/ Vom dunklen Erbe eines armen Staates: Eine Luxemburger Ministerin auf den Minenfeldern von Laos
Vanxay Soulivongs Arbeitswerkzeug ist der Metalldetektor. Die 40-Jährige aus Luang Prabang geht bedächtig durch ein abgeholztes Waldstück 20 Kilometer nördlich der Stadt, die alle nur wegen ihrer Tempel kennen. Unesco-Weltkulturerbe. Und dazu eines, das den Titel verdient hat. Die Stadt im nördlichen Laos zieht ihre Besucher in den Bann. Vom ersten Moment an. Vanxay aber kümmert sich um ein anderes Erbe. Ein trauriges. Und ein gefährliches dazu.
Der südostasiatische Binnenstaat, eingepfercht zwischen den großen Nachbarn Thailand und Vietnam, ist verseucht. Die Seuche ist gut versteckt, hat sich eingegraben in den Boden. Mal zwei Handbreiten unter die Oberfläche, mal fünf Meter, mal fünfzehn. Das macht die Sache so bedrohlich. Und so unberechenbar.
Mehr Bomben als im Zweiten Weltkrieg
Die Ebenen und die Berge, die Städte und der Dschungel, die Plantagen und die Reisfelder – überall liegen sie, die Erinnerungen an einen längst vorbeigezogenen Krieg. Die Amerikaner ließen während des Vietnamkrieges, der präziser Zweiter Indochinakrieg genannt wird, Bomben regnen. Über einen Staat, der in etwa so groß ist wie Großbritannien, aber nur knapp sieben Millionen Einwohner zählt. Von 1964 bis 1973 fielen hier so viele Geschosse vom Himmel wie im gesamten Zweiten Weltkrieg zusammen. Zwei Millionen Tonnen waren es – die Bilanz aus 500.000 Bomberflügen. Ein Drittel davon, so wird geschätzt, sind nie explodiert.
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Oder besser gesagt: noch nicht explodiert. Vor allem die geschätzten 270 Millionen sogenannten “Bombies”, der Tennisball-große Inhalt der Streubomben, ist auch heute noch eine tödliche Gefahr. 80 Millionen Stück sollen noch scharf sein. Rund zwei Millionen wurden bislang entschärft. In der Militärtaktik dienen Landminen der Verzögerung der Angriffsbewegungen des Gegners, sie sollen verletzen, verstümmeln. “Bombies” haben eine andere Bestimmung – sie sollen töten.
Auch heute sterben noch Menschen
Im Schnitt geht alle zwei Wochen eine dieser Erinnerungen hoch. Auch heute noch sterben deswegen Laoten oder werden fürchterlich verwundet, oft sind Kinder die Opfer. Vanxay will ihr Land davon befreien. Das mache sie stolz, sagt sie, Angst habe sie keine. “Nur meinen Kindern muss ich jeden Morgen sagen, dass ihre Mutter am Abend wieder da sein wird.” Seit 20 Jahren fährt sie in ihrer hellbeigen Uniform raus in den Dschungel. Die Beseitigung des lauernden Todes, für Vanxay ist das der Alltag.
Am Freitag wird die Routine unterbrochen. Besuch aus dem fernen europäischen Ausland hat sich angekündigt. Das kommt nicht alle Tage vor, und so ist die Aufregung greifbar, als die Jeeps mit den Gästen aus Luxemburg an der Lichtung entlang eines gerade mal so befahrbaren Dschungelweges ankommen. Paulette Lenert, Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit und mit einer Delegation seit einer Woche in Laos unterwegs, will sich ein Bild machen von der Arbeit, die von den Vereinten Nationen vor Ort geleistet wird. Unterstützt wird hier die von der laotischen Regierung geleitete Mission LAO UXO. Das sind die Frauen und Männer, die das Land von nicht explodierten Bomben säubern.
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Die Ministerin am Fernzünder
Luxemburg ist äußerst aktiv in Laos, dies seit vielen Jahren. Entsprechend eng sind die Bande. Der kommunistische Staat ist eines der Entwicklungspartnerländer des Großherzogtums. Von den sieben Partnerländern bekommt Laos die zweitmeiste Unterstützung. Neben vielen bilateralen Projekten, wo Luxemburg alleine gezielt in Ausbildung, Krankenhäuser oder ländliche Entwicklung investiert, fließt auch Geld in das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen UNDP. Im aktuellen Kooperationsabkommen sind das 600.000 Euro, verteilt über fünf Jahre. 2021 läuft das Programm aus. Geplant ist, es weiterzuführen.
