Luxemburg-Stadt / Ukrainische Bibliothek in Rollingergrund eröffnet: „Das Lesen ist Teil unserer Kultur“
In der Ukraine wird gerne gelesen, und deshalb war schon kurz nach dem militärischen Angriff von Russland klar, dass geflüchtete Menschen aus der Ukraine auch in Luxemburg Zugriff auf Literatur in ihrer Muttersprache haben sollen. Kürzlich wurde in der Hauptstadt des Großherzogtums nun eine ukrainische Bibliothek eröffnet. Wie das Gespräch mit den Verantwortlichen vor Ort zeigt, ist diese aber weit mehr als nur ein Platz zum Bücherausleihen.
„Als das Luxemburger Bildungsministerium Anfang März realisierte, dass viele ukrainische Kinder ins Großherzogtum kommen werden, bat man uns um ein Treffen. Dabei sorgten wir für etwas Verwunderung: Denn eines der ersten Dinge, nach denen wir fragten, war eine ukrainische Bibliothek auf die Beine zu stellen“, erinnert sich Angela Domasyova, während sie auf einer blauen, gemütlichen Couch sitzt. Gegenüber von ihr stehen mit Büchern gefüllte Regale, an einem davon hängt ein Fähnchen in Blau und Gelb. Von montags bis freitags ist die 55-Jährige nun in der ehemaligen Schule in Rollingergrund anzutreffen, in der sich das Informationszentrum des Vereins „LUkraine“ befindet.
Vor nicht einmal zwei Wochen hat die gemeinnützige Vereinigung dort eine ukrainische Bibliothek eröffnet. In dieser kümmert sich Angela Domasyova – die bereits vor fünf Jahren wegen der Arbeit ihres Mannes mit der Familie von Kiew nach Luxemburg zog – um Administratives, unterhält sich mit den Menschen und verleiht Bücher. Etwa 1.600 Exemplare stehen in Rollingergrund bereit: die meisten davon neu, manche auf Ukrainisch, aber auch welche auf Englisch oder Französisch. Es sind Familien mit Kindern, aber auch viele Erwachsene, die zum Ausleihen kommen. Außerdem gibt es Brettspiele, vier Computer zum Arbeiten und eine gemütliche Leseecke.
Plaudern erwünscht
Für eine Bibliothek schon fast außergewöhnlich: Reden ist ausdrücklich erwünscht – solange es nicht allzu laut ist: „Die Menschen können herkommen, um in ruhiger Atmosphäre miteinander zu kommunizieren. Es ist schwer, wenn man nie die eigene Muttersprache hört. Hier können sie sich unterhalten“, erzählt Oksana Cherniuk. Anfang März kam die in Kiew lebende Ukrainerin nach Luxemburg und ist wie Angela Domasyova seit Beginn des Projektes dabei. „Als wir angefangen haben, wussten wir nicht, wo wir all die Bücher hernehmen sollen. Wir starteten einen Aufruf und etwa 50 Menschen reagierten darauf und brachten uns Lesestoff in ukrainischer Sprache“, berichtet die 50-jährige Oksana Cherniuk.
Außerdem hat die ukrainische Stadt Lwiw rund 300 Bücher gespendet. Durch die Unterstützung von Sponsoren sowie unter anderem der italienischen und russischen Gemeinschaften in Luxemburg wurde der Bestand ausgeweitet. „Viele Flüchtlinge lassen persönliche Dinge nach Luxemburg bringen. Fast immer sind Bücher dabei und manche davon gehen dann als Spende an uns“, schildert Oksana Cherniuk freudig, während die quirlige Angela Domasyova ergänzt: „Wir sind sehr lesebegeistert. In der Ukraine haben alle eine Bibliothek zu Hause, manchmal sogar eine ganz Wand voll mit Büchern.“
Leidenschaftliche Leseratten
In Luxemburg haben sich die beiden Frauen, die sich aus Kiew bereits kannten, wieder getroffen. Und geraten beim Gespräch in der ukrainischen Bibliothek gemeinsam ins Schwärmen. Man merkt: Beide eint die Leidenschaft zu Büchern und die Verbundenheit zur Heimat. „Das Lesen ist Teil unserer Kultur, unserer Tradition. Anders als bei einem Film, kannst du deine eigene Bindung zu den Charakteren aufbauen und dir deine eigene Welt erschaffen“, erklärt Angela Domasyova ihre ganz persönliche Sicht der Dinge. Und Oksana Cherniuk ergänzt: „Die besten Momente aus der Kindheit sind die, in denen dir deine Mutter abends vorgelesen hat. Ich kenne niemanden, bei dem das nicht so war.“
Alle Infos zur Bibliothek
Die Büchersammlung des Vereins „LUkraine“ befindet sich in der hauptstädtischen rue de Rollingergrund, Nummer 276, in der ehemaligen Schule. Bücher können von montags bis freitags zwischen 12 und 19 Uhr ausgeliehen werden. Einen Monat lang darf man diese dann behalten. Übrigens: Für die Bibliothek ist man bei „LUkraine“ gezielt auf der Suche nach Sprachführern in Ukrainisch-Englisch und Ukrainisch-Französisch. Wer also das Inventar um die zweisprachigen Handbücher erweitern will, kann diese in der Bibliothek abgeben. Mehr Informationen gibt es per E-Mail an library@ukrainians.lu
Wenn Geflüchtete in der rue de Rollingergrund dann die Regale durchstöbern, ist die Freude oft groß. Ausrufe wie „Das kenne ich, zu Hause habe ich das Buch gelesen“, hören die Verantwortlichen der Bibliothek oft. Die Tür zur Büchersammlung steht dabei allen Menschen in Luxemburg offen. „Heute Morgen kam eine Lehrerin aus der Schule in der Umgebung zu uns und fragte, ob sie mit den Kindern herkommen kann. Um ihnen zu zeigen, was eine Bibliothek ist“, erzählt Angela Domasyova begeistert, während Oksana Cherniuk unterstreicht: „Bei uns ist jeder willkommen.“ Denn der lichtdurchflutete Raum mit den gut gefüllten Bücherregalen soll eben nicht nur zum Ausleihen von Lesestoff da sein – sondern auch ein Ort des Austauschs sein.
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