der Ukraine“ wären.
Doch es mangelt auch an Munition für herkömmliche Waffen, an Artilleriemunition, Abschussvorrichtungen, Ersatzteilen, Ausrüstung alle Art. Viele Länder hätten sich mittlerweile der tschechischen Initiative angeschlossen, die weltweit nach verfügbarer Artilleriemunition sucht, um sie für die Ukraine zu beschaffen. „Erste Lieferungen sind Ende Mai, Anfang Juni zu erwarten“, sagte dazu nach der Ratstagung Josep Borrell.
Gaza: Humanitäre Katastrophe geht weiter
Zunehmend wird jedoch auch der Schutz der Lieferungen in die Ukraine zum Problem. Der Nachschub an Waffen und Munition sei nur noch mit einem Begleitschutz möglich, sagte der Vorsitzende des EU-Militärausschusses. Denn die Lieferungen seien Ziel von russischen Attacken. „Daher sind auch hier Vorkehrungen zu treffen“, forderte der österreichische General, der es als große Aufgabe sieht, „eine durchgreifende russische Offensive im Sommer zu verhindern und zum Scheitern zu bringen“.
Aus luxemburgischer Sicht bleibt es derzeit bei der für dieses Jahr anvisierten Hilfe in Höhe von mindestens 70 Millionen Euro für die Ukraine. Sollten weitere Mittel aus dem Verteidigungsbudget in diesem Jahr frei werden, würden auch diese der Ukraine bereitgestellt werden, erklärte uns am Montag ein Sprecher des luxemburgischen Verteidigungsministeriums.
Die 27 trafen zudem eine politische Einigung, Sanktionen gegen den Iran auszuweiten. Im Visier ist dabei die Raketen- und Drohnenproduktion. Aber auch deren Lieferung nicht nur nach Russland, sondern auch in andere Regionen, vor allem im Nahen Osten, wie Josep Borrell weiter mitteilte. Er bedauerte, dass es keine Aussicht auf einen Waffenstillstand im Gazakrieg oder eine Geiselfreilassung gebe und sich die humanitäre Katastrophe für die Palästinenser fortsetze. „Da ist kein signifikanter Fortschritt“ festzustellen, so der EU-Außenbeauftragte.
Moskau meldet Einnahme von weiterem Dorf
Die russische Armee hat nach eigenen Angaben erneut ein Dorf im Osten der Ukraine eingenommen. Die Siedlung Nowomychailiwka sei „vollständig befreit“ worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau am Montag mit. Diese befindet sich rund 20 Kilometer von der Bergbaustadt Wuhledar entfernt, um deren Eroberung sich die russische Armee ebenfalls bemüht. Der Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Kyrylo Budanow, sagte derweil, dass er „ab Mitte Mai“ mit einer weiteren Verschlechterung der Lage an der Front rechne. „Wir werden nicht allzu sehr ins Detail gehen, aber es wird eine schwierige Phase geben, Mitte Mai und Anfang Juni“, sagte er in einem Interview mit dem ukrainischen Dienst des britischen Senders BBC. „Wir denken, dass uns in der nahen Zukunft eine eher schwierige Lage erwartet“, fügte Budanow hinzu. Es werde aber „nicht katastrophal“ werden. „Das Armageddon wird nicht eintreten, im Gegensatz zu dem, was derzeit viele sagen.“
Die russische Armee befindet sich seit Monaten an verschiedenen Punkten der rund tausend Kilometer langen Frontlinie im Osten und Süden der Ukraine in der Offensive. Im Februar eroberte sie die Stadt Awdijiwka, nun nimmt sie die strategisch wichtige Stadt Tschassiw Jar ins Visier. Am Wochenende hatte das russische Verteidigungsministerium bereits die Eroberung des Dorfes Bogdaniwka nahe Tschassiw Jar gemeldet. Die ukrainische Armee leidet unter Munitionsmangel und Schwierigkeiten bei der Rekrutierung neuer Soldaten. Für die kommenden Monate rechnet die Ukraine mit einer noch stärkeren russischen Sommeroffensive. Ende März hatte der Kommandeur der ukrainischen Landstreitkräfte, Olexander Pawljuk, gesagt, denkbar sei ein Szenario, bei dem 100.000 russische Soldaten kämpften.
Am Samstag hatte das US-Repräsentantenhaus nach monatelanger Blockade ein Hilfspaket im Umfang von rund 61 Milliarden Dollar (rund 57 Milliarden Euro) für die Ukraine auf den Weg gebracht. Am Dienstag muss noch der Senat über das Paket abstimmen, bevor es von US-Präsident Joe Biden in Kraft gesetzt werden kann. (AFP)
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