Editorial / Undurchsichtiges Contact Tracing: Wie teuer und effizient war diese Strategie?
Luxemburg hat in der Corona-Krise vor allem auf eine Strategie gesetzt: „Testen, testen, testen“ hieß das Motto. Die Idee dahinter war relativ simpel. Wenn man alle Infizierten und ihre potenziell infizierten Kontakte isoliert, hat das Virus es sehr viel schwerer, sich in der Gesellschaft auszubreiten. Dafür setzte man auf zwei Instrumente: das Large Scale Testing, um die herauszufischen, die sich mit dem Virus angesteckt haben, und das Contact Tracing. Dies sollte die Verfolgung der Infektion übernehmen.
„En amont“ in Richtung Infektionsquelle: Also wo haben die Menschen sich angesteckt? Damit sollen mögliche Infektionsherde ausgemacht werden, wo das Virus besonders heftig grassiert. Und natürlich wurde auch „en aval“ gesucht: Welche engen Kontakte hatte der Infizierte, die nun möglicherweise das Virus auch in sich tragen? Die sollten dann ebenfalls zum Test geschickt werden und sich zwischenzeitlich isolieren, um die Infektionskette zu unterbrechen.
Das Konzept ist kein neues: Bereits bei anderen Infektionskrankheiten wurde ähnlich vorgegangen. Doch ein so großes Unterfangen wie in der Corona-Krise gab es in Luxemburg noch nie.
Kein Wunder also, dass das Contact Tracing, das zu Beginn der Corona-Krise durchgeführt wurde, sehr schnell an seine Grenzen stieß, als die Infektionszahlen das erste Mal in die Höhe schossen. Man stellte sich neu auf und im Mai 2020 saßen rund 40 Mitarbeiter in einem Gebäude in Hamm, um die Infektionen nachzuverfolgen. Aus 40 wurden bis zum August 2020 zunächst 100 Mitarbeiter. Sie sollten pro Woche etwa 4.500 Anrufe tätigen können. Im November 2020 war es dann bereits ein Team von über 250 Leuten – darunter auch „geliehene“ Angestellte von Luxair – die von neuen Räumlichkeiten am Findel aus agierten. Ein Online-Formular sollte das Contact Tracing zusätzlich erleichtern. Bis 2022 sank die Zahl der Angestellten wieder auf rund 100.
Doch es gab auch Kontroversen: Die Patientenvertretung klagte im November 2020 über große Verspätungen beim Contact Tracing. Immer wieder musste das Programm pausieren oder angepasst werden, weil man beim Contact Tracing nicht mehr hinterherkam. Im Oktober 2020 beispielsweise wurde entschieden, dass nur noch „engste Kontakte“ telefonisch angerufen werden. Ab November 2020 tauchten die durchs Contact Tracing identifizierten Fälle nicht mehr gesondert in den Statistiken auf. Im Dezember 2021, bei der heftigsten Welle bis dahin, hieß es, man könne wegen der steigenden Zahlen die Kontaktpersonen nicht mehr anrufen, sondern nur noch per E-Mail eine Einladung zu einem PCR-Test verschicken.
Vor allem aber bleiben zwei Fragen bisher unbeantwortet: Wie effizient war die Herangehensweise? Und wie viel hat es gekostet?
Laut Bettels Rede zur Lage der Nation Anfang des Monats wurden 95.000 Menschen vom Contact Tracing kontaktiert. Das macht etwa ein Drittel der insgesamt 296.941 (Stand 11. Oktober, Tag der Rede) positiv auf Corona getesteten Menschen in Luxemburg aus. Doch unter diese 95.000 Menschen fallen ja auch die „engen Kontakte“, die das Contact Tracing anrufen sollte. Wie viele Infektionsketten wurden also tatsächlich identifiziert und unterbrochen? Und wie viele sind dem Contact Tracing entgangen oder konnte das System schlicht nicht bewältigen?
Bei einem Gespräch mit dem Tageblatt Mitte September blieb Gesundheitsministerin Paulette Lenert vage, was die Kosten des Contact Tracing angeht: „Das ist unterschiedlich. Das kann ich Ihnen jetzt nicht so genau sagen. Das sind aber immer noch laufende Kosten. Es ist eben noch Pandemie.“ Antworten, die es in diesem oder ähnlichem Wortlaut immer wieder während der Pandemie gab.
Gestern nun wurde mit dem neuesten Corona-Gesetz das Ende des systematischen Contact Tracing besiegelt. Nun wäre es dann vielleicht an der Zeit für eine endgültige Bilanz.
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