Luxemburg-Stadt / Vier Jahre nach dem tödlichen Unglück auf dem Weihnachtsmarkt: Kein Prozess in Sicht
Vier Jahre sind vergangen, seit ein zweijähriger Junge beim Besuch des Weihnachtsmarktes in der Hauptstadt sein Leben ließ. Einen öffentlichen Gerichtsprozess gab es bisher nicht. Sollte es zu einem kommen, wird es bis dahin wohl noch dauern.
Am Freitag starten die „Winterlights“ in der Hauptstadt. Was bei den einen für Freude sorgt, weckt bei anderen schmerzhafte Erinnerungen. Genau vier Jahre ist es am Eröffnungstag der diesjährigen Ausgabe her, dass ein Zweijähriger bei einem Familienausflug zum Weihnachtsmarkt auf dem hauptstädtischen „Knuedler“ ums Leben kam. Ein zweieinhalb Meter hohes und rund 700 Kilogramm schweres Teil einer Eisskulptur fiel an diesem Sonntagabend um und begrub das Kind unter sich. Warum die Eiswand der Skulptur, die als Fotomotiv genutzt werden sollte, umkippte, ist bis heute unklar.
Fast vier Jahre nach dem Unglück wurde Ende Oktober 2023 aber bekannt, dass die Staatsanwaltschaft gegen neun physische und eine moralische Person Anklage erhebt – mit dem Vorwurf auf fahrlässige Tötung. „Die Bezeichnung ‚moralische Person‘ wurde eingeführt, damit zum Beispiel Gesellschaften oder gemeinnützige Vereinigungen zur Rechenschaft gezogen werden können“, erklärt Henri Eippers von der Pressestelle der Luxemburger Staatsanwaltschaft. Bei einer weiteren Person entschied der Untersuchungsrichter in diesem Fall außerdem, dass es keine Anhaltspunkte für eine Strafverfolgung gibt.
Ratskammer muss entscheiden
Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurde nicht mitgeteilt, wer die Angeklagten sind. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Luxemburg – die die „Winterlights“ jedes Jahr organisiert – ist nicht unter den Angeklagten. Lydie Polfer (DP) hat von dem Abschluss der Ermittlungen erst aus der Presse erfahren. Laut Tageblatt-Informationen befindet sich die gemeinnützige Vereinigung „Luxembourg City Tourist Office“ (LCTO) – die damals den Auftrag zur Anfertigung der Skulpturen an eine Agentur mit Sitz in Frankreich vergab – aber unter den Angeklagten.
Laut deren Statuten wird diese vor Gericht von dem Verwaltungsrat vertreten. Eine solche Bestimmung bedeutet aber nicht, dass das Gremium oder einzelne Mitglieder persönlich verantwortlich für Fehler der Asbl. sind, wie das Justizministerium auf eine allgemeine Nachfrage zu den Prozeduren erklärt. Solange eine Schuld nicht rechtmäßig nachgewiesen wurde, gilt übrigens die Unschuldsvermutung. Ob überhaupt und wann die Schuldfrage bei einem öffentlichen Prozess geklärt wird, liegt nun in den Händen der Ratskammer des Bezirksgerichts Luxemburg.
Denn die sogenannte „Chambre du conseil“ entscheidet, ob sie die Meinung des Untersuchungsrichters teilt und alle Angeklagten – vielleicht aber auch niemanden oder nur einen Teil von ihnen – vor Gericht kommen. Für das Treffen dieser Entscheidung ist die Ratskammer laut Staatsanwaltschaft nicht an eine Frist gebunden. „Das kann ein paar Monate dauern und hängt von der Größe und Komplexität einer Akte ab“, erklärt Henri Eippers, der sagt, dass die Ratskammer unterbesetzt und überlastet ist. Was wichtige Prozeduren nur verlängert.
Schnelle Klärung gefordert
Das lange Warten macht die Ereignisse für Angehörige nur noch schlimmer. „Es sind grausame Fehler passiert und wir wünschen uns, dass endlich aufgeklärt wird, welche. Sodass so etwas nie wieder vorkommen kann“, erklärte der Vater des verstorbenen Jungen, Ragbet Hamza, vor einem Jahr im Gespräch mit dem Tageblatt. Zu dem Zeitpunkt sagte der 42-Jährige aus Kayl auch, dass die Familie sich bewusst sei, dass das Geschehene nicht beabsichtigt war und dafür niemand ins Gefängnis müsse. Er wies aber auch darauf hin, dass es im Interesse aller Beteiligten sei, die Schuldfrage schnellstmöglich zu klären.
„Winterlights 2022“: Technisches Problem als Brandursache
Zu einem weiteren, weniger tragischen Ereignis kam es bei der letzten Ausgabe der „Winterlights“: Auf dem Weihnachtsmarkt bei der „Gëlle Fra“ kam es in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 2022 zu einem Brand. Zwei Holzchalets brannten dabei komplett ab, ein weiteres wurde beschädigt. Verletzt wurde niemand. In einer ersten Reaktion hieß es vor Ort, dass Brandstiftung vorerst ausgeschlossen werden könne. Dennoch nahm die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf und teilte im Mai auf Tageblatt-Nachfrage mit, dass diese noch nicht abgeschlossen waren. Inzwischen ist laut Justiz aber klar: Ein technisches Problem und nicht etwa Brandstiftung war die Ursache der Flammen. Es gab keine strafrechtlichen Folgen und die Akte wurde inzwischen geschlossen.
Wenn die Ratskammer des Bezirksgerichts ihre Entscheidung treffen wird, bedeutet das nicht, dass es gleich zu einem möglicherweise geforderten Prozess kommen muss. In einem Rechtsstaat besteht nämlich die Möglichkeit, gegen diese Entscheidung Berufung einzulegen – noch bevor es vor Gericht geht. Dann entscheidet die Ratskammer des Berufungsgerichts über den weiteren Verlauf. „Sodass es noch nicht heute oder morgen zu einem Prozess kommen wird“, erklärt Henri Eippers. Ein klein wenig Mut kann in dem Fall nur machen, dass die Ermittlungen abgeschlossen und die Prozeduren angelaufen sind. Und man damit einen kleinen Schritt weiter ist als noch vor einem Jahr.
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Le scandale par excellence!
Daat Schleefen lossen vun der Justiz hannlei’st den Nogeschmaach vun der Protektio’un vun den Taeter, vun deenen Schellegen !
Et si la ville de Luxembourg était la responsable ?