/ UN-Geberkonferenz: Was Versprechen für humanitäre Hilfe bringen
Es ist die schlimmste humanitäre Krise der Gegenwart, so die Einschätzung der Vereinten Nationen. Seit knapp vier Jahren herrscht im Jemen Bürgerkrieg. Auf der dritten UN-Geberkonferenz in Genf geben wieder dutzende Staaten und Organisationen Versprechen für die humanitäre Hilfe. Auch Luxemburg gehört zu den Geberstaaten. Doch was bringt die Konferenz eigentlich?
Die Fakten: Die UNO sagt, dass dieses Jahr 4,2 Milliarden Dollar an humanitärer Hilfe benötigt werden. 2,6 Milliarden Dollar wurden dem Land gestern insgesamt versprochen. Das sind 30 Prozent mehr als im Vorjahr. Luxemburg stellt dieses Jahr 1,75 Millionen Euro für den Jemen bereit – genauso viel wie 2018. 2017 waren es 1,5 Millionen. Zum Vergleich: Saudi-Arabien gibt dieses Jahr 500 Millionen. Und die EU macht 160 Millionen Euro frei. Ist Luxemburgs Spende also nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Ein besonderer Fall ist Saudi-Arabien, da der Golfstaat direkt in den Jemen-Konflikt impliziert ist. Einerseits wird das Geld der Saudis – da sie vor Ort (kriegs-)aktiv sind – wohl auch dort ankommen, wo es hin soll. Andererseits wird diese Spende wohl kaum zur Entschärfung des Konfliktes beitragen, da es bewusst Partei ergreift und deshalb nicht zur Deeskalation beitragen kann. Ausgerechnet Saudi-Arabien ist mit seinen Bombardements mitverantwortlich für das humanitäre Leid im Jemen.
Wie viel Geld Luxemburg spendet, wird anhand mehrjähriger Abkommen festgelegt. Im konkreten Fall des Jemens geht der größte Teil an das Welternährungsprogramm (WFP). Dahinter folgen Spenden an das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und an den „Central Emergency Response Fund“ (CERF). Durch diese mehrjährigen Abkommen möchte Luxemburg seinen humanitären Partnern „eine schnelle und vorhersehbare Finanzierung anbieten, indem es ihnen eine maximale Flexibilität einräumt, um ihre dringlichsten Bedürfnisse zu erfüllen“, sagte Außenminister Jean Asselborn in seiner Rede gestern in Genf. 1,75 Millionen Euro sind bei den zugesagten 2 Milliarden Dollar mengenmäßig wenig. Dennoch ist das Geld einerseits planbar und andererseits auch flexibel einsetzbar.
Berichte häufen sich, dass immer wieder Teile von Hilfslieferungen unterschlagen werden. Den Huthi-Rebellen wurde nachgelegt, dass sie gegen diese Korruption vorgehen sollten. Doch diese weisen die Vorwürfe zurück. Was Luxemburg betrifft, sagte Asselborn auf Nachfrage des Tageblatt: „Das Geld aus Luxemburg läuft ja über die Kanäle der UNO und des Roten Kreuzes. Da soll man sich keine Sorgen machen.“
Der Hafen von Hodeida
Bei der UN-Geberkonferenz für den Jemen geht es um Versprechen für die humanitäre Hilfe. „Mit den zugesagten Spenden kann man das Leid des Volkes ein wenig dämpfen, aber das reicht nicht, um den Konflikt dort zu lösen“, so Asselborn. „Ich musste in Genf feststellen, dass wir weit davon entfernt sind, eine Einstimmigkeit zu erreichen, die dem Krieg ein Ende bereiten könnte“, meinte der Außenminister. „Die Saudis sagen zum Beispiel, dass sich die Huthis nicht an die Abkommen halten würden.“
Der Jemen ist in zwei Teile gesplittet: Im Norden, Westen und in der Hauptstadt Sanaa herrschen die schiitischen Huthi-Rebellen, die unter anderem vom Iran unterstützt werden. Im Süden herrscht Präsident Mansur Hadi von der Stadt Aden aus. Er wird durch eine von Saudi-Arabien geführte militärische Koalition unterstützt. Die Huthi-Rebellen versuchen, die Regierung zu stürzen. Der fast vierjährige Konflikt ging aus gescheiterten Protesten während des „Arabischen Frühlings“ hervor. Ein Friedensprozess ist nicht in Sicht.
Im Fokus der diesjährigen Konferenz steht der Hafen von Hodeida. Von dort aus gelangen 85 Prozent der Ernährungs- und Gesundheitshilfe ins Land. Und 70 Prozent aller Importe. „Wenn der Hafen zu ist, dann verhungern die Menschen“, so Asselborn. Es gibt ein Abkommen, das besagt, dass der Hafen nicht dichtgemacht werden darf.
„Die internationale Gemeinschaft und die EU können sich zu diesem Zeitpunkt nur auf die humanitäre Hilfe konzentrieren. Und natürlich darauf, dass die Diplomatie greifen muss.“ Mit Diplomatie meint Asselborn das Stockholmer Abkommen vom 13. Dezember. Die Parteien haben sich damals vorgenommen, zur Deeskalation des Konfliktes beizutragen. Dort wurde versucht, trotz aller Unstimmigkeiten einen Konsens zu finden. „Die große Hoffnung ist, dass das Abkommen nicht zerbricht.“
Post-humanitäre Phase
Im Jemen sind 24 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Das sind etwa drei Viertel der Bevölkerung. Am meisten betroffen sind Frauen und Kinder. Innerhalb eines Jahres hat sich die Situation verschlimmert. Es wird geschätzt, dass es rund 10 Prozent mehr Hilfsbedürftige gibt als noch vor zwölf Monaten. Die Zahl der Binnenflüchtlinge wird dieses Jahr auf knapp 4 Millionen steigen. 478 Millionen Euro benötigt allein Unicef in diesem Jahr, um die humanitäre Hilfe für 11 Millionen Kinder dort sicherzustellen. 1,2 Millionen davon leben in direkter Nähe von Kampfzonen. 2 Millionen Kinder leiden an akuter Mangelernährung und 360.000 droht der unmittelbare Hungertod. Alle zehn Minuten stirbt ein Kind an den Folgen von Unterernährung, berichten Hilfsorganisationen.
In diesem Sinne sieht Asselborn die nun in Genf zugesagten Spenden positiv. „Es ist ein Krieg, der sich hinter jenem in Syrien versteckt. Aber wenn man die Aussagen von Beteiligten hört, dann spürt man, dass die Situation dort schlimmer als jene in Syrien ist.“
In Genf wurde der Fokus auf die Konvois mit den Hilfslieferungen gesetzt. Diese müssten überall durchgelassen werden. Es ist der Genfer Beitrag zur Deeskalation des Jemen-Konfliktes.
Die Golfstaaten seien laut Asselborn bereits in der post-humanitären Phase, also bei der Rekonstruktion des Jemens. „Aber so weit sind wir noch nicht.“ Das Gleiche gelte übrigens auch für Syrien. Es gibt eine Fortsetzung.
Lesen Sie dazu den Kommentar von Eric Rings.
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