Fünfbrunnen/Cinqfontaines / Vom Kloster zum pädagogischen Zentrum und Shoah-Mahnmal
Am Mittwoch haben die Herz-Jesu-Pater den symbolischen Schlüssel von Kloster Fünfbrunnen (Cinqfontaines) der Luxemburger Regierung übergeben. Der Ort nahe Ulflingen soll in Zukunft pädagogische Aktivitäten für Kinder und Jugendliche anbieten und zugleich als Mahnmal für die Shoah fungieren. Wie wichtig ein solcher Ort ist, führt uns der aktuelle Ukraine-Krieg vor Augen. In den nächsten Wochen sollen dort rund 50 Flüchtlinge aufgenommen werden.
Direkt neben Ulflingen (Troisvierges) befindet sich das Kloster Fünfbrunnen. Der Ort ist sehr abgeschieden und nur über schmale Feldwege zu erreichen. Am Mittwoch fand die symbolische Übergabe des Schlüssels an die luxemburgische Regierung statt. Pater Joseph Famerée überreichte ihn in seiner Funktion als „Supérieur provincial des prêtres du Sacré-Cœur“ an Minister Marc Hansen. Letzterer vertrat Bildungsminister Claude Meisch, der am Vortag positiv auf Covid-19 getestet wurde und sich deshalb in Isolation befindet. „Es war uns wichtig, dass ein Vertreter der Regierung heute hier anwesend ist“, sagte Hansen, der seine Termine etwas umdisponieren musste.
Der Verkaufsakt wurde am 31. Dezember 2020 unterschrieben. Um den Verkauf überhaupt zu ermöglichen, mussten seitens der Kirche viele Hürden durchlaufen werden. „Das ging bis zum Heiligen Stuhl“, sagte Pater Joseph Famerée. Doch am Ende gab der Nationalrat der Herz-Jesu-Pater grünes Licht. Fünfbrunnen war bereits vor dem Besitzerwechsel als nationales Geschichtsmonument klassiert worden. Der Staat wird ein pädagogisches Zentrum für junge Menschen sowie ein Dokumentationszentrum in Erinnerung an die Shoah dort einrichten. „Wir sind nicht ohne Bedauern, dass wir dieses schöne Anwesen verlassen müssen“, sagte Famerée.
In einem kleinen Exkurs erläuterte er die Entstehungsgeschichte des Klosters. Das Haus Fünfbrunnen wurde demzufolge durch die deutschen Herz-Jesu-Priester gegründet. Sie erwarben das Anwesen vor über hundert Jahren vom damaligen Clerfer „Député-maire“ Emile Prüm, um dort ein Noviziat für die Ausbildung der Pater einzurichten. Zum Anwesen gehörten ein alter Bauernhof, ein kleines Wohnhaus, eine Scheune, ein Stall, mehrere Nebenhäuser, landwirtschaftliche Acker sowie einige Wälder im Umkreis. Die Mühle sei damals noch vom Müller und seiner Familie bewohnt worden. Am 1. Juni 1903 begab sich Pater Liborius Tillmann mit einigen Novizen nach Fünfbrunnen. Ein provisorisches Oratorium für die täglichen Gebete wurde in einem Gebäude eingerichtet, das bis dahin den Arbeitern der Bahn als Kantine gedient hatte. Die heilige Messe wurde im Nachbarort Sassel zelebriert.
Fahrten ohne Rückkehr
In den Folgejahren waren viele Arbeiten nötig, um die bestehenden Gebäude richtig nutzen zu können. Es wurde ein wenig Landwirtschaft und Viehzucht betrieben, um die dort angesiedelte Gemeinschaft zu versorgen. 1905 fingen die Novizen an, vor Ort Steine auszuheben, um mit dem Bau des Klosters zu beginnen. Hilfe bekamen sie im Sommer von den Scholastikern aus Luxemburg. Der Bau begann im Frühling 1906 und endete im November 1907. Zahlreiche Novizen wurden anschließend dort ausgebildet. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Kloster von der deutschen Gestapo besetzt. Viele Novizen und junge Pater wurden in die deutsche Armee eingezogen. „Die jüdische Gemeinschaft in Luxemburg durchlebte die Shoah“, sagte Pater Famerée.
