Neue Pflegeheim-Richtlinien / Virologe Claude Muller: „Geimpft – sonst bleiben sie draußen“
Die neuen Richtlinien in den Pflegeheimen sollen weitere Infektions-Cluster in den Alters- und Pflegeeinrichtungen vermeiden. Virologe Claude Muller ist nicht überzeugt – und geht hart mit der „Association nationale des infirmières et infirmiers du Luxembourg“ (ANIL) ins Gericht. „Das Pflegepersonal muss sich impfen lassen“, sagt Muller im Gespräch mit dem Tageblatt.
Familienministerin Corinne Cahen (DP) und Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) haben die neuen Richtlinien für die Alters- und Pflegeeinrichtungen vorgestellt. Es ist die erwartete Reaktion auf den Waringo-Bericht, der die Entstehung von Corona-Clustern in den Alters- und Pflegeheimen aufschlüsseln, deren Entstehung erklären und neue Richtlinien zur Vermeidung selbiger Vorfälle vorschlagen sollte. „Wir haben versucht, alles, was der Waringo-Bericht kritisiert hat, hier mit reinzunehmen“, sagt Corinne Cahen auf der Pressekonferenz am Mittwoch. Virologe Claude Muller vom „Luxembourg Institute of Health“ (LIH) hat im Gespräch mit dem Tageblatt die neuen Richtlinien kritisiert – nicht zuletzt, weil der Waringo-Bericht „ënner aller Klarinett“ war.
Zum einen versteht Muller nicht, warum auch nicht-geimpfte Personen in die Alters- und Pflegeeinrichtungen aufgenommen werden. „Die Menschen, die in eine Struktur von Vulnerablen aufgenommen werden wollen, müssen geimpft sein“, sagt Muller. „Sonst bleiben sie draußen.“ Für geimpfte Neuaufnahmen könne ein PCR-Test zusätzliche Sicherheit geben.
Man sei an einem Punkt angekommen, wo man wesentlich besser als mit einem einmaligen Test die Bewohner schützen kann. „Schlussendlich haben wir irgendwann eine Mischung aus geimpften und nicht-geimpften Personen.“ Dann werde eine Mischung aus ungeimpften und geimpften Bewohnern zusammen leben. „Wie soll man damit umgehen?“, fragt sich Claude Muller. „Dann müssen alle als ungeimpft behandelt werden und wir stehen wieder am Anfang.“ Wenn die ungeimpften Personen Besuch bekommen, könne es ohne Weiteres zu Infektionsketten kommen.
Die Regierung setzt zurzeit auf eine flächendeckende Strategie, bei der alle Alten- und Pflegeeinrichtungen nach und nach noch einmal durchgeimpft werden. Wie schon zu Beginn der Impfkampagnen in den Heimen spricht sich Claude Muller bei der dritten Impfung für eine gezielte Vorgehensweise aus: „Da, wo ein Fall auftritt, soll dieses Haus prioritär und möglichst schnell mit einer Booster-Impfung versorgt werden.“
Infektiös nach Impfung
Immer wieder wird die Frage nach der Infektiosität nach einer Impfung gestellt. „Das ist, als würde man die Straße nicht überqueren wollen, weil es keine absolute Sicherheit gibt, dass man heil ankommt“, sagt Claude Muller. „Das Risiko eines Unfalls ist extrem gering.“ Die Wahrscheinlichkeit, dass eine geimpfte Person eine andere geimpfte Person anstecke, sei quasi null – darauf basiere schlussendlich die Herdenimmunität. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Geimpfter einen Ungeimpften anstecke, sei ebenfalls um den Faktor 90 bis 100 reduziert. „Der R-Faktor der Delta-Variante liegt bei 6. Wenn das Umfeld geimpft ist, reduziert sich der R-Faktor auf unter 0,1“, erklärt der Virologe.
Die neuen Besucherregeln, die dem 3G-Prinzip unterliegen, empfindet der Virologe des LIH als nicht optimal: „2G (geimpft oder genesen) wäre natürlich besser – über die 3G-Regel kann man allerdings diskutieren“, sagt Muller. Wenn Besuchern Eintritt gewährt werde, dann nur nach einem negativen PCR-Test – insbesondere dann, wenn der Bewohner nicht geimpft sei. „Auf keinen Fall dürfen Schnelltests, die man zu Hause macht, akzeptiert werden“, betont Muller.
