Editorial / Unsichtbares Fundament: Transparenz fängt bei Grundsatzdokumenten an
2023 ist das Super-Demokratiejahr für Luxemburg. Nicht etwa, weil der Begriff Superwahljahr bereits nach 19 Tagen inflationär im Gebrauch war, sondern weil eben nicht nur zwei Kommunal- und Nationalwahlen stattfinden, sondern auch eine neue Verfassung in Luxemburg in Kraft tritt.
Informationen zur neuen Verfassung findet man jedoch nur bruchstückhaft. Ein Leser hat sich vor kurzem ans Tageblatt gewandt mit der Frage, wo er denn einen zusammenhängenden Text der Verfassung finden könne, wenn möglich ohne sich durch unzählige Chamber-Dossiers klicken zu müssen. Die Antwort: Nur wer sich durch die vier Gesetzestexte liest, findet, was er sucht.
Auf der neuen Chamber-Seite (deutsche Version) findet man genauere Informationen zur Verfassung erst, wenn man unter dem Reiter „Aktuelles“ auf „Newsdossiers“ und anschließend noch einmal auf „Mehr zeigen“ klickt, ehe das Dossier „Verfassungsreform“ aufpoppt. Die Hoffnung, zumindest auf der Parlamentsseite aktuelle Infos zu finden, wird aber schnell im Keim erstickt. Aktualisiert wurde die Seite zuletzt am 31. August 2022.
Ein genaues Inkrafttreten der Verfassung suchte man somit vergebens, denn: „Der neue Verfassungstext wird vom Großherzog unterschrieben und im ‚Journal officiel‘ veröffentlicht. Er tritt sechs Monate nach der Veröffentlichung in Kraft“, steht auf der Chamber-Seite geschrieben. Das Datum des zweiten Verfassungsvotums war bei der letzten Aktualisierung im August jedoch noch nicht bekannt. Zumindest werden die vier Gesetzestexte, anhand derer die Verfassung reformiert wird, ordentlich aufgelistet. Einen zusammenhängenden Verfassungstext aber sucht man auf der offiziellen Seite des Parlaments vergebens.
Aktueller, aber nicht viel übersichtlicher, sieht es auf der französischen Version der Seite aus. Wobei allein der Umstand, dass die Chamber-Seite je nach Sprache unterschiedlich aktuell gehalten wird, doch einige Fragen aufwirft. Auf der französischen Version der Seite wurde das Verfassungsdossier jedoch zuletzt am 28. Januar aktualisiert, die englische wurde am 26. September ein letztes Mal überarbeitet. Ein genaues Datum des Inkrafttretens sucht man aber auch hier vergebens, ebenso wie eine konsolidierte Version des Textes. Vertröstet wird der Leser mit einem Fragen-und-Antworten-Katalog und der Möglichkeit, sich die verschiedenen Änderungen per Video erklären zu lassen.
Weiter geht die Suche nach einem zusammenhängenden Text also auf der Internetseite Legilux, dem digitalen „Journal officiel“. Die Suche mit dem Begriff „Constitution“ bringt erst seit Mittwochabend Klarheit, als die vier Gesetzestexte erstmals auf legilux.lu publiziert werden. Eine zusammenhängende Version der neuen Verfassung findet man nicht auf den ersten Blick: Diese ist lediglich an den Gesetzestext mit der Nummer 7777 angehängt. Der Grund, warum auf Legilux so lange nichts zu finden war, ist jedoch ein anderer: Die Verfassung soll sechs Monate nach der Publikation im „Journal officiel“ in Kraft treten. Seit Mittwochabend steht dann auch fest, dass dies der 1. Juli 2023 sein wird.
Et ass esou wäit. Haut goufen déi vun der Chamber definitiv votéiert Texter fir di fundamental Verfassungsrevisiounen veröffentlecht. Domat wärt di wäitgehend iwwerschaffte Constitutioun den 1. Juli a Kraft trieden. Merci all denen déi dobäi mat ugepakt hunn. pic.twitter.com/BnTd4FsUa4
— Mars Di Bartolomeo (@Mars_Bartolomeo) January 18, 2023
Transparenz war eines der Schlagwörter des vergangenen Jahres und ist es auch auf den Neujahrsempfängen der verschiedenen politischen Parteien wieder gewesen. Transparenz aber erlangt man nicht nur, indem Treffen mit Lobbyisten öffentlich gemacht werden. Sie beginnt, indem den Bürgern Luxemburgs fundamentale Dokumente und Informationen des gesellschaftlichen und demokratischen Zusammenlebens einfach zugänglich gemacht werden. Ein zusammenhängender Verfassungstext wäre ein guter Anfang. Dass dieser am Ende eines der vier Gesetzestexte steht, ist schon mal ein guter Anfang. Für eines der grundlegenden Dokumente der Luxemburger Demokratie ist es aber eben nur das: ein Anfang.
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