Premiere auf der Berlinale / Vicky Krieps überzeugt in Luxemburger Film „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“
Der Luxemburger Wettbewerbsbeitrag erzählt die toxische Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch – und skizziert dabei ein feministisches Porträt einer radikalen, freigeistigen Schriftstellerin, das leider etwas auf Kosten seiner Nebenfiguren geht.
Wie prägend und verheerend ein Schulkanon doch sein kann: Wo fast jeder Luxemburger Abi-Absolvent zumindest so getan hat, als hätte er den Schweizer Schriftsteller Max Frisch gelesen, kennen im Großherzogtum wohl nur wirkliche Literaturbegeisterte das Werk der Ingeborg Bachmann – im Allgemeinen sind Schriftstellerinnen immer noch viel zu abwesend vom Gymnasialpflichtprogramm.
Schön also, dass die neue Amour-Fou-Produktion diese Gegebenheit etwas zurechtbiegt, indem sie in diesem Film über die Beziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch den Schwerpunkt nicht nur auf die Frauenfigur legt, sondern zudem eine Luxemburger Schauspielerin die nahezu mythische Schriftstellerin verkörpern lässt.
Um „gesund zu werden“ reist Ingeborg Bachmann mit Adolf Opel in die Wüste, wo dieser einen Film drehen soll, und blickt gemeinsam mit ihrem neuen Liebhaber auf die turbulente, toxische Beziehung zu Max Frisch zurück. „Es war ein Wahnsinn, zu glauben, dass zwei Schriftsteller es miteinander aushalten können“, schlussfolgert Bachmann: Das Scheitern des Zusammenlebens dieses ungleichen Paars bezeichnet sie als „die größte Niederlage“ ihres Lebens, die Trennungszeit als pure „Agonie“.
Eifersüchtiger Vampir
Dabei müsste sie eigentlich froh sein, dieser Beziehung endlich entkommen zu sein: Wie Margarethe von Trotta mithilfe von Rückblenden in ihrem Spielfilm zeigt, war Frisch durch und durch eifersüchtig, selbstbezogen und narzisstisch. Was ihn an Bachmann erst faszinierte, störte ihn später: ihre Unabhängigkeit, ihre Freiheit, ihr Talent. Dass sich seine Trophäe als mehr als nur ein das Abendessen zubereitendes Objekt entpuppt, passt ihm ganz und gar nicht, dass er sich in ihrer Anwesenheit wie ein „Anhängsel“ vorkommt, noch weniger.
Dabei hatte alles so toll (und kitschig) begonnen: In Paris fängt Bachmann an, Apollinaires „Le Pont Mirabeau“ zu zitieren, prompt ergänzt Frisch dieses (weltbekannte) Poem, kurz danach sitzen beide eng vertraut im zum Pariser Bistro umfunktionierten Luxemburger Café „Interview“.
Ein paar Telefonate später leben beide zusammen in Zürich, wo es keinen Espresso gibt und Frisch die Schreibmaschine wie eine Kalaschnikow bedient. Allmählich macht sich die Inkompatibilität zwischen den beiden Schriftstellern immer deutlicher, als Bachmann Frisch nach langer Zeit in der Schweizer Metropole, die sie als beklemmend, spießig, unfreundlich und wenig inspirierend empfindet, in ihr Habitat lockt, spitzt sich die Lage allmählich zu – da Frisch in Rom nicht die gewohnte Aufmerksamkeit bekommt, droht dem eitlen Autor, für den Anerkennung wie Sauerstoff ist, der Erstickungstod.
Nach Hannah Arendt, Hildegard von Bingen oder Rosa Luxemburg stellt Margarethe von Trotta nun erneut eine starke Frauenfigur ins Zentrum ihres neuen Films. Anstatt eines klassischen Biopics fokussiert sich der Film jedoch auf eine der (zahlreichen) Liebschaften der Schriftstellerin: Weil es den Film über die Beziehung zu Paul Celan bereits gibt, fühlten sich die Produzentinnen und die Regisseurin zur erzählerisch spannenderen vierjährigen Beziehung zwischen Bachmann und Frisch hingezogen.
Für Bachmann fängt der „Faschismus“ in der „Beziehung zwischen Mann und Frau“ an (dass es besagten Faschismus auch in gleichgeschlechtlichen Beziehungen gibt, lässt sie außen vor), die Darstellung ihrer Beziehung zum Schweizer Schriftsteller bestätigt diese Beobachtung – manchmal auf eine recht grobe, oft aber auch auf eine subtile Art.
