Medizin / Unsere Körpertemperatur sinkt – und Wissenschaftler wissen nicht warum
In 200 Jahren ist die durchschnittliche Körpertemperatur der Menschen in den Industriestaaten um rund 0,6 Grad gesunken. Das, was in den USA zwei Jahrhunderte gedauert hat, ist bei den Tsimane in Bolivien in nicht einmal 20 Jahren vonstattengegangen. Forscher vermuten, dass eine bessere gesundheitliche Versorgung ein Teil der Erklärung darstellt.
Viele Menschen haben in den letzten Monaten eine innigere Beziehung zu ihrer eigenen Körpertemperatur entwickelt. Eine erhöhte Körpertemperatur ist oft ein erstes und einfach messbares Anzeichen dafür, dass mit uns etwas nicht stimmt – dass unser Körper gerade mit einer Krankheit ringt.
Um eine solche Aussage zu treffen, brauchen wir einen Vergleichswert. 1867 hat ein deutscher Arzt namens Carl Wunderlich dazu beigetragen, eine Temperatur von 37 Grad Celsius als die normale menschliche Körpertemperatur zu betrachten. Wunderlich schloss aus seinen Untersuchungen, dass die Körpertemperatur eines gesunden Menschen irgendwo zwischen 36,2 und 37,5 Grad Celsius liegt.
Das Erstaunliche: In den letzten 200 Jahren ist unsere durchschnittliche Körpertemperatur um 1,6 Prozent auf 36,4 Grad Celsius gefallen. Das haben Untersuchungen in den USA gezeigt. Allerdings gehen Forscher davon aus, dass der Effekt in allen Ländern mit einem relativ hohen Einkommensniveau auftritt. Zahlen aus Großbritannien unterstützen diesen Verdacht.
Sauberkeit und Impfungen
Den genauen Grund für diese merkwürdige Veränderung kennen Wissenschaftler noch nicht. „Eine führende Hypothese ist, dass wir im Laufe der Zeit dank verbesserter Hygiene, sauberem Wasser, Impfungen und medizinischer Behandlung weniger Infektionen erlebt haben“, sagte Anthropologie-Professor Michael Gurven von der Uni in Santa Barbara, gegenüber dem Nachrichtenportal seiner Uni, „The Current“. Dadurch sind systemische Entzündungen zurückgegangen und unser Immunsystem verbraucht weniger Energie.
Diese Entwicklung, die in den USA 200 Jahre gedauert hat, konnte das internationale Forscherteam um Gurven nun im Zeitraffertempo bei den Tsimane in Bolivien beobachten. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten sie im Fachblatt „Science Advances“.
Die Tsimane sind eine im Amazonasgebiet lebende Gruppe von Menschen, die vor allem Landwirtschaft betreiben, um sich selber zu versorgen. Den Forschern zufolge haben sie keinen Zugang zu fließendem Wasser und sanitären Anlagen. Im Alltag kommen sie oft mit Krankheitserregern in Kontakt. Den Forschern zufolge sind Infektionen, insbesondere Infektionen der Atemwege, für rund die Hälfte der Todesfälle bei den Tsimane verantwortlich. Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts lag die Lebenserwartung der Tsimane bei knapp über 40 Jahren. Seit der Jahrhundertwende ist sie um gut zehn Jahre angestiegen.
Die Forscher hatten die Vermutung, die rasche Verbesserung der Gesundheit und des Lebensstils in den letzten Jahrzehnten habe bei den Tsimane zu einer Senkung der Körpertemperatur geführt, wie sie in den Vereinigten Staaten beobachtet wurde. Unter anderem, so die Forscher, haben die Menschen in den ländlichen Gebieten Boliviens heute einen besseren Zugang zu Krankenhäusern und es wurden staatlich geförderte Impfprogramme aufgelegt.
Die Vermutung der Forscher wurde bestätigt: Seit den ersten Studien im frühen 21. Jahrhundert ist die durchschnittliche Körpertemperatur der Tsimane um rund einen halben Grad gefallen. Die Körpertemperatur von Frauen fiel von 37,02 auf 36,57 Grad und die von Männern von 36,94 auf 36,45 Grad Celsius.
Keine einfache Erklärung
Gurven geht allerdings nicht davon aus, dass die bessere gesundheitliche Versorgung alleine für die gesunkene Körpertemperatur verantwortlich ist, wie er gegenüber „The Current“ sagte: „Aber während sich die Gesundheit in den letzten zwei Jahrzehnten allgemein verbessert hat, sind Infektionen im ländlichen Bolivien immer noch weit verbreitet. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein Rückgang der Infektionen alleine den beobachteten Rückgang der Körpertemperatur nicht erklären kann.“
Unter anderem spekulieren Wissenschaftler, ob Klimaanlagen und Heizungen zu dem Phänomen beitragen. Diese könnten dazu führen, dass unsere Körper weniger hart arbeiten müssen, um die Körpertemperatur zu regulieren. Allerdings benutzen die Tsimane solche Geräte nicht, dafür haben sie nun aber besseren Zugang zu Kleidung und Decken, erklärte der Anthropologie-Professor gegenüber „The Current“.
Eine weitere Erklärung könnte sein, dass körperlich anstrengende Arbeit die durchschnittliche Körpertemperatur früher erhöht hat. Seit der industriellen Revolution arbeiten wir weniger körperlich, was womöglich zur Folge hatte, dass unsere Körpertemperatur gesunken ist. Im Falle der Tsimane spekulieren die Forscher, dass ein besserer Zugang zu Märkten in den letzten 20 Jahren eine allmähliche Abkehr von der anstrengenden Landwirtschaft verursacht haben könnte. Dagegen spricht, dass die Wissenschaftler keine Belege dafür fanden, dass die Tsimane heute weniger körperlich arbeiten als noch 2013.
Eine einfache Antwort auf die Frage, wieso unsere Körpertemperatur gesunken ist, scheint es nicht zu geben. Vielmehr gehen die Wissenschaftler derzeit davon aus, dass es eine Kombination aus verschiedenen Faktoren ist. Die Beobachtungen in Bolivien bestätigen allerdings, dass das Phänomen nicht nur im Kontext der Industrialisierung und Urbanisierung auftritt, sondern auch in Bolivien in einem tropischen Klima und in einer Region, wo Infektionskrankheiten verhältnismäßig oft auftreten.
wei schrecklech……………an d’Temperatur vun der Erd geht emmer mei erop.
Ass dat do esou wichteg….???
Kein Wunder, wir werden ja immer fetter.
Eba dat nennen ech Upassen un den Klima.
Awwer ech denken och wi uewen awähnt ginn ass, dass et méi Interessant Themen gi wi déi 😉
Interessanten Artikel. Merci!
“ (…) ist unsere durchschnittliche Körpertemperatur um 1,6 Prozent auf 36,4 Grad Celsius gefallen“
Bei enger Temperatur kann ee net mat Prozenter vergleichen, well 0°C jo net den absolute Minimum ass.
@Tom: Dat ass och rechnen!
37° (normal) – 1.6% = 36.4°
@tom Gudden Hinweis. Merci.