Sommerserie / Unsere Lieblingsorte (11): Der Saint-Hilaire-Friedhof und seine morbide Faszination
Friedhofstourismus mag einen morbiden Beigeschmack haben. Jedoch haben Grabstätten einen großen historischen Wert. Hinter ihnen verbirgt sich so manche interessante Geschichte. Der außergewöhnlichste Friedhof der Großregion befindet sich im französischen Marville, rund 40 km von der Luxemburger Grenze entfernt.
„Nous avons été comme vous. Vous serez comme nous“: Nichts ist auf dieser Welt so sicher wie der Tod. Und der letzte Weg führt auf den Friedhof. Kein Wunder also, dass die letzten Ruhestätten eine besondere Faszination auf Menschen ausüben. In Luxemburg gibt es eine ganze Reihe bemerkenswerter Friedhöfe. Der „Jousefskierfecht“ in Esch zum Beispiel oder der „Niklos-Kierfecht“ in der Hauptstadt, auf dem sogar Führungen stattfinden. In Clausen gibt es mit dem Deutschen Soldatenfriedhof und dem Malakoff-Friedhof gleich zwei geschichtsträchtige Begräbnisplätze. Und es gibt Friedhöfe, von denen nur wenige wissen. Mitten in Schouweiler versteckt sich so einer. Dort sind gut erhaltene Gräber aus dem 19. Jahrhundert zu sehen. Zum Beispiel das der Eheleute Dominique Schouweiler (1812-1885) und Marie-Aimé Limpach (1818-1886).
So geschichtsträchtig die Luxemburger Friedhöfe auch sein mögen, es lohnt sich ein kleiner Ausflug ins französische Grenzgebiet. Knapp 40 Kilometer vom Großherzogtum entfernt liegt hinter Longuyon das verschlafene Dörfchen Marville. Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert war der Ort eine wichtige Handelsstadt, einige Renaissancebauten zeugen noch heute von dieser Blütezeit. Genau wie der Saint-Hilaire-Friedhof, auf dem man Gräber aus dieser Epoche findet. Seit 1931 steht er unter Denkmalschutz, was an der Friedhofskapelle aus dem 12. Jahrhundert, seinen alten Gräbern und sicher auch an seinem „Ossuaire“ liegt. Das Beinhaus ist nichts für schwache Nerven.
1890 hatte der Friedhofswärter Pierre-Nicolas Constant Motsch rund 6.000 Totenköpfe und andere Knochen aus Massengräbern des Friedhofs zusammengetragen und fein säuberlich aufgestapelt. Das medizinische Institut von Marville war jahrzehntelang die (vor)letzte Station der Leprakranken der Region, was die Masse der Gebeine erklärt. Der älteste Totenkopf soll aus dem 16. Jahrhundert stammen. 29 von ihnen fasste Motsch in Holzkisten, die an kleine Wanduhren erinnern, ein. Jedenfalls schuf der 1902 verstorbene Friedhofswärter so ein Denkmal für die Toten, das Besuchern einen Schauer über den Rücken laufen lässt. Zumal es mit der eingangs zitierten Inschrift „geschmückt“ ist: „Nous avons été comme vous. Vous serez comme nous. Priez Dieu pour nous.“
Weniger schauderhaft geht es in der Friedhofskapelle zu. Die ist von den Gräbern umzingelt, wobei die ältesten und interessantesten zum Schutz in ihrem Inneren aufbewahrt werden. Am Rande des Friedhofs finden sich auch weniger alte Gräber. Zwischen 1954 und 1967 war in Marville ein NATO-Luftstützpunkt beheimatet, der hauptsächlich von Kanadiern betrieben wurde. Auf dem Saint-Hilaire-Friedhof finden sich 41 Gräber von Kanadiern, vor allem von Kindern, die wohl der Poliomyelitis, besser bekannt als Kinderlähmung oder Polio, zum Opfer fielen. Erst zum Ende der 1950er/Anfang der 1960er Jahre wurde die Krankheit durch konsequentes Impfen ausgerottet.
Saint-Hilaire-Friedhof
Adresse:
chemin rural dit de Saint-Hilaire
55600 Marville (Meuse)
Öffnungszeiten:
täglich rund um die Uhr geöffnet
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„Nous avons été comme vous. Vous serez comme nous“
Stimmt ja auch! Skelette und Totenköpfe sehen sich bedeutend ähnlicher als Menschen zu Lebzeiten. Gut aussehend oder weniger, dick oder dünn, Haar/Augenfarbe oder Haarwuchs – alles unerheblich, alles nur Äußerlichkeiten!