Diplomatie / Verfassungsexperte Bodry zur Reise des Großherzogs: „Regierung muss alles absegnen“
Was ist bei Auftritten des Großherzogs privat und was ist öffentlich? Diese Frage stellt sich nach dessen Visite beim chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping. Die Reise nach Peking hat der Großherzog als IOC-Mitglied und somit als Privatperson angetreten – das beteuerte die Regierung noch am vergangenen Freitag. Verfassungsexperte Alex Bodry meint: In der Öffentlichkeit kann der Großherzog die Rolle des Staatschefs nie ganz abstreifen.
Die Visite von Großherzog Henri beim chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping hat in Luxemburg eine erregte Debatte ausgelöst. Wie ist die Visite des Luxemburger Staatschefs, der Aussagen der Regierung zufolge als Privatperson und IOC-Mitglied in China war, zu bewerten? Kann Großherzog Henri die Einladung des chinesischen Staatspräsidenten überhaupt als Privatmann wahrnehmen, oder ist der politische Kontext und somit seine repräsentative Funktion einem solchen Besuch inhärent?
Verfassungsexperte Alex Bodry ruft eine ältere Jurisprudenz im Rechtsstreit zwischen der ehemaligen Ministerin Madeleine Frieden-Kinnen gegen das Tageblatt in Erinnerung (siehe Infobox). In seinem Urteil schrieb das Gericht: „le ministre reste en charge de son service, même en faisant au pays un séjour de récréation […]“. „Der Urteilsspruch von damals sagt, dass ein Minister eigentlich niemals privat handelt, wenn er im Amt ist“, sagt Bodry. Es gebe nur eine einzige Ausnahme: wenn der Minister im Urlaub ist und sich rechtmäßig von einem anderen Mitglied der Regierung vertreten lässt. Für Bodry könne man zwischen den beiden Situationen schon einen Vergleich ziehen. Mit einem zentralen Unterschied: „Der Großherzog kann sich in seiner Funktion als Staatschef nicht ersetzen lassen.“
Staatschef kann sich nicht von Aufgaben lösen
Wenn man das Urteil des Gerichts also auf den Großherzog appliziere, könne man nur zu einem Schluss kommen: „Der Großherzog kann sich nur sehr schwer von seinen offiziellen Funktionen loslösen“, sagt Bodry. „Problematisch wird es dann, wenn es sich um einen Akt handelt, den er vielleicht nicht als Staatschef ausführt, dem jedoch eine politische Dimension zugeordnet werden kann.“ Dann müsse er sich auf jeden Fall das Einverständnis der Regierung einholen – was in dem vorliegenden Fall laut Aussage des Luxemburger Außenministers Jean Asselborn (LSAP) geschah.
„Ich habe mich sehr lange mit dem Großherzog darüber unterhalten“, erklärt Jean Asselborn auf einer Pressekonferenz am Montag. Der chinesische Staatspräsident habe den Großherzog eingeladen, woraufhin der Großherzog sich an das Außenministerium gewandt habe. Das hat auch einen verfassungsrechtlichen Grund. Artikel 45 der Luxemburger Verfassung besagt nämlich, dass „les dispositions du Grand-Duc doivent être contresignées par un membre du Gouvernement responsable“ – in dem Fall der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn. Diese Einschränkung der Prärogative des Luxemburger Großherzogs ist nötig, da der Luxemburger Staatschef juristisch nicht belangt werden kann (Art. 4: „La personne du Grand-Duc est inviolable“) und somit die Mitglieder der Luxemburger Regierung verantwortlich sind.
„Der Großherzog ist auf mich zugekommen, woraufhin ich ihm einige Punkte vorgeschlagen habe, die er ansprechen sollte.“ Das habe der Großherzog während den Unterredungen denn auch so gemacht, versicherte der Luxemburger Außenminister. Wie Bodry hatte auch Asselborn auf der Pressekonferenz betont, dass der Großherzog seine Rolle als Staatschef nicht einfach abstreifen könne.