Die neuen Regeln erlegen den Bewohnern ebenfalls eine Maskenpflicht auf – es sei denn, medizinische oder kognitive Gründe würden es nicht erlauben. „Die, die geimpft wurden und einen positiven Antikörpertest gemacht haben, brauchen meines Erachtens keine Maske“, meint Claude Muller dazu.
Personalrichtlinien
Das Personal der Einrichtungen muss laut Richtlinien bei Eintritt geimpft oder genesen sein oder einen negativen PCR-Test mit einer Gültigkeitsdauer von 72 Stunden vorweisen. Tut es das nicht, müssen die Mitarbeiter bei jeder Ankunft an der Einrichtung einen Schnelltest absolvieren. „Das ist ein riesiger Schwachpunkt“, findet Claude Muller. „Die, die sich nicht impfen lassen, werden auch diese Tests eher nicht ordentlich durchführen.“ Es gebe Heime, in denen lediglich 25 Prozent des Personals geimpft seien. „Das Personal, das nicht geimpft ist, hat da nichts verloren“, sagt Muller. Zwei bis drei PCR-Tests pro Woche seien nicht ausreichend.
Auch der Aufruf, die Deontologie des Pflegeberufes zu beachten und sich impfen zu lassen, ist für den Virologen nicht genug „Tatsächlich kommt im Deontologiekodex der ANIL, des Dachverbands der Pflegeberufe, nicht einmal eine Empfehlung vor, die anvertrauten Vulnerablen zu schützen oder sich gar zu impfen“, sagt Muller. Anne-Marie Hanff, Vorsitzende der ANIL, dürfe sich dann auch nicht wundern, wenn der Ton schärfer werde. „Beschwichtigen und schönreden oder sich kurzerhand krankmelden reichen definitiv nicht.“
Insgesamt findet der Virologe des LIH, dass die Richtlinien sehr schwierig zu bewerten seien, da sie eben nur das sind: Richtlinien. „Auch bei zentralen Maßnahmen fehlt die Verpflichtung“, sagt Muller und weist auf die fehlenden oder konfusen Zahlen und nicht erfolgte Sekundäranalysen im Waringo-Bericht hin. Zudem würde mit Einrichtungen mit niedrigen Test- und Impfquoten zu lasch umgegangen.
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„Die, die sich nicht impfen lassen, werden auch diese Tests eher nicht ordentlich durchführen.“ –> Dat ass eng zimlech ongerecht Behaaptung oder hutt Dir eng Etude / Ëmfro dofir, Här Müller?
Soss kann et net gepréift ginn an tendéiert ze deelen, awer net datt et hëlleft.
Absolut einverstanden mit der These: alle Betreuer*innen und das gesamte Pflegepersonal MUSS geimpft sein.
Bei einer Ampel für Fußgänger gibt es gewisse Personen, die auch bei Rot überqueren, anderen bleiben stehen bis sich die Ampel auf Grün umschaltet.
Für die letzteren Personen ist das Überqueren SICHERER als für die die beim Roten Licht überqueren.
Es gibt keine 100%ige Sicherheit aber es gibt ein deutlich sichereres Auftreten.
Wir haben einen Impfstoff, und dieser soll absolut, im Falle einer Pandemie eingesetzt werden.
Die Politiker müssten etwas mehr Zivilcourage zeigen und das Impfen als einen Muss durchsetzen.
@Reinarz,
richtig. Nur der Vergleich hinkt in dem Sinne,dass wer bei rot über die Straße läuft NUR sich selbst in Gefahr bringt. Bei Impfmotzern sind auch andere betroffen.Sonst könnten die Impfgegner einem ja gestohlen bleiben. Sie sind wandelnde Gefahren und sehen das noch nicht einmal ein.
Es darf niemals eine Impfpflicht geben, man sieht ja in unseren Nachbarländern was dann passieren kann. Jeder muss über seinen Körper selber entscheiden, und das muss auch jeder Respektieren. Man erkennt ja schon die Spaltung und hetzte an den Ausdrücken wie „Impfmotzern“, wenn die Gesellschaft so weiter macht haben wir bald Bürgerkriegs ähnliche Zustände. Lieben und Leben lassen…
Wieso wird überhaupt diskutiert, ob Personal das „Recht“ hat ihre Kunden/Patienten in Lebensgefahr zu bringen?
Haben sie nicht, nur das Recht zu kündigen und als Leuchtturmwärter zu arbeiten.
Ich rate immer zu großer Vorsicht bei „einschlägigen und absoluten“ Vorschlägen. Leider gibt es nicht nur „weiß und schwarz“, „richtig und falsch“, „On oder Off“. Außerdem sollte daran erinnert werden dass sich diese Pandemie nicht nur auf Impfen oder Nicht-Impfen einengen lässt. Leider werden die entsprechenden unerlässlichen Hygienemassnahmen allzu oft von der Impfpolemik in den Hintergrund gedrängt. Ein jeder hat die Pflicht und die Verantwortung durch das gewissenhafte Einhalten aller Hygiene- und Barriereregeln Rücksicht auf seine Mitmenschen zu nehmen. Hierzu gehören geimpfte wie auch ungeimpfte Menschen. Dazu gehören allerdings ebenfalls die freie Meinungsbildung sowie das in der Verfassung verankerte Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Das gilt für JEDEN. Deshalb warne ich immer vehement davor verschiedene Meinungsgruppen, Berufsgruppen, Bürgergruppen gegeneinander oder sogar untereinander aufzuwiegeln. All dies bringt uns nicht weiter.
Meiner persönlichen Meinung nach müsste jeder Bürger offen und ehrlich über das Thema Impfung aufgeklärt werden. Was kann die Impfung, was kann sie nicht, was wissen wir und was (noch) nicht, welches sind die Risiken und Nebenwirkungen, was sind die Vorteile, welches ist der Risiko-Nutzen Faktor innerhalb verschiedener Alters- oder Risikogruppen. Leider findet man im Internet nur gegensätzliche Informationen. Die meisten Bürgen verfügen logischerweise nicht über das entsprechende Fachverständnis um „Richtig von Falsch“ sowie verschiedene wissenschaftliche Hypothesen richtig einordnen zu können.
Auch innerhalb der verschiedenen Expertengruppen von Immunologen, Virologen sowie Ärzten gibt es gegensätzliche Meinungen. Dies ist auch legitim und richtig. Niemand hat die Wahrheit gepachtet. Besteht der wissenschaftliche Diskurs deshalb nicht schon seit jeher aus verschiedenen Ansichten und Hypothesen sowie gegenseitigem Respekt?
Deshalb sollte davon abgesehen werden allzu plumpe „Impf-Reklame“ über die Mainstream-Medien verbreiten zu lassen.
Eine etwas mehr auf wissenschaftliche Fakten bezogene neutrale Aufklärung könnte eher helfen die Entscheidungsfindung zu erleichtern.
Mit Verstehen, Zuhören, Toleranz, Verständnis und Respekt kommen wir alle wesentlich besser durch diese Krise.
@ Reinarz+HTK/ Ich schliesse mich Ihren Kommentaren 100%tig an.
An da get et jo och nach den Impfduerchbroch, et sief de Virus gif an deem Fall, gnädecher Weis, kee méi infizéieren. An éier ee Zombie elo vu charge Viral schwetz einfach googlen an erausfannen dass bei Delta d’Charge Viral déi nemmlecht as bei Impfduerchbrech wéi bei Ongeimpter oder verständlech fir all Impadikter: esou lang wéi keng 100% Immunitéit duerch d’Impfung erreecht get as déi Propose fir déi eeler Leit ze schützen illusoresch, sie erlaabt just Gudmenschen een Gudgewessen. A bon entendeur.
Ich bin bis jetzt gut durch die Coronazeit gekommen und habe nicht mal einen Schnupfen erwischt, weil das Pflegepersonal, das zu mir kam, sich an die Vorschriften der Hygienemassnahmen gehalten hat. Ich stelle allerdings fest, dass die Disziplin nachlässt: Viele meinen, da sie ja jetzt geimpft seien, bräuchten sie keine Masken mehr zu tragen, obwohl immer wieder gewarnt wird, dass auch Geimpfte das Virus noch übertragen können. Besteht man aus eigenen Sicherheitsgründen auf dem Masketragen, macht man sich unbeliebt
@alain koch Danke für den differenzierten Kommentar!
@Koch,
„Mit Verstehen, Zuhören, Toleranz, Verständnis und Respekt kommen wir alle wesentlich besser durch diese Krise.“
Sie hätten beten noch hinzufügen können. Wie tolerant ist denn ein Impfverweigerer? Was eine Impfung kann ist seit Jenner(Pocken) bekannt. Der Rest ist wirklich Halbwissen aus dem Internet,da haben sie Recht. Vielleicht waren die Mutationen nur möglich WEIL wir nicht weltweit und schnell impfen konnten? Aber das ist auch nur eine Hypothese……über die man aber nachdenken könnte.