Gesundheit / Vom Hype ins Koma: Wie gut sind wir vor gefälschten Medikamenten geschützt?
Es ist ein wahrer Hype. Robbie Williams, Elon Musk und die Kardashians sollen es genommen haben, um abzunehmen. Dabei ist Ozempic eigentlich ein Medikament gegen Diabetes Typ II. Der Hype geht so weit, dass Diabetiker teilweise lange darauf warten müssen, weil es nicht lieferbar ist. Und noch viel gefährlicher: Es sind gefälschte Versionen des Medikaments im Umlauf.
Die Nachricht ist noch relativ frisch. Vor rund einem Monat berichtete die belgische Tageszeitung Het Laatste Nieuws von einer 45-jährigen Frau, die nach Einnahme von gefälschtem Ozempic ins Koma gefallen ist. Das Produkt enthielt die fünffache Dosis an Insulin. Die Frau hatte die Spritze aber genommen, um abzunehmen.
Nach Angaben der belgischen Tageszeitung Le Soir hat die „Föderale Agentur für Arzneimittel und Gesundheitsprodukte“ (FAAG) in den 14 Monaten zwischen Januar 2023 und März 2024 28 Postpakete mit 51 Paketen Ozempic und weniger bekannten Alternativen abgefangen, die sich als illegal bestellte Produkte herausstellten.
Von diesen 51 Paketen enthielten 17 gefälschte Medikamente. „In Luxemburg sind noch nie gefälschte Medikamente in Apotheken entdeckt worden“, sagt Laurence Ponchaut (53), die Direktorin der „Luxembourg Medicines Verification Organization“ (LMVO). Hauptaufgabe der Organisation mit Sitz auf dem Kirchberg ist es, entlang der Lieferkette sicherzustellen, dass keine gefälschten Medikamente auf den luxemburgischen Markt gelangen. Jeder Mitgliedstaat hat eine solche Stelle.
Ein neuer Code und ein Alarmsystem
Um dem Handel mit gefälschten Medikamenten entgegenzuwirken, hat die EU die „Falsified Medicines Directive“ erlassen, die Luxemburg und Belgien als drittes und viertes Land in der EU nun umgesetzt haben. Das teilte die LMVO gestern in einer Pressemitteilung mit. Die Direktive soll verhindern, dass gefälschte Medikamente in die legale Vertriebskette gelangen.
Von nun an müssen Produkte, die eine Warnung vor einer möglichen Fälschung auslösen, unter Quarantäne gestellt werden, heißt es in der Mitteilung weiter. Welche Medikamente „unsicher“ sind und welche nicht, zeigt ein neu eingeführter Code auf den Verpackungen. Einmal gescannt warnt er im Zweifelsfall über eine Plattform („Nationales Warnsystem“) in Echtzeit Apotheker, Hersteller, die Abteilung für Pharmazie und Arzneimittel (DPM) des Gesundheitsministeriums und die LMVO.
Der Code enthält Angaben zur Seriennummer, die Nummer der Charge und das Datum des Ablaufs des Medikaments. „In Großbritannien wurden so falsche Ozempic-Medikamente, die auch bei den Apotheken im Umlauf waren, entdeckt“, sagt LMVO-Direktorin Ponchaut. „In Luxemburg ist der Online-Handel von dafür autorisierten Apotheken auf Medikamente, für die es keine Verschreibungspflicht gibt, begrenzt.“
Weltweiter Markt für gefälschte Medikamente
Gleichzeitig warnt sie vor Internetseiten, auf denen sehr wohl Medikamente zweifelhaften Ursprungs angeboten werden, die illegal sind. Konkret nennt Ponchaut das Potenzmittel Viagra aus indischer Produktion. In Belgien betrifft es nach Angaben von Ponchaut hauptsächlich Ozempic, das aus dem Online-Handel stammt.
Deshalb warnt die LMVO in ihrer Pressemitteilung ausdrücklich davor, woanders als bei Apotheken und für den Onlinehandel autorisierten Apotheken Medikamente zu kaufen. Ob es weitere Fälle bei anderen Medikamenten gibt, lässt sie offen – genauso wie die Frage nach den Ländern, die diese falschen Medikamente produzieren.
Nur so viel: „Deshalb hat Europa dieses System zum Schutz des Patienten installiert“, sagt Ponchaut. „Weltweit ist der Markt mit gefälschten Medikamenten nicht zu unterschätzen.“ Der deutsche Pharmariese Bayer beziffert den weltweiten Umsatz mit gefälschten Medikamenten auf seiner Webseite mit 73 Milliarden Euro und beruft sich dabei auf Angaben der WHO.
Aus der gleichen Quelle geht hervor, dass in bestimmten Gebieten Afrikas, Asiens und Südamerikas mehr als 30 Prozent der gehandelten Arzneimittel Fälschungen sind. Die häufigsten Fälle von gefälschten Medikamenten gibt es bei Antibiotika und Schmerzmitteln, wie der letzte verfügbare Bericht „Globales Überwachungs- und Kontrollsystem für minderwertige und gefälschte Produkte“ der WHO aus dem Jahr 2017 zeigt. Daraus geht ebenfalls hervor, dass sich schon damals die Fälschungen nicht mehr nur auf Krebs-, Malaria- oder Verhütungsmittel beschränken, sondern längst auch Lifestyleprodukte erreicht haben.
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