Unter der Fuchtel der Regierung
Zwei Denkweisen spielen laut Alex Bodry bei der Analyse der Situation eine Rolle. „Einerseits kann man sagen, dass der Großherzog für jeden Akt, für jede Rede das Einverständnis des Staatsministeriums braucht“, gibt der Verfassungsexperte zu bedenken. Dieses Credo müsse zumindest bei wichtigen Anlässen oder auch Staatsbesuchen verfolgt werden. Die andere These laute, dass der Großherzog auch für das Unterlassen die Genehmigung der Regierung benötige. „Einer Unterlassung kann ebenfalls eine politische Bedeutung innewohnen.“ Wichtig sei in beiden Fällen, dass es von der Regierung abgesegnet sei.
Bleibt die Frage, ob der Großherzog schon im Vorfeld von der Einladung des chinesischen Staatspräsidenten wusste – oder erst kurzfristig vor Ort eingeladen wurde. Auf Tageblatt-Anfrage ans Staatsministerium antwortet die Presseabteilung wie folgt: „Dem Staatschef steht es zu, zu jedem Moment von seinen Ministern gebrieft zu werden. Des Weiteren kommuniziert das Staatsministerium generell nicht über den Inhalt von Gesprächen, die der Großherzog führt.“ Keine Antwort auf die ursprüngliche Frage also.
Eine offene Frage bleibt zudem, ob die Mission nach Fernost schlussendlich als offizielle Mission oder Privatreise eingestuft wird. Nicht zuletzt um solch verschlungenen Angelegenheiten vorzubeugen, wurde ja eigentlich die „Maison du Grand-Duc“ geschaffen. Im Waringo-Bericht heißt es nämlich: „La création de la nouvelle institution ‚Maison du Grand-Duc‘ permettrait, à mes yeux, de faire également un pas décisif en direction d’une plus grande transparence des activités de la Cour. Actuellement il n’existe au Luxembourg pas de reporting systématique sur l’exercice des missions officielles de la Cour, ni sur l’utilisation des dotations budgétaires.“ Damit sollten nicht nur die offiziellen Missionen künftig von den privaten klar getrennt, sondern auch die finanziellen Kosten aufgelistet werden. Bleibt die Frage, inwiefern die Reise nach China als private Reise oder offizielle Mission verbucht wird.
Gerichtsstreit: Frieden-Kinnen gegen Jacques Poos/Tageblatt
Die CSV-Ministerin Madeleine Frieden-Kinnen war 1972 im Verlauf der Burgfried-Affäre zurückgetreten. Was war passiert? Das Tageblatt hatte sich in einem Artikel auf einen anonymen Zeugen berufen, der zwei Männer mit einem Fernglas dabei beobachtet haben wollte, wie diese sich „sittenwidrigem Verhalten“ hingegeben hätten. Einer der beiden Männer war Religionslehrer, der andere Betroffene soll 19 Jahre alt gewesen sein – nach damaligem Recht also minderjährig. Mit dabei, „in weißem Bikini“, soll auch die damalige CSV-Ministerin Frieden-Kinnen gewesen sein, die ihre Unschuld jedoch stets beteuerte. Es kam zu einem Gerichtsprozess wegen Verleumdung gegen das Tageblatt und seinen damaligen Direktor Jacques Poos – ein abschließendes Urteil wurde nach mehreren Berufungsprozessen nie gefällt. Frieden-Kinnen ließ nach ihrem Tod einen Brief im Parlament verlesen, in dem sie schrieb, Opfer eines Gerichtsirrtums gewesen zu sein. Anwesend war unter anderem auch Jacques Poos in seinem Amt als luxemburgischer Außenminister.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Ex-Präsident Wulff dachte auch er würde seine „Geschäfte“ als Privatperson machen und bekam den Zapfen gestrichen.
Ob unser HWG( Hochwohlgeboren ) nun als Privatperson dem Tyrannen in Fernost seine Aufwartung machte oder nicht, er und Bach und all die anderen haben nicht gerade Chuzpe bewiesen.
Als die Herrschaften zu Tisch saßen konnte man im TV einen jungen Chinesen sehen der den Westen (EU) aufforderte für die Freiheit der Menschen in China zu kämpfen. Ob es den mutigen Mann heute noch gibt weiß man nicht.
Niemand nimmt den Hoffnarren ernst.