Zwischen 1941 und 1943 wurden dort 350 bis 400 Menschen jeden Alters, auch Kinder, unter unmenschlichen Bedingungen interniert„Supérieur provincial des prêtres du Sacré-Cœur“
Wegen der Abgeschiedenheit des Klosters haben die Nazis ihn zu einem Ort der Zwangseinweisung für Juden umfunktioniert und es offiziell als jüdisches Altenheim bezeichnet. „Zwischen 1941 und 1943 wurden dort 350 bis 400 Menschen jeden Alters, auch Kinder, unter unmenschlichen Bedingungen interniert“, so der Pater. Im Oktober 1941 fuhr der erste Zug zum Ghetto nach Lodz. Nach einer Pause von sechs Monaten folgten sechs weitere Züge aus Luxemburg zu den Ghettos und Vernichtungslagern von Theresienstadt, Izbica und Auschwitz. „Es waren Fahrten ohne Rückkehr“, betonte Pater Famerée. Nur 24 Juden konnten nach der Befreiung der Lager wieder nach Hause kehren. Um die Erinnerung an diese dunkle Zeit der Geschichte lebendig zu halten, wurde 1969 ein Mahnmal neben dem Kloster Fünfbrunnen errichtet. Von 1950 bis 1989 beherbergte das Kloster jeden Sommer Ferienkolonien für Kinder, die von der Caritas organisiert wurden. Die Hauptfunktion des Klosters war ab 1961 jene eines Altenheims. „Daneben wurde Fünfbrunnen zu einem geschätzten spirituellen Zentrum“, so der Pater.
Es geht darum, nach hinten zu schauen, um Sachen zu verstehen und es geht auch darum, nach vorne zu blickenMinister
„Es ist ein Projekt, das einen lebendigen Gedenkort unterstützt“, sagte Minister Hansen. Wie in der Vergangenheit sollen auch in Zukunft junge Menschen nach Fünfbrunnen kommen können, um Werte zu schätzen, zu verstehen und weiterzuvermitteln, so der Minister. Hansen knüpfte an die aktuelle Situation mit dem Krieg in der Ukraine an. Das seien die Themen, die hier besprochen werden sollen. „Es geht darum, nach hinten zu schauen, um Sachen zu verstehen und es geht auch darum, nach vorne zu blicken.“ Dem Abkommen mit der jüdischen Gemeinschaft zufolge werden das „Zentrum für politische Bildung“ (ZpB) und der „Service national de la jeunesse“ (SNJ) zahlreiche pädagogische Aktivitäten auf Fünfbrunnen anbieten. Daneben soll das Anwesen laut Hansen auch ein Platz für die jüdische Gemeinschaft sein. Das Kloster soll dem Minister zufolge ein Haus für die ganze Region werden und von Schulen, Jugendhäusern, kulturellen Akteuren und dem Tourismus genutzt werden können.
50 Flüchtlinge aufnehmen
„Trotz der Anstrengungen, die wir unternehmen, sehen wir, was sich unweit von uns abspielt“, sagte Hansen. Es sei alles unerklärlich, was man da sehe. „Deshalb müssen wir die Anstrengungen, die wir bislang unternommen habe, weiter hochhalten, um das zu vermitteln, was alles an Grausamkeiten in Kriegen entsteht“, so der Minister. „Ein erstes symbolisches Zeichen, das in den Geist dieses Projekts passt, ist die Aufnahme von rund 50 Flüchtlingen aus der Ukraine im Kloster Fünfbrunnen“, so Hansen. Dies werde in den nächsten Wochen stattfinden. Am 27. April soll ein erster Workshop für Akteure aus der Region im Kloster angeboten werden. Die Renovierungsarbeiten schätzt Hansen auf 17,5 Millionen Euro.
Als wir dies konzipiert haben, wussten wir noch nichts über den Krieg in der Ukraine. Die Realität hat uns hier schnell eingenommen.Direktor des Zentrums für politische Bildung
SNJ-Direktor Georges Metz teilte die Aktivitäten in drei Bereiche ein. Jene des SNJ, jene des ZpB sowie die Zusammenarbeit mit den Akteuren der Region. ZpB-Direktor Marc Schoentgen sagte, dass man beim Konzept der Aktivitäten Vorbilder aus dem nahen Ausland herangezogen habe. Dabei habe man den Fokus sowohl auf die Jugendarbeit als auch auf die politische Bildung gelegt.
„Fünfbrunnen soll keine Schule sein“, sagte Schoentgen. „Wir wollen anders an die Themen herangehen, als man dies in der Schule tun würde“, betonte er. Man müsse der Atmosphäre an diesem Ort Rechnung tragen. Die Shoah sei das, was den Platz in Fünfbrunnen belastet. „An dem Punkt soll man nicht stehenbleiben, sondern ihn als Ausgangspunkt für andere Genozide heranziehen“, so der ZpB-Direktor. „Als wir dies konzipiert haben, wussten wir noch nichts über den Krieg in der Ukraine. Die Realität hat uns hier schnell eingenommen.“ Das zeige die Wichtigkeit und Sinnhaftigkeit dieses Projekts. Auch zeige es, dass die Vergangenheit stets eine Verbindung zur Zukunft habe. „Die Erinnerung hilft uns dabei zu verstehen, was heute geschieht.“
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