EU-Direktive / Umsetzung der Richtlinie zur Sorgfaltspflicht der Unternehmen steht in Luxemburg noch aus
Nach zähem Ringen wurde im April vergangenen Jahres eine europäische Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen, die sogenannte Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), verabschiedet. Während diese noch nicht in luxemburgisches Recht umgesetzt ist, gilt in Deutschland seit einem Jahr das Lieferkettengesetz für Firmen mit tausend bis dreitausend Beschäftigten.
Vor allem ein hoher bürokratischer Aufwand war seitens der Unternehmen und Gegner des Gesetzes befürchtet worden. Damit verbunden waren auch mehr Kosten. Von Summen im „mittleren sechsstelligen Bereich“ berichtete etwa Biotest, ein Unternehmen aus Hessen, für das etwa 2.500 Beschäftigte arbeiten, das eigens eine Mitarbeiterin einstellte. Ob das Gesetz eingehalten wird, kontrolliert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Momentan sind die Kontrollen ausgesetzt, solange die europäische Richtlinie noch nicht in nationales Gesetz umgesetzt worden ist.
Wie im Nachbarland steht die Umsetzung in Luxemburg noch aus. Die CSDDD soll für Firmen mit mehr als tausend Beschäftigten weltweit und einem Umsatz von mehr als 450 Millionen Euro gelten. Auf einer Konferenz in der Abtei Neumünster wurde Anfang Dezember darüber diskutiert. Die Veranstaltung, zu der eine Table Ronde gehörte, war von der „Initiative pour un devoir de vigilance“ (IDV) und der Beratenden Menschenrechtskommission über das Thema organisiert worden. Dabei zeigte sich, dass der große Abwesende der Finanzsektor ist, der bei der EU-Richtlinie ausgespart wurde und sich somit der Verantwortung für die vor- und nachgelagerten Aktivitäten seiner Wertschöpfungsketten entzieht. Dies fällt besonders im Großherzogtum, zu diesem Zeitpunkt Mitglied des UN-Menschenrechtsrates (2021-2024), als Finanzplatz besonders ins Gewicht.
Dubioser Konzern
Viele transnationale Konzerne haben in Luxemburg eine Niederlassung oder sogar ihren Hauptsitz, etwa das Unternehmen Ternium S.A., das zur italienisch-argentinischen Techint-Gruppe gehört und dessen Tochtergesellschaft in Mexiko die Eisenerzmine Las Encinas betreibt, was neben der Abholzung der Wälder zum Verlust von wertvollen Wasserquellen geführt hat. Die Verbindung von Drogenkartellen und Unternehmen sind offensichtlich. Am 15. Januar 2025 jährt sich zum zweiten Mal das Verschwinden der Menschenrechtler Ricardo Arturo Lagunes Gasca und Antonio Díaz Valencia. Der Anwalt und der Lehrer hatten sich für die Rechte der Indigenen im Zusammenhang mit der Ternium-Mine eingesetzt.
Einem Dokument der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft zufolge soll das Kartell Jalisco Nueva Generación für die Entführung von Arturo Lagunes und Antonio Díaz verantwortlich sein. Die beiden Männer hatten an einer Versammlung teilgenommen, bei der es um die Nichteinhaltung von Verträgen durch Ternium ging. Sie waren in einem Pick-up unterwegs und wurden von mehreren Fahrzeugen angehalten, wie aus den Ermittlungsakten der mit dem Fall befassten Sonderstaatsanwaltschaft hervorgeht. Kurz vor ihrem Verschwinden suchten Lagunes und Díaz ein Restaurant und einen Laden auf. Was danach geschah, ist nach wie vor ungeklärt.
Die Angehörigen der beiden Menschenrechtler und ihre Unterstützer forderten eine Intensivierung der Suche nach den Verschwundenen, ebenso der UN-Ausschuss für das Verschwindenlassen von Personen und die Interamerikanische Menschenrechtskommission. Wie die Investigativ-Plattform „A dónde van los desaparecidos“ berichtet, war den beiden Männern bereits einen Monat zuvor während einer Gemeindeversammlung Gewalt angedroht worden, wenn sie sich nicht den Interessen des Bergbaukonzerns fügen sollten. Während Ternium ein ums andere Mal dementiert hat, am Verschwinden der beiden Männer beteiligt gewesen zu sein, bezeugte das Kartell-Mitglied Javier Punto Fuentes, dass das Unternehmen durchaus damit etwas zu tun hatte. Die zuständige Staatsanwaltschaft nahm seine Aussage jedoch nicht in die Ermittlungsakten auf. Dahinter vermutet Ana Lucía Lagunes Gasca, die Schwester eines der Vermissten, „eine Verzögerungstaktik“.
Der mexikanische Menschenrechtsanwalt Eduardo Mosqueda, der an der Konferenz in der Abtei Neumünster teilnahm, kann von zahlreichen Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen den Umweltschutz berichten, die von der Stahlindustrie begangen wurden. Sie wurden im Bericht „The Real Cost of Steel“ detailliert beschrieben, der Ternium im Mai 2024 übergeben wurde. Doch das Unternehmen reagierte nicht auf die Bitten der Zivilgesellschaft um ein Treffen, im Gegensatz zu ArcelorMittal, das sich mit ihnen traf.
Sicht der Unternehmen
Die Schwere der genannten Verstöße übertrifft bei weitem die von den Unternehmen beklagten Nachteile, etwa bürokratischen Zusatzaufwand, der immer wieder von den Konzernen ins Spiel gebracht wird, wenn es um das Lieferkettengesetz geht. Dabei gibt es durchaus globale Konzerne, die bezüglich der Sorgfaltspflicht eine Vorreiterrolle spielen wollen, wie der Süßwarenhersteller Ferrero, betonte dessen Vertreter Francesco Tramontin.
