Bürgerbeteiligung im Parlament / Viel Zustimmung für Klimabürgerrat
Anfang Oktober präsentierte der Klimabürgerrat, ein unabhängiges Gremium repräsentativ ausgesuchter, interessierter Bürger, 56 Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel und die Erderwärmung. Nachdem die Vorschläge bereits gemeinsam mit den Parlamentariern während eines Hearings erörtert worden waren, beschäftigte sich das Parlament am Dienstag im Rahmen einer Konsultationsdebatte mit dem Bericht des Klimabürgerrates.
Staatsminister Xavier Bettel (DP) unterstrich eingangs, wie wichtig das Thema Bürgerbeteiligung für die Regierung sei und ging anschließend auf die geleistete Arbeit der Freiwilligen ein, die vom Parlament ernst genommen werden sollte. Von der Debatte erhoffe sich die Regierung eine Art Pulsmessung der Politik. Angesichts der teils weitreichenden Vorschläge wolle die Regierung vom Parlament auch wissen, wie weit der Staat in Sachen Bekämpfung des Klimawandels gehen solle; dass das Thema eine ernste Bedrohung auch und besonders für künftige Generationen ist, sei offensichtlich.
Umweltministerin Joëlle Welfring („déi gréng“) erklärte anschließend, wie die Schlussfolgerungen ins nationale Programm für Energie und Klima (PNEC) einfließen soll. Aufgrund der Vorschläge des Klimabürgerrats (KBR), aber auch ausgestattet mit Ideen der Klimaplattform, dem Bericht des Observatoriums zur Klimapolitik werden die Minister für Umwelt und für Energie, Welfring und Turmes, bis Ende Februar 2023 ein Vorprojekt des Gesetzes zur Reform des PNEC vorlegen. Eine weitere öffentliche Konsultation wird danach stattfinden und eine Stellungnahme der Klimaplattform wird eingebunden, ehe zum Abschluss des ersten Semesters 2023 ein fertiges Gesetzesprojekt vorgelegt werden soll. Die Forderungen des KBR, dass die Maßnahmen gegen den Klimawandel schneller erfolgen und intensiviert werden sollen, würden von der Regierung ernst genommen. Dabei müsse die Energietransition für alle Beteiligten fair ablaufen und einen sozial gerechten Charakter haben.
Die Parlamentarier, die anschließend das Wort ergriffen, beschäftigten sich jeweils mit der Form des Bürgerbeteiligungsbeispiels KBR und pickten sich einige der 56 Vorschläge (mit insgesamt 200 Einzelmaßnahmen) zur Bewertung heraus. So unterstrich Paul Galles (CSV), seine Partei sei mit vielen der Vorschläge einverstanden, mit manchen allerdings nicht und betonte beispielsweise, ein Nachhaltigkeitskurs für Schüler und Studenten sei eine gute Idee. Die Wachstumsfrage sei hingegen zu wenig, sprich überhaupt nicht behandelt worden.
Mit der im Bericht angeregten Methode der CO2-Bepreisung zeigte sich die CSV nicht einverstanden, unter anderem wegen der aktuellen ohnehin schwierigen Situation der Bürger. Der KBR hatte angeregt, von allen eine weitaus höhere als die aktuelle Kohlendioxidsteuer einzufordern, diese aber integral, je nach individueller Produktion des Treibhausgases, zurückzuzahlen. Karbonkontrakte, mit denen Betrieben bei der Reduktion von Schadstoffausstoß öffentlich geholfen werden soll, begrüßte Galles. Auch Regeln zum Aufbau von Windkraftanlagen in Wäldern und die Verkürzung der Genehmigungsprozeduren fanden ebenso wie ein Reparatur-Bonus für Haushaltsgeräte Zustimmung bei der CSV, die aber die Nutzung des individuellen Fahrzeugs nicht zu stark verteuern möchte; es gebe nun mal Menschen, die auf ihr Auto angewiesen seien.
Investitionen in Offshore-Windparks
Als neu und mutig bezeichnete Max Hahn (DP) viele Vorschläge des KBR und unterstrich, dass das ursprüngliche Ziel der Regierung, bis 2030 ein Viertel des Energiebedarfs durch Erneuerbare zu leisten, bereits 2025 erreicht werden könnte. Der KBR fordert seinerseits 80 Prozent bis 2030. Luxemburg werde aber nie komplett unabhängig von Energieimporten werden, weshalb es wichtig sei, in Offshore-Windparks im Ausland zu investieren.
Den Wohnungsmarkt betrachtend, meinte Hahn, bei Neubauten sei die energetische Problematik dadurch gelöst, dass diese alle als Passivbauten konzipiert werden müssen; jetzt müsse in die Altbausanierung investiert werden und das geschehe auch durch gezielte staatliche Förderung.
