Überblick / Verdächtige Person festgenommen: Das sind die neuesten Entwicklungen in der Caritas-Affäre
61 Millionen fehlen in den Kassen der Caritas. Die fast 500 Mitarbeiter haben am Montagmorgen erste Erklärungen aus der Führungsetage erhalten. Ein Blick in die Prüfungsberichte der Stiftung belegt, dass es in der jüngeren Vergangenheit bereits Ungereimtheiten in der Buchhaltung gab.
Eine hohe Angestellte einer Stiftung entwendet in der Abwesenheit des Generaldirektors innerhalb kürzester Zeit 61 Millionen Euro. Nicht nur die 28 Millionen, die auf dem Konto waren. Nein, mithilfe (nichtsahnender?) Dritter wurden Kreditlinien in Höhe von 31 Millionen Euro aufgenommen, die dann ebenfalls kurze Zeit später auf ein spanisches Konto transferiert wurden. Als der Generaldirektor aus dem Urlaub zurückkehrt, bietet die Verdächtige ihm noch bei der Spurensuche ihre Hilfe an – nur um sich kurze Zeit später abzusetzen. Das Geld? Weg. Was wie ein hollywoodreifer Blockbuster klingt, ist der Albtraum, in dem sich Marc Crochet, CEO der Caritas, und seine Stiftung gerade befinden. Dem Tageblatt gegenüber wollte Marc Crochet keine Stellungnahme zu der laufenden Affäre abgeben und verwies stattdessen auf die Pressestelle der Staatsanwaltschaft.
Am Montagabend teilte die Staatsanwaltschaft dann mit, dass sich eine Person im Rahmen der Ermittlungen der Polizei gestellt hat. Sie wurde auf Anordnung des zuständigen Untersuchungsrichters festgenommen.
Das letzte Mal, als bei der Caritas Ungereimtheiten in der Buchhaltung auftauchten, war 2020. Das haben zumindest externe Rechnungsprüfer in ihrem Bericht festgehalten. „Wir konnten die Geldtransfers im Zusammenhang mit diesen Projekten validieren, aber aufgrund des Fehlens bestimmter Belege oder lokaler Prüfungen war es uns nicht möglich, die Förderfähigkeit der ausgewählten Ausgaben zu validieren“, heißt es im Bericht der Kassenprüfer. Und weiter: „Im Allgemeinen gibt es immer noch Projekte, die weder intern noch extern geprüft wurden.“ Weder in den Jahren davor noch in den Folgejahren sahen sich die externen Prüfer genötigt, ein ähnliches Urteil zu fällen. Wie hoch die Beträge waren, die die Rechnungsprüfer nicht nachvollziehen konnten, geht aus dem Audit fürs Jahr 2020 nicht hervor. „Auf dieser Grundlage können wir keine Aussage darüber treffen, ob die Ausgaben förderfähig sind und wie sich diese Unsicherheit auf die Beträge auswirkt, die zurückgefordert und an die Geldgeber zurückgezahlt werden müssen.“
Marc Crochet, der erst im darauffolgenden Jahr zur Caritas hinzugestoßen war, hat sich die Konten für das Jahr 2020 auf Tageblatt-Anfrage noch einmal angeschaut. „Die Caritas hatte Aktivitäten in Syrien, die zur Folge hatten, dass sich das lokale Audit als sehr kompliziert erwies“, erklärt Crochet. Die Prozeduren der Caritas seien in der Folge angepasst worden. Auch habe sich die Caritas aufgrund der Risiken, die die Projekte in der Region für die Stiftung darstellten, komplett aus der Region zurückgezogen und die Partnerorganisation gewechselt. „Das hat aber nichts mit der jetzigen Affäre zu tun“, stellt Crochet klar.
Reserven und Kreditlinie
Im Gespräch mit Radio 100,7 erzählt Marc Crochet, dass er Anfang Juli von dem Problem erfahren habe. Während einer Pilgerreise von Luxemburg nach Santiago de Compostela sei er von Mitarbeitern darüber informiert worden, dass es Probleme beim Zahlen von Gehältern gebe. „Ich habe mich gesorgt, aber keinen Verdacht geschöpft“, sagt Crochet. An der internen Suche nach einer Erklärung habe sich die tatverdächtige Person nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub beteiligt. Am Ende habe dann eine Überprüfung der Überweisungen unerklärte Transaktionen nach Spanien aufgedeckt.
Zu der immensen Summe sagt Crochet am Montagmorgen im Interview mit RTL: „Die Caritas hatte nie 61 Millionen Euro auf dem Konto.“ Als die Sache angefangen hätte, seien ungefähr 28 Millionen Euro auf dem Konto gewesen. Die unehrliche Person habe sich Zugang zu den Banken verschafft und andere Leute angeschmiert und benutzt. Dadurch seien Kreditlinien im Namen der Caritas aufgenommen worden, die die Organisation nie gebraucht habe – und die die verdächtige Person allesamt eingesteckt habe.
„Warten Sie mit Spenden“
Es sei laut Crochet auch nicht eine einzige Kreditlinie über 31 Millionen Euro aufgenommen worden, sondern gleich mehrere. „Den Leuten, die mit unterschrieben haben, wurde erzählt, wir hätten Probleme, um Gehälter zu zahlen; die Erklärung war, wir seien zwischen zwei Regierungen“, sagt Crochet. Zu dem Zeitpunkt seien die Erklärungen plausibel gewesen. Bei der ersten Kreditlinie habe es sich um 16 Millionen Euro gehandelt, später sei diese auf 23 Millionen erhöht worden. Anschließend sei noch eine zweite Kreditlinie über 10 Millionen Euro gezogen worden. Seitens der Banken sei zwar bezüglich der hohen Beträge nachgefragt worden, allerdings sei die Person, die geantwortet hat, die Tatverdächtige selbst gewesen, so Crochet.
Die Caritas sei nun dabei, all ihre Prozeduren und Systeme mit externer Hilfe zu verändern, um eine Wiederholung des Vorfalls zu verhindern. Erst nach Abschluss dieser Veränderungen werde die Caritas die Menschen, die ihnen noch vertrauen, wieder um Hilfe fragen. „Wenn jemand eine Spende machen möchte, um uns zu helfen, dann würde ich heute sagen ‚tun Sie es nicht, warten Sie, bis wir einen Aufruf machen‘“, sagt Crochet. Über potenzielle Motive hinter der Tat wolle er sich nicht äußern. Er könne seinen fast 500 Mitarbeitern jedoch garantieren, dass sie weiterhin ihre Gehälter erhalten werden. Nicht alle Konten seien betroffen und auch die Regierung habe Hilfe versprochen, meint Crochet.
Hier können Sie die Hintergründe nachlesen:
– Polizei nimmt verdächtige Person in Caritas-Affäre fest
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