Editorial / Uns Frauen gibt’s auch! Die Medizin muss ihre Scheuklappen ablegen
Frauen sind keine Männer mit ein paar Extra-Hormonen. Das müsste insbesondere Medizinern und Wissenschaftlern eigentlich bewusst sein. Doch viel zu oft spielen die grundlegenden biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau in der Medizin keine Rolle. Sie werden entweder ignoriert, weil „Genderneutralität“ erreicht werden soll – oder der männliche Körper gilt als der „Standard“, von dem die Frau eben nur dort abweicht, wo die Sexualhormone sitzen. Das kann tödliche Folgen haben.
Beispielsweise beim Herzinfarkt: Die häufigsten Symptome bei Männern sind ein stechender Schmerz im Brustkorb, der sich auf Arme, Schultern und den Nacken ausbreitet, Atemnot und das Gefühl, der Brustkorb würde zusammengedrückt. Erleiden Frauen einen Herzinfarkt, sind diese Symptome häufig kaum ausgeprägt. Stattdessen müssen sie erbrechen, haben Schweißausbrüche, Rückenschmerzen und Schmerzen im Oberbauch. Viele halten es deswegen für eine harmlose Magenverstimmung und der Arzt wird viel zu spät gerufen.
Das ist nur ein Beispiel von hunderten. An vielen Studien, auf die sich die Medizin in ihren Diagnosen stützt, waren nur Männer als Probanden beteiligt. Die Wirkung von Medikamenten wurde und wird noch heute meist an männlichen Tieren getestet und Männer machen bis heute die Mehrheit der Teilnehmer an den klinischen Tests aus. Was wiederum dazu führt, dass Frauen häufig unter mehr oder sogar ganz anderen Nebenwirkungen leiden, als auf dem Beipackzettel notiert. Krankheiten, die hauptsächlich Frauen betreffen, wie zum Beispiel Endometriose, sind deutlich weniger erforscht als typische „Männerkrankheiten“. Oder wie die Forscherin Dr. Janine Austin Clayton gegenüber der New York Times formuliert: „Wir wissen weniger über jeden Aspekt der weiblichen Biologie als über die männliche.“
Die Corona-Pandemie zerrt nun auch diese Ungleichheit wieder ans Licht. Männer werden vom Coronavirus heftiger getroffen als Frauen und sterben häufiger. Einige Studien scheinen die Hypothese zu untermauern, dass das eventuell mit den Östrogenen zu tun haben könnte. Doch wird Studien über eine Behandlung mit diesen Hormonen kaum Beachtung geschenkt.
Einen Doppelstandard kann man auch bei der Impfung gegen das Coronavirus beobachten. Aktuell herrscht helle Aufregung wegen einiger Fälle von Thrombosen nach der Impfung. Laut dem Luxemburger Gesundheitsministerium wurden bisher 222 Fälle in Europa bekannt. Bei mehr als 34 Millionen Personen, die geimpft worden sind. Also in 0,0006 Prozent der Impfungen kam es in der Zeit nach der Impfung zu einer Thrombose. Die EMA errechnete das Risiko eines Thrombose-Falls pro 100.000 Impfungen. Das geringste Thrombose-Risiko bei der Anti-Baby-Pille liegt bei 5-7 pro 10.000 Frauen.
Man mag jetzt einwenden, dass es sich dabei um zwei verschiedene Thrombosen handelt. Corona-Impfungen werden mit den sehr seltenen Thrombosen im Gehirn oder Bauch in Verbindung gebracht, die Pille mit den „normalen“ Thrombosen in den Beinen. Doch es ist weniger der stark vereinfachte direkte Vergleich, der den verinnerlichten Sexismus verrät, als die Reaktion der Gesellschaft.
„Die pumpen nur Dreck in uns hinein“, „Ich will mich damit nicht impfen lassen“ und „Das muss sofort gestoppt werden“ heißt es bei dem einen. Und bei dem anderen Medikament wird man seltsam beäugt, wenn man nicht hormonell verhüten möchte. Dass seit Jahren die Forschung über die Pille nicht weitergetrieben wird, darüber regt sich kaum jemand auf. Trifft ja auch nur 50 Prozent der Gesellschaft. Und dann eben auch die, die an etliche Nebenwirkungen gewöhnt sind. Frauen haben übrigens auch bei den Corona-Impfungen den Kürzeren gezogen. Sie erleben nämlich viel mehr Nebenwirkungen als Männer. Noch so ein Fakt, der bisher kaum zu hören gewesen ist.
- „Nach all dem was passiert ist, ist man verunsichert“ - 15. November 2024.
