Nahost-Konflikt / Völkermord-Vorwurf in Gaza: Spanien schließt sich Klage vor UN-Gerichtshof an
Als erstes EU-Land wird sich Spanien der von Südafrika gegen Israel erhobenen Klage vor dem Internationalen Gerichtshof wegen Völkermords anschließen. Dies gab am Donnerstag überraschend der spanische Außenminister José Manuel Albares bekannt. Diese Entscheidung sei vor dem Hintergrund gefallen, dass Israel die Anordnung des Internationalen Gerichtshofs (IGH) ignoriere, die Angriffe auf die Zivilbevölkerung in Gaza einzustellen und humanitäre Hilfe für die Menschen in dem Palästinensergebiet zuzulassen.
Der Schritt Spaniens erfolgte ohne Absprache mit der Europäischen Union, die in ihrer Haltung gegenüber Israel zerstritten ist. Allerdings führte Madrid über das Thema bilaterale Gespräche mit mehreren europäischen Ländern, die ähnlich wie Spanien dafür eintreten, den Druck auf Israel zu erhöhen. Nach Angaben von Spaniens Außenminister Albares erwägen auch die EU-Staaten Belgien und Irland, die Klage vor dem IGH in Den Haag zu unterstützen. Der IGH ist das höchste Rechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen.
Bereits vergangene Woche hatte Spanien, eines der vier wichtigen EU-Kernländer, mit der Entscheidung Aufmerksamkeit erregt, Palästina als eigenen Staat offiziell anzuerkennen. Spanien ist hinsichtlich der Einwohnerzahl und der Wirtschaftskraft nach Deutschland, Frankreich und Italien das viertgrößte EU-Land. Dies sei „eine Frage der historischen Gerechtigkeit im Hinblick auf die legitimen Bestrebungen des palästinensischen Volkes“, begründete Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez die Anerkennung.
Zeitgleich mit Spanien hatten auch Irland und Norwegen die Palästinensergebiete als unabhängiges Land anerkannt. Irland gehört ebenfalls zur EU. Norwegen ist kein EU-Mitglied, ist aber Teil des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Insgesamt wird Palästina inzwischen von elf EU-Staaten anerkannt. Neben Spanien und Irland sind dies Schweden, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Zypern, die Slowakei, Tschechien und Slowenien.
Zoff-Potenzial in der EU
Nun, mit der Unterstützung der Völkermord-Klage in Den Haag, beschließt Spanien eine weitere Maßnahme, die in der EU für heftige Debatten sorgen dürfte. Der spanische Außenminister Albares sagte, es sei wichtig, dass Europa und die Weltgemeinschaft das IGH unterstützen. Er erinnerte daran, dass das UN-Gericht am 24. Mai gegenüber Israel angeordnet hatte, die Offensive in der Palästinenser-Stadt Rafah zu stoppen, humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Gaza nicht länger zu blockieren und die Zerstörung der zivilen Infrastruktur zu beenden. Israel kam dieser Anordnung aber nicht nach.
„Wir haben unsere Entscheidung vor dem Hintergrund der Fortsetzung der Militäroperation in Gaza getroffen, wie wir sie in den letzten Tagen traurigerweise gesehen haben“, sagte Albares. „Es handelt sich um einen groß angelegten Krieg, der nicht zwischen zivilen und militärischen Zielen unterscheidet.“
Mit großer Sorge beobachtet Spanien auch das steigende Risiko einer regionalen Ausweitung des Konflikts. Mit der Unterstützung der Klage gegen Israel wolle Madrid die Aushandlung eines dauerhaften Friedens fördern. Albares vermied eine klare Aussage dazu, ob in Gaza tatsächlich ein Völkermord stattfinde. Es sei Aufgabe des Gerichts, darüber zu urteilen, sagte er. Madrid werde die Entscheidung der Richter respektieren und unterstützen.
Spanien gehört in Europa zu den schärfsten Kritikern des militärischen Vorgehens Israels im Gazastreifen. Die Sánchez-Regierung hatte schon im Oktober alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt. Mit Waffen beladene Frachtschiffe anderer Staaten dürfen nicht in spanischen Häfen anlegen.
Dass Madrid ausgerechnet kurz vor der Europawahl erneut den Druck erhöht, ist möglicherweise kein Zufall. Einer Umfrage des unabhängigen Elcano-Instituts zufolge glaubt eine große Mehrheit der Spanier, dass in Gaza tatsächlich ein Völkermord verübt wird und dass Sanktionen gegen Israel verhängt werden sollten. Die jüngste Entscheidung Madrids, die Klage vor dem IGH zu unterstützen, könnte sich also für Spaniens sozialdemokratischen Premier Sánchez in Wählerstimmen auszahlen.
Den Beziehungen zu Israel wird dieses Vorgehen jedoch sicherlich nicht zugutekommen. Israel antwortete Spanien bereits nach der Anerkennung Palästinas mit diplomatischen Gegenmaßnahmen. Die israelische Botschafterin wurde zurückgezogen, die diplomatischen Aktivitäten der spanischen Vertretung in Israel wurden eingeschränkt. Und es folgte die Drohung gegenüber allen internationalen Israel-Kritikern: „Wir werden jedem Schaden zufügen, der uns Schaden zufügt.“
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