Kein Recht, über mich zu schreiben
Neben der Beziehung zu Frisch wird Bachmanns kreativer Prozess wie auch ihr Auftreten in der Öffentlichkeit im Rahmen von Lesungen und Interviews porträtiert, wobei immer wieder die Kluft zwischen der Redundanz der journalistischen Fragen – Bachmann wird quasi gebetsmühlenartig gefragt, wieso sie aufgehört habe, Lyrik zu schreiben, wobei die richtige Frage nach dem Holocaust ja wohl eher sein müsste, ob überhaupt noch Poesie verfasst werden kann – und der Klugheit ihrer Antworten: „Als ich den Verdacht hatte, dass ich jetzt Gedichte schreiben kann“ – da habe sie aufgehört, welche zu komponieren.
Um ihre avantgardistisch-feministische Hauptfigur zu porträtieren, hätte von Trotta allerdings auf eine weniger konventionelle Filmsprache zurückgreifen können – selbst die Sexszene mit drei Männern ist ziemlich einfallslos gefilmt. So wirkt die Erzählung anfangs fragmentiert, ist im Endeffekt jedoch bedeutend linearer, als es der Film auf den ersten Blick vermuten lässt. Der therapeutische Blick, der die Distanz in Ägypten gewährleistet, erlaubt es Bachmann, nüchtern-analytisch auf die Frisch-Jahre zurückzublicken: Auf das romantische „Le Pont Mirabeau“ folgt eben die „Chanson du Mal-Aimé“, konstatiert Bachmann trocken.
Krieps, nach Sissi erneut in der Rolle einer historischen Frauenfigur, verkörpert Bachmann überzeugend zwischen Melancholie und Melodrama, Selbstbestimmung, Selbstsicherheit, Selbstzweifel und Selbstmitleid – „manchmal liebe ich mein Elend“, gesteht sie irgendwann.
Neben der Figur von Bachmann verblassen die Männerfiguren ziemlich: Tobias Reschs Adolf Opel ist der geduldige, einfühlsame Begleiter, Zehrfelds Frisch ist eitel und selbstbezogen, seiner Figur fehlt es aber an der notwendigen Subtilität, um den starken Gegenpol zu Bachmann zu sein, der dem Film davon abgehalten hätte, streckenweise ins Hagiografische zu verfallen.
So hätte es keine zehn Eifersuchtsszenen gebraucht, um dem Zuschauer Frisch unsympathisch zu machen, der zwar viele Lacher erntet, dafür aber oftmals lachhaft wirkt. Interessanter sind die Szenen, in denen man merkt, wie wenig Platz für die beiden Egos in einem Haushalt ist und in denen sich beide ehrlich eingestehen, wie sehr sie teilweise vom anderen überfordert sind.
Anderswo geraten sie wegen ihrer sehr unterschiedlichen Auffassung des Schreibens aneinander: Im Vergleich zu Frisch ist Bachmann sorgfältiger, präziser – als er meint, er habe selten Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, meint sie nur, sie wundere das nicht – er nehme sie ja schließlich nicht so genau. Später wirft sie ihm vor, ein Vampir zu sein, der ihre Person als Studienobjekt für seine Texte nutze, er argumentiert, Literatur brauche halt den Nährboden der Wirklichkeit. Hätte der Film den Schwerpunkt auf diese Szenen gelegt, wäre er definitiv ausgeglichener gewesen.
So bleibt vielleicht das größte Mysterium dieses präzise gefilmten und gut gespielten Films, wieso eine solch begabte, schlaue Frau dem tölpelhaften „Biedermann“ Frisch verfallen konnte, der zudem bei der erstbesten Gelegenheit die Liebhaberin des befreundeten Tankred Dorsts bezirzt – Max braucht halt Frischfleisch.
„Ein Schwein geliebt zu haben, ist kein Schmach“, tröstet sie ihr Freund Hans (Basil Eidenbenz) gen Ende des Films – und verweist somit indirekt auf das Ende von Prousts „Un amour de Swann“: „Dire que j’ai gâché des années de ma vie, que j’ai voulu mourir, que j’ai eu mon plus grand amour, pour une femme qui ne me plaisait pas, qui n’était pas mon genre.“
Der Film läuft in Luxemburg im Rahmen des Preisverleihung des LuxFilmFest am 11. März um 19.00 Uhr im Kinepolis Kirchberg.
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