/ Verhandlungen zur Kostenübernahme von Psychotherapien scheitern – aber konstruktiv
Sechs Monate Verhandlungen und drei Monate Mediation: In Sachen Kostenübernahme durch die „Caisse nationale de santé“ (CNS) für die Arbeit der Psychotherapeuten in Luxemburg gibt es (noch) keine Einigung. Das hat der Dachverband des Berufsstandes, die „Fédération des associations représentant des psychothérapeutes au Grand-Duché de Luxembourg“ (Fapsylux), mitgeteilt. Die Lage wirkt sich auf Mitglieder wie auch Patienten aus.
Am Arbeitsplatz von Nadja Bretz (Foto, 48) stellt sich schnell das Gefühl ein, sich hier fallen lassen zu können. Der Parkettboden strahlt Wärme aus, das graue Sofa mit den bunten Kissen lädt dazu ein, es sich darauf gemütlich zu machen. Der Eindruck täuscht. Hier finden schwierige Gespräche statt. Diejenigen, die sich in diesem Arrangement niederlassen, leiden unter Mobbing, Burn-out, Suchtkrankheiten oder unüberwindbarer Trauer. Es sind die Spezialgebiete der im luxemburgischen „Collège médical“ eingetragenen Psychotherapeutin, die sich vor zwei Jahren in Remich niederließ. Damals waren die Psychotherapeuten in Luxemburg als „Profession autonome“ gerade gesetzlich geschützt und der Dachverband der Psychotherapeuten, die Fapsylux, in Gründung. In dieser Situation war die Hoffnung berechtigt, dass die Verhandlungen über eine Kosten übernahme durch die CNS rasch in eine Konvention und damit Anerkennung als übernahmepflichtige Leistungen enden würden. Die gebürtige Saarländerin mit einem abgeschlossenen Studium der Psychologie und einer mehrjährigen Ausbildung zur Psychotherapeutin verlagert ihren Lebensmittelpunkt an die Mosel.
Am 21. Dezember 2018 kommt die Ernüchterung. In einer Mail an die Mitglieder schreibt Fapsylux, dass die Verhandlungen mit der CNS auch nach der dreimonatigen Mediation nicht zu einer Konvention geführt haben. Für alle Psychotherapeuten im Land heißt das: Sie können weiterhin nur die Menschen in Not behandeln, die sich das leisten können. 85 Euro kostet die Stunde bei Bretz. Da sie Deutsche ist und auf der anderen Seite der Mosel wohnt, muss sie zusätzlich die Mehrwertsteuer erheben. „Natürlich habe ich auch Lehrer oder Beamte, bei denen die Gebühren kein Thema sind, aber das sind die wenigsten“, sagt Bretz.
Viele können es sich nicht leisten
Bei anderen Patienten tun sich Gewissenskonflikte auf. Gerade erst hatte sie einen Anruf von einer Hausärztin, die gerne jemanden an sie weiterverwiesen hätte. „Ich weiß, dass der Patient dringend behandelt werden muss, sich das aber nicht leisten kann“, sagt Bretz. „Pro bono“-Behandlungen, wie sie die Sitzungen – unbezahlt oder großzügig ermäßigt – nennt, hat sie schon mehrmals gemacht und jedes Mal stellt sich die Frage, wie viele will und vor allem kann sie sich leisten? Momentan kommt sie auf 37 Klienten und 15 Sitzungen wöchentlich, die jeweils 60 Minuten dauern. Es könnten mehr sein. „Solange meine Arbeit nicht als medizinische Dienstleistung anerkannt ist, schicken die Patienten sich selbst weg“, sagt sie bedauernd. Davor haben die meisten einen oft jahrelangen Leidensweg und Gespräche mit dem Hausarzt hinter sich. Endlich beim Psychotherapeuten angekommen, erfahren sie dann, dass eine Behandlung außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten liegt. „Ich verweise zwar an andere Institutionen, Luxemburg ist ja gut aufgestellt“, sagt Bretz, „aber ob die Betroffenen, so am Ende, wie sie sind, diesen Weg dann auch noch einschlagen, ist die Frage.“
Viele Anlaufstellen und der Zwang, seine Geschichte mehrmals vor Fremden wiederholen zu müssen, war einer der Knackpunkte der Verhandlungen zwischen Fapsylux und CNS. „Wir wollten unseren Patienten die Hürden aus dem Weg räumen“, sagt Delphine Prüm, die Präsidentin von Fapsylux, und verweist auf ein „Tabu“. „Es ist hier im Land schon sowieso nicht einfach, sich einzugestehen: Ich brauche eine Psychotherapie.“