Frankreich, so Cécile Hemmen (LSAP), habe für den KBR Pate gestanden und knapp zwei Dutzend Vorschläge eines ähnlichen Prozesses der Bürgerbeteiligung umgesetzt. Die Forderung nach einer Etikettierung mit Nachhaltigkeitswerten auf landwirtschaftlichen Produkten könnte jedoch zum Wettbewerbsnachteil für nationale Produzenten werden; ohnehin müsse ein ökologischer Index auf EU-Ebene umgesetzt werden. Dass die Verschwendung von Lebensmitteln eingedämmt werden müsse, der Umgang mit Wasser, etwa durch Auffangbecken für Regenwasser, neu überlegt werden müsse oder mehr Sozialwohnungen entstehen müssen, seien Forderungen, die die LSAP nur bekräftigen könne. Die Partei zeigte sich aber ebenfalls skeptisch, was die Umsetzung des KBR-Vorschlags zur CO2-Bepreisung angeht.
Kreislaufwirtschaft auch beim Bau
Für François Benoy („déi gréng“), der zahlreiche Ansätze und Projekte der Regierung lobte, gebe es bei der Kreislaufwirtschaft, besonders der im Bauwesen, noch Luft nach oben. Die Abfallwirtschaft betreffend, begrüßte er unter anderem, dass Luxemburg endlich ein Pfandsystem auf Flaschen einführen möchte. Er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Debatte über die KBR-Vorschläge fortgesetzt werden wird.
Die Politik habe zu starken Einfluss auf den Bürgerrat und dessen Arbeit genommen, vorgegebene Experten hätten die Resultate beeinflusst; wenn die Regierung Demokratie und Bürgerbeteiligung fördern wolle, so solle sie Referenden organisieren, meinte hingegen Fred Keup (ADR).
„déi Lénk“, so Myriam Cecchetti, habe anfangs dem Mehrwert einer Bürgerbefragung skeptisch gegenübergestanden und sogar befürchtet, dass durch diesen ganzen Prozess dringend notwendige Maßnahmen ausgebremst würden. Während ihrer Intervention lobte sie allerdings die vielen guten Vorschläge des KBR. Auch sie lehnte die vorgeschlagene Methode zur CO2-Bepreisung ab. Sozial Schwache könnten nicht immer einfach ihren CO2-Ausstoß reduzieren und riskierten so zusätzlich finanziell belastet zu werden. Cecchetti bedauerte, dass das Thema Grenzgänger nicht im Bericht auftaucht, obwohl manche der Autoren „frontaliers“ seien. Der Rat habe zudem nicht mit der nötigen Freiheit arbeiten können.
Für Marc Goergen (Piraten) sei der ganze Bericht des KBR gleichbedeutend mit einer schlechten Zensur für die Regierung, da dessen Vorschläge weiter reichen würden als die umgesetzte Politik. Viele Vorschläge der Partei würden sich im Bericht des KBR wiederfinden, so Goergen, der unter anderem begrüßte, dass Tiertransporte auf ein Minimum reduziert und Solaranlagen auf Autobahnen gebaut werden sollten.
„Menschen essen kein Gras“
Schließlich ging Martine Hansen (CSV) auf das Kapitel im Bericht zum Thema Landwirtschaft ein und unterstrich, Milch- und Fleischproduktion müssten schon allein deshalb beibehalten werden, da die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche Grünland sei. Da Menschen kein Gras essen, sei die Veredlung dieses Rohstoffs durch Milchwirtschaft und Rindfleischproduktion eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Sie bedauerte, dass sich unter den hundert beteiligten Bürgern kein einziger Landwirt befunden habe und betonte weiter, eine vorgeschlagene Maßnahme des KBR betreffend, es gebe in Luxemburg keine Massentierhaltung, die abgeschafft werden könne.
Nachdem sich auch Gusty Graas (DP) mit den landwirtschaftlichen Aspekten des Berichts befasst hatte („die Investitionen der Landwirte in Viehzucht müssen respektiert werden, es wird ohnehin weniger Fleisch gegessen“) und zum Thema Wasserschutz erklärte hatte, ein Preis von 2,8 Euro pro tausend Liter Trinkwasser sei angesichts zu erwartender Investitionen in die Kläranlagen (vierte Klärstufe) nicht zu halten, gingen die drei Minister Claude Turmes („déi gréng“), Taina Bofferding (LSAP) und Xavier Bettel (DP) zum Abschluss auf einige der Kritikpunkte ein und machten klar, dass die Vorschläge des KBR alle intensiv analysiert würden und die Regierung weiter hinter der Einbeziehung der Bürger in die Entscheidungsprozesse stehe.
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Kein Wunder aber auch dass es von politischer Seite viel Zustimmung für den KBR von politischer Seite gab wurde der CO2 Fussabdruck des Finanzsektors insbesondere von Investmentfonds, die Digitalisierung industrieller und gesellschaftlicher Prozesse und ihre energetischen Auswirkungen und vor allem das luxemburgische Wirtschaftswachstumsmodell und seine Auswirkungen auf die Umwelt NICHT behandelt. Aus der Sicht vieler engagierter Bürger hätte man genau über diese aufgezählten Themen diskutieren müssen! Also immer weiter so nur nicht kritisch werden.