Auch das ist ein Grund für den Besuch. Paulette Lenert will genau diese Botschaft an die Menschen bringen: keine Sorge, Luxemburg wird weiterhin helfen. Die Besucher werden erst auf abgesicherten Pfaden in ein Waldstück geführt. Später wird die LSAP-Politikerin eine der von LAO UXO gefundenen Bomben aus der Ferne hochgehen lassen. Sie kniet am Fernzünder, kurbelt diesen an, wenig später knallt es dreimal. Fast alle Anwesenden zucken zusammen. Ein Spaß ist das nicht. Die Besucher mussten zuvor ihre Blutgruppe in ein Formular eintragen – trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, ein Restrisiko bleibt immer bestehen.
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Aus Bomben wird Besteck
Wie sehr Laos mit den Bomben verwachsen ist, verdeutlicht der weitere Umgang mit ihnen. Das Metall wird geschmolzen und zu Besteck oder Werkzeug weiterverarbeitet, die Gehäuse der “Bombies” werden zu Kerzenhaltern, die Hüllen der Bomben zu Zäunen, teilweise werden sie genutzt, um etwas wegzusprengen, Gelände zugänglich zu machen.
Die Laoten haben sich ihres von außen eingebrachten Erbes angenommen. Was sollen sie sonst auch tun? Die Welt, auch die Amerikaner, hilft zwar. Der Alltag damit aber gehört nur ihnen. Danach befragt, wie sie zu den Amerikanern und dem Krieg stehe, antwortet Vanxay einfach daran vorbei. „Ich bin stolz, meinem Land zu helfen“, sagt sie, mehr nicht. Der Blick ist nur einmal kurz nachdenklich, das Lachen schnell wieder zurück, „Angst habe ich nie“.
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Luxemburg will weiterhelfen
Problematisch bleibt der Druck der bitteren Armut, vor allem auf die Menschen in abgelegenen Bergregionen. Obwohl von der Regierung verboten, wird im Dschungel nach Bomben gesucht – das Kriegsmetall ist viel wert für den, der nichts besitzt. Auf dem Schwarzmarkt verkauft, bringt eine 700-Pfund-Bombe umgerechnet knapp 200 Euro ein. Das entspricht annähernd dem Jahresgehalt eines Dorfbauern oder Lehrers. Die Gefahr ist zwar beträchtlich, die Versuchung jedoch ebenso.
Laos, die Armut und die Bomben, es ist ein Teufelskreis. Wo zu viele Bomben liegen, kann es keine Landwirtschaft geben, müssen Infrastrukturprojekte wie Straßenbau abgebrochen werden. Die Arztkosten für ein Bombenopfer können ein ganzes Dorf in den Ruin treiben, die Familie sowieso.
Wie lange es noch dauern wird, bis Laos sein dreckiges Erbe los ist, kann keiner genau sagen. 20 Jahre, 30 Jahre oder auch nie – alles ist möglich. Sogar gesäuberte Regionen sind nur bedingt sicher. Die Bomben bewegen sich unter dem Boden. Ein Erdrutsch, eine Flut oder auch nur Dauerregen, und man steht wieder am Anfang.
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Vanxay wird ihre Kinder weiter beruhigen müssen
Vanxays Auftrag und der ihrer knapp tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist längst nicht beendet. Alleine wird der bitterarme Staat Laos diese Aufgabe nicht stemmen können. “Wir haben vor, unsere Unterstützung auch über 2021 hinauszuführen”, sagt Paulette Lenert den laotischen Männern und Frauen im Dschungel nahe Luang Prabang. Für Vanxay und alle anderen Laoten ist das eine gute Nachricht. Alleine können sie dieser Herkulesaufgabe nicht Herr werden.
Die Hitze ist erdrückend, der Boden aufgeweicht vom Regen. Es ist ein kleines Stück Land nur, das gerade bearbeitet wird. Bald soll hier Landwirtschaft möglich werden. Dann ziehen sie weiter, die Frauen und Männer in ihren hellbeigen Uniformen. Vanxay wird ihren Kindern auch in Zukunft versichern müssen, dass sie am Abend wieder gesund zu ihnen zurückkommt. Und ein Teil des Geldes, das diese Arbeit ermöglicht, wird weiterhin aus Luxemburg kommen.