- Bei den Wahlen in den USA ist das Chaos vorprogrammiert - 2. November 2024.
- Rechte für Menschen mit einer Behinderung: Es reicht mit den leeren Versprechungen - 14. Oktober 2024.
Bloss gut, dass die durchschnittliche Lebenserwartung der Männer deutlich unter derjenigen der Frauen liegt. Sonst müssten wir uns auch noch dafür rechtfertigen.
Dass seit Jahren die Forschung über die Pille nicht weitergetrieben wird, stimmt gar nicht. Daneben beschäftigt man sich auch mit der Pille für den Mann. Auch die Virusvakzine und fast alle anderen Medikamente werden an vergleichbar vielen Frauen und Männern getestet. Was wollen Sie eigentlich? Dass Prostatamedikamente auch an Frauen getestet werden oder was?
@ Jessica Oé
Leider steht das nicht im Artikel: die 222 Trombose-Fälle, sind das etwa nur Frauen?
@ Jemp
Seit mindestens 40 Jahren wird immer wieder behauptet, man forsche an der Pille für den Mann. Ich glaube nicht mehr daran.
@ Realist, @ Jemp
Es ist nun mal Tatsache, dass früher Medikamente nur an Männern getest wurden. Das heißt, bei älteren Medikamente kennen wir nur die Nebenwirkungen an Männern.
Ich hoffe doch, dass das heutzutage anders gehandhabt wird.
DanV: Vielleicht liegt das ja einfach daran, dass „früher“ (heute übrigens zum Teil auch noch) Medikamententests als stark risikobehaftet und zudem als gesellschaftlich unmöglich galten. Also definitiv keine fauenspezifische Tätigkeit.
am Beschten ass, êt hölt ee keng Pêll
êt gêt ee nêt geimpft
an êt hölt ee just Medikamenter wann êt nêt aaneschtes geet
durch dat villt Medikamenter anhoulen , haaptsächlech Antibiotika, de num seet êt jo scho, gêt de Kiêper immun gemaach fiir sämtlech wertvoll Medikamenter, déi ee mol vläicht bréicht, een oder e purmol am Liewen,
huet een awer zevill Pêlle geschleckt, dann ass keng Wiirkung méi do
Selwecht mat der Covid-Impfung, déi muss de all Joers, oder all 2 Joer, je no dem Impfstoff, rêm frêsch gesprêtzt kréien, an da weess de nêt op dat dann de Viirus bekämpft, deen dann grad opdaucht
‚All zu viel ist ungesund‘
Erst einmal muß ich meinen letzten Satz von vorhin streichen, denn dieser Artikel unterstreicht ja, dass noch immer überwiegend männliche Testpersonen gewählt werden.
@ Realist
Die Gründe sind vielfältig (z.B das „schwache“ Geschlecht, der „geheimnisvolle“ weibliche Körper, …), was uns aber nicht davon abhalten sollte, uns bewusst zu machen, dass etliche Medikamente nur am männlichen Körper getestet wurden und somit unwägbare Risiken für den weiblichen Körper haben können.
Und es geht auch nicht um Schuldzuweisung für frühere Handhabungen, es geht darum, es heute besser zu machen.
DanV: Da Medikamente heutzutage nicht mehr an Galeerensträflingen getestet werden, sondern an freiwilligen, bezahlten Probanden, weiss ich nicht, worauf Ihre Argumentation hinauswill. Falls tatsächlich immer noch weniger Frauen sich freiwillig für solche Tests melden (konkrete Zahlen?), läge das heute doch wohl sicher nicht an irgendeiner Form von Sexismus seitens der bösen Männer, sondern einzig an den Frauen selbst. Davon abgesehen wird die Anzahl an Medikamenten, deren Wirkung signifikant vom Geschlecht abhängt, vermutlich überschaubar sein.
Das Ganze erinnert ein wenig an die Frauenquote in der Politik. In Zeiten von politkorrekten Doppelspitzen, Meetoo und Quotenheckmeck suchen alle (!) Parteien händeringend nach Frauen, die bereit wären, eine Funktion oder ein Mandat zu übernehmen. Bloss finden sie kaum welche. Und auch hier wird von bestimmten Kreisen als Grund automatisch die Mär vom Sexismus der Männer bemüht. Falschmeldungen werden aber nicht dadurch wahrer, dass sie immer und immer wieder aufgewärmt werden.
@ Realist 16.4.2021 – 11:08
Ja, Sie haben vermutlich recht mit den Freiwilligen. Danke für die Bewusstmachung.
@ Jessica Oé
Bitte beantworten Sie meine Frage vom 15.04 zu den 222 Trombose-Fällen.