Förderung / Viel EU-Geld für Biobauern – und viele Zweifel
Zwölf Milliarden Euro hat die EU in den letzten Jahren in die Förderung der ökologischen Landwirtschaft gesteckt. Doch zu Verbleib und Effekt der Gelder stellt der Europäische Rechnungshof der Kommission und den Mitgliedsländern ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
40 Prozent der gesamten Fläche aller 27 EU-Mitgliedsländer werden landwirtschaftlich genutzt. Bis 2030 soll ein Viertel davon ökologisch und biologisch genutzt werden. Das ist ein ambitioniertes Ziel und bedeutet seit dem 2022er Stand von gerade mal 10,5 Prozent, dass da noch ein gewaltiger Sprung nötig ist. Die EU hat in den letzten Jahren mehr als zwölf Milliarden Euro ausgegeben, um dem Ziel näherzukommen. Doch wenn es bei dem bisherigen Zuwachs bleibt, wird dieses Ziel krachend verfehlt. Gerade mal 16,7 Prozent werden es nach Berechnungen des Europäischen Rechnungshofes sein, wenn nicht massiv nachgesteuert wird. Doch die Kontrolle fehlt genauso wie ein Plan mit Visionen für die Zeit nach 2030.
In vier Ländern machten die Rechnungsprüfer genauere Stichproben, nachdem bereits in der Gesamtschau der geförderten Biolandwirtschaft eine Reihe von großen Lücken sichtbar geworden waren: Umwelt- und Marktziele würden „nicht ausreichend“ berücksichtigt, und obwohl der aktuelle Plan besser sei als sein Vorgänger enthalte auch er „weder quantifizierbare Zielvorgaben für die festgelegten Ziele und Maßnahmen noch eine Möglichkeit zur Messung der Fortschritte“. Derzeit sind die EU-Staaten nämlich nicht verpflichtet, brauchbare Statistiken darüber zu liefern, wie sich die Biolandwirtschaft im Zusammenhang mit ihrer üppigen EU-Förderung entwickelt. Erst in den nächsten Jahren wird es wieder verlässlicheres Zahlenmaterial geben.
Wo fassbare Befunde vorliegen, geben diese jedoch Anlass zu Zweifeln. Da ist die Vorgabe, dass von der EU geförderte Biobauern ihre Tiere mit besonderer Schonung halten müssen. Doch von 2015 bis 2020 gab es in Österreich eine Allgemeinverfügung, die es den Haltern erlaubte, den Tieren Hörner, Schwänze und Zähne zu entfernen, sie von der frischen Luft auszuschließen und sie stattdessen im Stall anzubinden. Das ist in Österreich zwar inzwischen Geschichte, wurde auch in Polen 2022 abgeschafft, wird nach den Recherchen der Rechnungsprüfer jedoch „in Italien weiterhin angewendet“.
Große Unterschiede zwischen den EU-Staaten
Die Verbraucher-Erwartung, dass ökologische und biologische Produkte aus ebenso erzeugtem Saatgut gewonnen werden, deckt sich nicht mit den Feststellungen in der Praxis. Sowohl in Italien und Polen als auch in Österreich und Rumänien sei es „gängige Praxis, Ausnahmeregelungen für die Verwendung von nicht ökologisch/biologisch erzeugtem Saatgut zu erhalten“, heißt es im Bericht des Rechnungshofes. Mit dem zunehmenden Umfang der biologisch angebauten Fläche nehme die Zahl der Ausnahmegenehmigungen sogar noch proportional zu. In Rumänien habe sich zwar die zur Futterproduktion genutzte Bioanbaufläche von 2014 bis 2021 mehr als verdoppelt, die Zahl der ökologisch gehaltenen Weidetiere sei jedoch um 75 Prozent zurückgegangen. Der Verdacht liegt also nahe, dass hier zwei Räder, die ineinandergreifen sollten, unkontrolliert aneinander vorbei drehen. Die Biofutteranbauflächen waren zu hundert Prozent von der EU gefördert. Die Auswirkungen aufs Vieh hatten damit immer weniger zu tun.
Kennzeichen der Biolandwirtschaft in Europa ist ihre gewaltige Spreizung. Malta widmet gerade 0,6 Prozent seiner landwirtschaftlich genutzten Fläche für die Öko-Produktion, in Österreich sind es bereits mehr als 25,7 Prozent. Deutschland macht in der Zielsetzung kaum ein anderes Land etwas vor: Bis 2030 will die Bundesrepublik schon die Zielmarke von 30 Prozent Bioanbau an der gesamten landwirtschaftlichen Fläche erreicht haben. Doch beim Ist registrierte der Rechnungshof nach jüngster Statistik für das Jahr 2022 nur äußerst bescheidene 9,8 Prozent. Das reicht unter den EU-Staaten gerade mal für Platz 15. In Luxemburg waren es den Zahlen des luxemburgischen Statistikamtes Statec zufolge im Jahr 2022 gerade einmal 6,3 Prozent der gesamten Agrarfläche, die nach biologischen Kriterien bewirtschaftet werden. Neben den vorbildlichen Österreichern waren auch die Italiener, die Portugiesen, die Schweden und die Esten mehr als doppelt so weit wie die Luxemburger.
Die am Nachmittag in Luxemburg veröffentlichten Daten platzten mitten in eine Sitzung der EU-Agrarminister in Brüssel. Mit auf der Tagesordnung: die neue Förderperiode der Gemeinsamen Agrarpolitik. Noch ist nichts beschlossen, doch für den Zeitraum von 2023 bis 2027 orientieren sich die Strategiepläne bereits daran, die Biolandwirtschaft mit weiteren 14,7 Milliarden Euro zu fördern.
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