Konsumentenschutz / Ungebrochene Kampfbereitschaft auch im Krisenjahr
Streitsachen, Kaufkraft, Patientenschutz, Wohnungskrise, Steuerpolitik, Bankkosten und -dienstleistungen. Die Fragen an den Konsumentenschutz sind im Pandemie-Jahr 2020 nicht weniger geworden. Die zuständige Ministerin hatte jedoch offenbar nur wenig Zeit, um sich mit diesem Bereich zu befassen. Das führt zu einer frustrierten Jahresbilanz der ULC mit mehr Fragen als Antworten.
Teilzeitarbeit, Home-Office, kein direkter Kundenempfang. Wie viele Dienstleister hat auch die ULC im vergangenen Jahr umlernen müssen. Sie hat zwar im Lauf des Jahres die direkte Beratung wieder aufgenommen, empfängt die Antragsteller vorerst jedoch nur auf Absprache.
Der Dialog mit den Mitgliedern ist jedoch nicht abgebrochen. Rund 50.000 Menschen haben sich 2020 telefonisch Hilfe geholt, das sind 13 Prozent mehr als im Vorjahr. 15.000 weitere haben über E-Mail mit den zuständigen Beratern korrespondiert, was einer Steigerung von 34 Prozent entspricht.
Die Hauptsorge der Mitglieder betrifft juristische Fragen, hier wurden 5.313 Streitfälle bearbeitet, das sind 121 mehr als im Vorjahr. Die Fragen betreffen hauptsächlich Bau- und Wohnrecht, aber auch Flugverkehr und Reisen. 800 Mal haben sich die Mitglieder von den fünf Juristen und den zehn Beratern in Steuerfragen helfen lassen, 866 Mal sind die Experten der ULC ausgerückt, um vor Ort etwaige Problempunkte zu erörtern.
Schonung mit Vorbehalten
Die ULC wollte offensichtlich der zuständigen Ministerin, Paulette Lenert, nicht zu nahe treten: „Wir haben uns aus allen Diskussionen über die Krisenbewältigung herausgehalten“, betont Präsident Nico Hoffmann. Das hat ihn allerdings nicht daran gehindert, der „Patientevertriedung“ in der Forderung nach freier Impfstoffwahl zur Seite zu stehen. Die zuständigen Behörden seien sehr abweisend gewesen. Es habe keine Alternative und kein Mitspracherecht für die Menschen gegeben, die eine Impfung mit AstraZeneca verweigerten. „Vielleicht wird es besser, wenn die Ärzte impfen dürfen“, hofft Hoffmann.
Wenig zufrieden ist seine Organisation auch mit dem Umgang mit den Bewohnern der Alters- und Pflegeheime während der Krise. An dieser Frage will sie dranbleiben. Gegenwärtig läuft eine Analyse der Preise in den Alters- und Pflegeheimen.
Aktiv agiert der Konsumenteschutz auch in der Frage der Reform des „Adapto-Service” für alte oder behinderte Menschen. Die neue Regelung schließt viele vormalige Nutznießer aus, die zuständigen Mobilitäts- und Familienminister gehen jeglichem Dialog aus dem Weg.
Mehr fürs Geld
Sorgen bereitet der ULC des Weiteren die Erhaltung der Kaufkraft, die durch die mehr als zweiprozentige Inflation und die von der Pandemie verursachte Teilzeitarbeit eingebrochen ist. Um gegenzusteuern, schlägt der Konsumentenschutz eine Maßnahme vor, die vor 40 Jahren eigentlich abgeschafft wurde: Die Auszahlung einer sogenannten „Vorschussindextranche“ würde in seinen Augen den kleinen und mittleren Einkommen über die Runden helfen.
Mehr noch als der Index sind die Preise auf dem Wohnungsmarkt gestiegen: ein Plus von fast 15 Prozent im Krisenjahr. Auch dieses Jahr schnellen die Wohnungspreise um fast 10 Prozent in die Höhe, 2022 wird nochmals ein Plus von rund 5 Prozent erwartet. „Das sind mehr als 28 Prozent in drei Jahren. Wer kann sich bei diesen Voraussetzungen überhaupt noch eine Eigentumswohnung leisten?“, fragt die ULC.
„Es braucht politischen Willen und Handlungsbereitschaft, um hier Abhilfe zu schaffen“, so Hoffmann mit der Forderung, behördlich und politisch miteinander statt gegeneinander zu arbeiten, um die Preise in den Griff zu bekommen. Wohnen sei ein Grundrecht und der Mieterschutz deshalb durchaus eine Angelegenheit des Konsumentenschutzes.
Fehlentwicklungen im Bankwesen entgegenwirken
Ein politisches Miteinander fordert der Konsumentenschutz auch im Bank- und Finanzwesen, besonders bei der Wahrung der Bankfilialen. „Sie sind ein Teil des Soziallebens in den Ortschaften“, sagt der Konsumentenschutz mit Blick auf die Lokalpolitik. Ein entsprechendes Dialog-Angebot an das Syvicol sei jedoch bisher ohne Antwort geblieben.
Im Interesse seiner Mitglieder wehrt sich der Konsumentenschutz gegen die hohen Bankkosten, genauso wie gegen die angekündigten Negativzinsen. Auch die durch die Pandemie verstärkte Einschränkung des Bargeldflusses liegt ihm auf dem Magen. Mit den Karten würden wir einerseits zu gläsernen Menschen, andererseits werden die Angebote zur Geldanlage immer untransparenter. Mit Negativzinsen werde der Verbraucher für seine Ersparnisse letztendlich bestraft, monierte Hoffmann.
Enttäuscht notiert seine Organisation auch die verschobene Steuerreform. Besonders in den mittleren und kleinen Einkommensklassen sei das aktuelle Gesetz nicht gerecht. Die Abschaffung der 1A-Klasse (in die Alleinstehende fallen) würde nicht zuletzt die Kaufkraft stärken, argumentiert er in dieser Frage.
„Das Verbraucherschutzministerium sollte sich eigentlich in den Dienst der Verbraucher stellen“, forderte der Präsident der ULC auch in der Frage der Sammelklagen, die in die nationale Gesetzgebung eingeschrieben werden muss. Hier soll eine Gruppe von Geschädigten die Möglichkeit bekommen, gemeinsam Klage zu erheben. Dafür braucht es jedoch Gelder, die die direkt Betroffenen nicht immer aufbringen wollen oder können. Die gesetzgeberischen Vorbereitungen haben 2018 begonnen, im vergangenen Sommer wurde der Gesetzesvorschlag vorgestellt, eigentlich müsste er jetzt in Kraft treten. „Hier ist wiederum nicht passiert“, stellte Hoffmann zum wiederholten Mal enttäuscht fest.
- Den Neuanfang wagen: „déi gréng Stad“ stellen ihr Programm vor - 19. Mai 2023.
- Chardonnay – der Weltstar unter den Weinen - 26. März 2023.
- Das Gold der Erde - 12. März 2023.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos