Elternzeit / Väter in der Babypause – „Chambre des métiers“ beunruhigt über Personalmangel
Seit 2019 nehmen mehr Männer den „congé parental“ als Frauen. Private Unternehmen und die Handwerkskammer können diese Tendenz ebenfalls feststellen. Die „Chambre des métiers“ warnt jedoch erneut vor einer Verschärfung des Personalmangels.
„Die Work-Life-Balance ist ein aktuelles Thema“, erklärt Tom Wirion, Generaldirektor der Handwerkskammer. Dazu gehört, Familie und Beruf besser miteinander vereinen zu können. Die Unternehmen seien sich dessen auch bewusst, so Wirion weiter. Doch sechs von zehn Betrieben hätten durch die Elternzeit organisatorische Schwierigkeiten. Dies ist aus der letzten Umfrage aus dem Jahr 2019 hervorgegangen. Im Handwerk gehören 70 Prozent der Firmen zu den Mikrounternehmen mit bis zu neun Angestellten. „Wenn dann ein oder zwei der Arbeitnehmer Elternurlaub nehmen und noch jemand krank wird, geraten die Unternehmen schnell in Schwierigkeiten.“ Mehr als die Hälfte der Betriebe haben außerdem angegeben, dass sie Schwierigkeiten haben, einen „CDD“, also einen Ersatz für den „congé parental“, zu finden. Aufgrund des bestehenden Arbeitskräftemangels wollen die Firmeneigentümer jedoch ihre Angestellten an sich binden.
Seit der Reform des Elternurlaubs im Jahr 2016 entscheiden sich immer mehr Väter dafür, Elternurlaub zu nehmen. Laut Zahlen der IGSS („Inspection générale de la sécurité sociale“) waren es im Jahr 2017 3.675 Männer, die von dem Angebot profitiert haben. 2021waren es dann bereits 6.186. Damit haben sich im letzten Jahr 53 Prozent Väter für eine Elternzeit entschieden und 47 Prozent Mütter. Die Zahlen der IGSS zeigen, dass 2021 der Elternurlaub auf Vollzeit am meisten in Anspruch genommen. Danach folgt der „congé parental fractionné“ und an dritter Stelle steht die Elternzeit auf Halbtagsbasis.
„Die Unternehmen sind nicht gegen den Elternurlaub, doch der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften besteht sowieso schon“, so Tom Wirion. Die verschiedenen Urlaube verschärften das Problem noch. Deswegen sei es an der Zeit, über ein modernes Arbeitsrecht nachzudenken, damit sich zum einen der Eigentümer in seiner Arbeitszeit flexibler organisieren kann und der Angestellte eine gewisse Flexibilität, aber auch Vorhersehbarkeit bekomme. Die „Chambre des métiers“ überlegt bereits, wie dies umgesetzt werden kann. Dazu müsse auch die Frage beantwortet werden, was sich eine Gesellschaft alles leisten könne. Am Ende des Tages müsste es Unternehmen geben, die produktiv arbeiten können, so Wirion weiter. Diese würden dazu beitragen, dass das Sozialsystem funktioniert.
Kein Ersatz auffindbar
Unternehmensleiter berichten ebenfalls von dem Problem, adäquaten Ersatz zu finden. „Jemand kann nicht so einfach ersetzt werden. Oft fehlen dann die Kompetenzen oder die Ressourcen“, sagt Paul Nathan, Technischer Direktor des Bauunternehmens Poeckes in Rümelingen. Bei dem Familienunternehmen sind 33 Büroangestellte und 200 Arbeiter beschäftigt – größtenteils Männer. Die Väter entscheiden sich dann für den Elternurlaub auf sechs Monate Vollzeit. Die Arbeiter auf der Baustelle sind im Moment unersetzbar. Paul Nathan nennt das Beispiel des Maschinisten. Sie sind alle dahingehend angelernt, auf einem bestimmten Typ von Maschine zu fahren. „Einen Maschinisten richtig auszubilden dauert Jahre“, erklärt Nathan weiter.
Der „congé parental“ ist daher nur ein kleiner Teil eines viel größeren Problems: Der Personalmangel zieht sich durch die gesamte Handwerkbranche. „Wenn eine Person fehlt, führt dies zu Problemen bei der Organisation von Personalressourcen. Und dies führt indirekt zu einem Produktivitätsverlust“, führt Nathan weiter aus. Der Arbeitskräftemangel greift so weit, dass das Bauunternehmen verschiedene Arbeiten nicht mehr annehmen kann. Auch bei der Suche nach möglichen Auszubildenden wird Nathan nur schwer fündig: Im letzten Jahr haben sie über diesen Weg nur eine Person gefunden.
Ob das Phänomen, dass Väter Elternzeit nehmen, für die Baubranche neu sei, bejaht der Ingenieur. Bei seinen Vorfahren habe es dies nicht gegeben. Sie konnten sich auf das Arbeiten konzentrieren. Doch Paul Nathan fragt sich, ob der Elternurlaub größtenteils auch wirklich genommen wird, um nach seinem Kind zu schauen. „Die Idee dahinter, dass die Väter genauso einen Anteil an der Familie haben wie die Frauen, ist gut“, findet Nathan. Doch würde der Elternurlaub nicht auch für andere Zwecke missbraucht? Dies falle dann auf diejenigen zurück, die keine Elternzeit nehmen oder nicht nehmen konnten.
Robi Delvaux (40 Jahre) hat vom „congé parental“ profitiert:
„Die schöne Zeit, die ich mit meinen Mädchen hatte, nimmt uns niemand mehr weg“, sagt Robi Delvaux, Vater von Zwillingen. Heute sind seine Töchter viereinhalb Jahre alt. Elternurlaub hat er halbtags von 2018 bis 2020 genommen. Für den 40-Jährigen stand von vornherein fest, dass er und seine Frau sich die Arbeit aufteilen würden, wenn die Kinder auf der Welt sind. Sein damaliger Arbeitgeber war damals mit den 20 Stunden pro Woche einverstanden. Während seines Elternurlaubs hat er die Arbeitsstelle gewechselt und der neue Arbeitgeber gab seine Zustimmung, den „congé parental“ zu übernehmen. „Das ist nicht selbstverständlich“, sagt der zweifache Vater. Seine männlichen Freunde mit Kindern hätten alle vom Elternurlaub profitiert. Die meisten hätten ihn einen Tag pro Woche genommen.
Ein paar Zahlen zum Elternurlaub
2017:
Frauen: 4.576
Männer: 3.675
2020:
Frauen: 5.048
Männer: 5.802
2021:
Frauen: 5.450
Männer: 6.186
Insgesamt:
2017: 8.251
2020: 10.886
2021: 11.636
Wer hat denn das bestimmt. Die Regierung. Also, selber Schuld.