Die Sorge um den administrativen Aufwand teilte Justizministerin Elisabeth Margue. Dieser müsse auf das absolut Notwendige vereinfacht werden. Die CSV-Politikerin sicherte den Unternehmen die Unterstützung seitens der Regierung zu. Sie müssten im Gegenzug ihren Beitrag zugunsten der Nachhaltigkeit leisten: etwa wie sie sich Rohstoffe beschaffen, wie sie Waren herstellen und ihren Abfall entsorgen. Allerdings könne die Direktive nur eine Wirkung erzielen, „wenn die Unternehmen akzeptieren, sie umzusetzen“.
Dabei war interessant, wer welche Perspektive vertrat: Dass Francesco Tramontin die unternehmerische Sicht vertritt, leuchtet ein – doch auch Ministerin Margue richtete den Fokus mehr auf die Wirtschaft. Dabei sollte das Ziel der Richtlinie respektive eines Lieferkettengesetzes jedoch sein, Verstöße gegen die Menschenrechte zu verhindern. Und nicht, die Unternehmen vor potenziellen Wettbewerbsnachteilen zu schützen. Die Nichtregierungsorganisationen setzen ihre Hoffnung darauf, dass Luxemburg bei der Umsetzung der Direktive einen ehrgeizigeren Weg einschlägt. Und die zentrale Frage der Podiumsdiskussion war: „Menschenrechte und Business – Wie soll die EU-Lieferkettendirektive ambitiös in die nationale Gesetzgebung umgesetzt werden?“.
„Vorsichtiger Optimismus“
Eher halbherzig und ambivalent sei die EU-Direktive, kritisierte Karima Hammouche von der Luxemburger Anwaltskammer. Dies bestätigte Caroline Omari Lichuma vom Zentrum für Menschenrechte Erlangen-Nürnberg. Sie kritisierte, dass an der Ausarbeitung der Richtlinie keine Vertreter des Globalen Südens beteiligt waren. Die Juristin hält die Richtlinie für „verwässert“. Ihrer Meinung nach geht sie nicht ausreichend auf die Bedürfnisse der nichteuropäischen Arbeitnehmer ein.
Omari Lichuma begrüßt zwar, dass die Unternehmen gesetzlich in die Pflicht genommen werden sollen. Sie erinnert jedoch daran, dass während der Ausarbeitung und Verfeinerung der Richtlinie keine Vertreter von Interessengruppen aus den Ländern des Globalen Südens anwesend gewesen seien. Die Richtlinie solle dazu dienen, Menschen zu verteidigen, die von dem Machtgefälle zwischen dem Norden, in dem die Hauptsitze der multinationalen Unternehmen angesiedelt sind, und dem Süden, in dem sich die meisten Tochtergesellschaften und Subunternehmer befinden, betroffen sind. Es handelt sich um ein Machtungleichgewicht, das Omari Lichuma als neokolonialistisch betrachtet. Sie äußerte einen „vorsichtigen Optimismus“.
In einer Podiumsdiskussion, geleitet von der Journalistin Annick Goerens, ging es schließlich um die Frage, ob Luxemburg eine Minimalumsetzung oder eine führende Rolle übernehmen soll. Francesco Tramontin bezeichnete sich dabei zu einer Hälfte als Lobbyist, zur anderen als Gegenspieler: Er vertritt einerseits die Interessen von Ferrero gegenüber den politischen Entscheidungsträgern, andererseits versuche er, seine Kollegen im Unternehmen davon zu überzeugen, dass die Einhaltung der Richtlinie sinnvoll ist. Mit seiner demonstrativ geäußerten Begeisterung für die CSDDD, die er als „Compliance“ der Zukunft bezeichnete, bekräftigte er Ferreros Unterstützung für die Richtlinie und sein Engagement für ihre Umsetzung. Schließlich weiß er, dass die Schokoladenindustrie sowohl von Verbrauchern und Nichtregierungsorganisationen kritisch beäugt wird.
Jean-Louis Zeien, Koordinator der Luxemburger Initiative für eine Sorgfaltspflicht, erinnerte an das Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen, von denen die Rede ist, und prangerte die Lobbyarbeit des Finanzsektors an, die letztendlich bewirkte, dass der Sektor von der Richtlinie ausgenommen wurde. Und Gilbert Pregno, der ehemalige Präsident der Beratenden Kommission für Menschenrechte, erinnerte daran, dass diese „Verpflichtung nicht dazu dient, die Mehrheit zu begünstigen, sondern Minderheiten zu schützen und zu verteidigen“, was sie dazu veranlasst, einen Kompromiss zu finden. Er erinnerte an ein Zitat von António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen: „Die Menschheit führt einen Krieg gegen den Planeten, und wenn sie gewinnt, verliert sie.“
Am kommenden Mittwoch, 15. Januar, wird um 15 Uhr von der IDV eine symbolische Gedenkaktion vor dem Sitz von Ternium S.A. (26, Boulevard Royal in Luxemburg) organisiert, um die beiden Aktivisten zu ehren und Ternium S.A. an seine Verantwortung im Bereich der Menschenrechte zu erinnern. Diese Aktion wird mit einer dringenden Aufforderung an das Unternehmen einhergehen, sich aktiv bei der Suche der beiden Männer zu beteiligen. Ähnliche Initiativen werden am selben Tag in Mexiko und den USA stattfinden.
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