Bosnien / Umbenennung statt Vergangenheitsbewältigung: Srebrenica und die Erinnerung an den Völkermord
Die dunkle Vergangenheit von Bosniens stiller Stadt mit dem Kainsmal lässt sich nicht auswischen: Um die Erinnerung an den 1995 in Srebrenica an über 8.000 muslimischen Bosniaken begangenen Völkermord zu tilgen, plädieren Politiker der bosnischen Serben nun für eine Umbenennung des Ortes.
Die verlorene Abstimmung bei der kürzlich verabschiedeten UN-Resolution zum 1995 begangenen Völkermord in Srebrenica lässt die Genozidleugner und die Führung der bosnischen Serben nicht ruhen. „Wegen aller Lügen“, die über Srebrenica verbreitet würden, hätten „unsere Leute dort“ eine Initiative zur Umbenennung der Kommune gestartet, verkündete vergangene Woche Bosniens Milorad Dodik, der Präsident des Teilstaats der Republika Srpska, gegenüber dem serbischen TV-Sender Happy.
Nach der Steilvorlage von Bosniens ranghöchstem Genozidleugner legte Mladen Grujicic, der serbische Bürgermeister der einstigen Muslim-Enklave, am Wochenende nach. Mit der UN-Resolution sei der Ruf von Srebrenica „befleckt“ und auf die Liste der „unerwünschten Orte“ gestellt worden, begründet er die „Idee“ einer Ortsumbenennung. Der derzeitige Stadtname rufe wegen der Resolution „negative“ Assoziationen wach, die Investoren einen Bogen um Srebrenica schlagen lassen könnten: „Das wollen wir nicht zulassen.“
Erinnerung und Verbitterung
Bereits seit fast drei Jahrzehnten lastet auf dem Ort das Kainsmal des systematisch organisierten Massenmords. Am 11. Juli 1995 hatten die bosnisch-serbischen Streitkräfte (VRS) unter Führung von General Ratko Mladic die Muslim-Enklave Srebrenica eingenommen. Nur Frauen und Kinder durften die Stadt in von UN-Soldaten begleiteten Buskonvois verlassen. Ihre Männer, Väter, Söhne und Brüder, die nicht in die Wälder flüchten konnten, wurden in Massenhinrichtungen erschossen und in Massengräbern verscharrt: Bisher konnten die Überreste von über 6.700 der 8.732 Opfer geborgen, identifiziert und auf dem Gedenkfriedhof von Poticari bestattet werden.
In Srebrenica habe es „keine Operation gegeben“ und sei „niemand getötet“ worden, so Dodik bei TV Happy. Sein Versuch, die lästige Erinnerung an den Völkermord von Srebrenica durch Umbenennung zu tilgen, stößt bei den Angehörigen der Opfer auf Verbitterung.
Es würde nach der bereits erfolgten Umbenennung von Straßen, Plätzen und Schulen nicht überraschen, wenn die Genozidleugner Srebrenica in „Mladicevo“ und die Republika Srpska in „Dodikovo“ umbenennen wollten, ätzte der aufgebrachte Opferverband „Die Mütter der Enklaven von Srebrenica und Zepa“ am Wochenende in einer Erklärung: „Sie können nur Städtenamen verändern, die Wahrheit über Srebrenica aber nicht vertuschen.“
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