Fapsylux vertritt nach eigenen Angaben um die 400 Psychotherapeuten im Land und ist mit klaren Vorgaben in die Verhandlungen mit der CNS gegangen. „Wir wollen erreichen, dass jeder, der in Luxemburg krankenversichert ist, Zugang zu psychotherapeutischen Behandlungen hat – unabhängig von der Art des ,trouble mental‘ und vom Einkommen“, erklärt Prüm und bringt ein Beispiel. Sowohl Depressionen als auch Essstörungen sind im Kriterienkatalog der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als psychische Störungen anerkannt. Die CNS wollte allerdings Unterschiede machen. Für die Behandlung einer Depression sollten die Kosten übernommen werden, für die einer Essstörung aber nicht. „Das kann nicht sein“, sagt Prüm und betont gleichzeitig: „Wir sind uns in diesem Punkt in den Verhandlungen aber näher gekommen.“
Fapsylux
Der Dachverband der psychologisch-psychiatrischen Berufe in Luxemburg ist jung. Am 2. Februar 2017 wurden die Statuten hinterlegt. Fapsylux (Foto: Delphine Prüum, Präsidentin) vertritt sieben Verbände und etwa 400 Mitglieder.
ALuTheCC (Association luxembourgeoise de thérapie cognitivo-comportementale)
SLP (Société luxembourgeoise de psychologie)
KJPL (Kanner- a Jugendpsychotherapie Lëtzebuerg asbl)
ALP (Association luxembourgeoise des psychothérapeutes asbl)
ILPS (Institut luxembourgeois de pensées systémiques et de thérapie familiale)
Imhel (Institut Milton Erickson de Luxembourg)
Altis (Association luxembourgeoise de thérapie interactionnelle et stratégique)
Deshalb will sie bezüglich der Verhandlungen mit der CNS auch nicht von einem Scheitern sprechen. Viel lieber verbreitet sie Optimismus. „Wir hoffen, dass baldmöglichst die Konvention kommt.“ Die Ausgangsposition war schwierig. „Wir mussten das System CNS erst einmal verstehen und auch verstehen, was sie brauchen, um sich ein Bild zu machen“, erläutert Prüm. „Die CNS andererseits musste unseren Beruf und unsere Arbeit verstehen lernen.“ Bleibt noch das Fapsylux-Ziel, dass Zugang zu Behandlungen unabhängig vom Einkommen erfolgen soll. „Manche Behandlungen können monatliche Kosten in Höhe von 20 Prozent des Mindestlohns verursachen“, erklärt sie. Das können viele sich eben nicht leisten.
Ein weiterer schwieriger Verhandlungspunkt war die erstmalig bewilligte Anzahl der Sitzungen bis zu einer Überprüfung durch die CNS, ob weitere Behandlungen nötig sind und übernommen werden. Aber auch da sei ein Kompromiss greifbar, so Prüm. Ein weiterer Knackpunkt sind die Art der Behandlung und die Therapieschulen. „Die CNS will nicht für alle Therapiearten die Kosten übernehmen, wir aber wollen freien Zugang“, sagt die Fapsylux-Präsidentin und lässt durchblicken, dass hier noch Bedarf besteht.
Das zuständige Ministerium hält sich bedeckt. „Die CNS teilte uns mit, dass die Gespräche, die innerhalb der Mediationsprozedur stattfanden, konstruktiv verliefen und die CNS und Fapsylux gut vorankamen. Doch leider war es vor dem Ablaufen der Frist (am 31. Dezember 2018) nicht möglich, die Konvention zu finalisieren“, heißt es auf Anfrage des Tageblatt aus dem „ministère de la Sécurité sociale“. Von weiteren Details der Verhandlungen wolle man angesichts der Tatsache, dass der Mediateur dem „Minister einen Bericht über den Verlauf und die Schlussfolgerung der Mediationsprozedur überreichen muss“, zum jetzigen Zeitpunkt absehen.
Das klingt nach einer komplexen Interessenslage und zarten, vorsichtigen Annäherungen auf beiden Seiten. Einfach werden die Kompromisse wohl nicht erreicht werden. Offenbar liegen aber neue Vorschläge der CNS, vor allem bezüglich der „Continuité des soins“, auf dem Tisch. Es bleibt also spannend.
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