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Und was ist mit den armen Menschen in Luxemburg die jeden Tag schauen müssen wie sie überleben, aber eine Ministerin fährt mit einer Delegation nach Laos was wieder hunderttausende von Steuergeldern kostet.
Menschlichkeit hin oder her meiner Meinung nach sind die eigenen Landsleute wichtiger als Fremde, aber mit Geld ausgeben an andere ist unsere Regierung im Ranking ganz weit vorne.
Denkt lieber mal an die minderbemittelten Luxemburger die sogar ins Ausland ziehen müssen weil sie sich im eigenen Land nichts mehr leisten können.
„Menschlichkeit hin oder her“ bringt Ihre Haltung tatsächlich sehr treffend auf den Punkt, denn ihre Menschlichkeit gilt wohl nur denjenigen, welche die luxemburgische Version des Ariernachweises erbringen können. Es ist bestimmt wundervoll, wenn der eigene Horizont nur bis zur Mosel reicht, aber die Welt ist nunmal ein bisschen größer.
„Wie sie überleben…“ das Risiko, hierzulande auf dem Weg zur Arbeit auf eine Landmine zu treten, ist doch recht überschaubar. Überleben heißt konkret „am Leben bleiben“ und nicht „in eine kleinere Wohnung ziehen müssen“ oder „fünf Tage die Woche Nudeln essen“ Das ist zwar auch kein schönes Schicksal, aber der qualitative Unterschied ist nicht zu vernachlässigen. Allein, wenn Ihnen die Grundstückspreise in Luxemburg zu hoch sind, lässt sich das mit ein paar Tonnen verscharrten Bomben auf dem Bridel und dem Kirchberg leicht beheben. Werden Sie kreativ! Zehn Euro den Quadratmeter haben die Piraten gefordert, dafür sprengen wir dann ein paar im Wald spielende Kinder, dann klappt das schon.
600.000 Euro beträgt die luxemburgische Entwicklungshilfe in Laos. Dafür kriegen Sie in den beiden oben genannten Ortschaften in Luxemburg kaum ein Grundstück. Wie wäre es also, wenn wir nicht gleich weiche Knie vor Neid bekommen, wenn jemand anders eine Geldsumme erhält, die unsere feuchte Beamtenfantasie übertrifft, sondern uns eingestehen, dass die Immobilienkrise in Luxemburg ein über Jahre hausgemachtes Problem ist, an dem sämtliche Grundbesitzer kräftig mitspekuliert haben und wir auch einige dieser Leute zu unseren Freunden zählen. Und dass dieses strukturelle Problem sich wohl kaum dadurch lösen lässt, in dem wir dem wir das oben erwähnte Lehrergehalt (denn das ist es, auf fünf Jahre gesehen) den Leuten verwehren, die mit unseren Immobilien garantiert nichts am Hut haben. Vielmehr wäre es angebracht, auf Gesetzesvorhaben zu drängen, die Enteignungen ermöglichen, einen progressiven Steuersatz auf Mieteinnahmen anzuwenden o. ä.
Die sozialen Verwerfungen in Luxemburg werden sicher nicht im Laos bekämpft, da haben Sie recht. Aber das armselige Rumgemosere wegen ein paar läppischer Taler ist im besten Fall schaler, unreflektierter Neid, im schlimmsten Fall schlecht kaschierter Rassismus. Vielleicht fällt Ihnen nächstes Mal ja ein konstruktiver Beitrag zur Diskussion ein.
@Tom – Kompliment! Treffender kann man sich kaum ausdruecken
@ glenmore: Jo, absolut! Kommt mir kucken just no eis op eiser klénger Inselchen Lëtzebuerg!! Et get secherlech Armut bei eis….et schéngt mir awer komplett déplaceiert dat sou einfach mat deene Konditiounen an Opportunitéiten ze vergläichen an deene vill Leit an sougenannten Entwécklungslänner sech mussen eremschloen! E bessen iwert den Tellerrand kucken as nach wie vor netzlech iert en sech erlabt esou pauschal Kommentaren hei of ze gin!
awer eppes Konkretes muss dobei erauskommen…net nemmen dass Politiker sech do weisen gin an dat war et dann…wei esou oft.
Schein! Moody huet seng eischt Rées kritt! Mär bezuelen gär! ?????. P.S. Dat wiren e puur Päck Nuddelen oder Säck Reis gin!