Europawahlen / Vom „Krautmaart“ über Straßburg nach Brüssel: Was für Parteien und Politiker auf dem Spiel steht
Mit den Europawahlen stehen zum dritten Mal innerhalb eines Jahres politische Karrieren auf dem Prüfstand. Das Tageblatt wirft einen Blick auf das mögliche Stühlerücken zwischen Brüssel, Straßburg und dem „Krautmaart“.
Für die Luxemburger Grünen geht es am Sonntag um nichts anderes als um ihre europäische Zukunft. Nach zwei Wahlschlappen im vergangenen Jahr und dem Verlust der Fraktionsstärke auf nationaler Ebene hoffen „déi gréng“, ihren Sitz im Europaparlament retten zu können. Das bedeutet, dass es für Tilly Metz um nichts weniger als um ihre persönliche Zukunft geht – und das gleich doppelt. Denn: Sollten die Grünen ihren Sitz im EU-Parlament halten können, scheint es derzeit auch nicht komplett ausgeschlossen, dass ein François Bausch besser abschneiden könnte als Metz. Würde er diesen Posten in dem Fall annehmen, würde Metz ihren Platz in Straßburg räumen müssen. Doch wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Nicht für Tilly Metz, sondern für Djuna Bernard, die dann für François Bausch wieder in die Chamber nachrücken würde.
Relativ gelassen hingegen kann Charles Goerens der Wahl am Sonntag entgegenblicken. Der DP-Politiker und EU-Urgestein ist aus Europa nicht mehr wegzudenken, auch nicht für den Wähler, wie das rezenteste Politbarometer zeigt. Spannender wird hingegen, ob Goerens als einziger Liberaler nach Brüssel entsandt wird oder ob noch ein zweiter Sitz für die DP am Sonntag herausspringt. In dem Fall würde ein neues Sternchen am DP-Polithimmel aufgehen. Einerseits könnte Co-Spitzenkandidatin Amela Skenderovic den Sprung ins EU-Parlament schaffen. Sollte Gusty Graas mehr Stimmen auf sich vereinen und das Amt im Europaparlament annehmen, würde für den DP-Politiker Michael Agostini in der Chamber nachrücken. Eine Win-win-Situation für die DP – vorausgesetzt, die zahlreichen Pim Tonics auf der Zielgeraden sorgen nicht für Katerstimmung am Sonntag auf der Wahlparty im Melusina.
Alles hängt am zweiten Sitz
Interessanter wird es hingegen links der Mitte bei der LSAP, weil sich die Sozialisten Hoffnungen auf einen zweiten Sitz machen. Sollte dieser Wunsch in Erfüllung gehen, bieten sich gleich mehrere Szenarien. Einerseits scheint Marc Angel als Mister Europa der LSAP und Vizepräsident des Europäischen Parlamentes gesetzt zu sein. Andererseits konnte sich Parteikollege Mars Di Bartolomeo im aktuellen Politbarometer an die Spitze aller Luxemburger Kandidaten setzen.
Vorausgesetzt, Marc Angel wäre für die LSAP im EU-Parlament gesetzt, tun sich bei einem zweiten Sitz für die LSAP mehrere Möglichkeiten auf. Da Danielle Filbig als Co-Spitzenkandidatin trotzdem hinter der Strahlkraft eines Mars Di Bartolomeo und auch einer Liz Braz etwas verblasste, ist es keineswegs sicher, dass sie an der Seite Angels die Reise nach Straßburg antreten würde. Sollte sich ein Mars Di Bartolomeo oder eine Liz Braz vor Danielle Filbig durchsetzen und das EU-Mandat annehmen, könnte in der Chamber Simone Asselborn-Bintz nachrücken. Da die Bürgermeisterin von Sanem nach den Wahlen im Oktober aber bereits hat durchblicken lassen, dass sie nicht unbedingt für eine halbe Legislaturperiode nachrücken würde und Dan Kersch seine politische Rente verkündet hat, könnte Enesa Agovic, Gemeinderätin aus Esch, als Abgeordnete in die Chamber wechseln. Und falls sich entgegen den Erwartungen ein im bisherigen Wahlkampf eher unscheinbarer Franz Fayot an allen vorbei den zweiten Sitz schnappt, könnte für die LSAP im Zentrum Cécile Hemmen dessen Platz in der Chamber übernehmen.
Bei der ADR ist das Szenario hingegen relativ simpel. Sollte sie einen Sitz bei den EU-Wahlen erringen, würde für Fernand Kartheiser, parteiintern klarer Favorit auf den EU-Posten, Dan Hardy in die Chamber nachrücken. Dieser hat in der Vergangenheit vor allem mit Reichsbürger-Symbolik auf sich aufmerksam gemacht.
CSV zwischen Gewissheit und Geschachere
Bei der CSV gestaltet sich das Durchdeklinieren verschiedener Szenarien als schwierig. Da wäre einerseits die Frage nach der Sitzanzahl: Die CSV erhofft sich einen dritten Sitz im EU-Parlament. Ob das gelingen wird, ist jedoch mehr als fraglich. Sollte dies jedoch wider Erwartungen gelingen, scheinen mit Christophe Hansen und den derzeitigen EU-Parlamentarierinnen Isabel Wiseler-Lima und Martine Kemp die künftigen EU-Posten klar verteilt – wenn der Wähler das denn auch so entscheidet. Geht alles nach Plan, würde Christophe Hansen nach den Wahlen wie im CSV-DP-Koalitionsvertrag vereinbart Luxemburger EU-Kommissar werden und Guy Breden, Mélanie Grün oder Metty Steinmetz könnten in diesem Best-Case-Szenario ins EU-Parlament nachrücken.
Gelingt es der CSV nicht, einen dritten Sitz zu ergattern – was aufgrund der erzielten Ergebnisse bei den vergangenen Wahlen weitaus wahrscheinlicher ist –, führt kein Weg an Christophe Hansen und Isabel-Wiseler Lima vorbei. Egal ob Christophe Hansen EU-Kommissar wird oder ins EU-Parlament wechselt: Für ihn könnte dann Jean-Paul Schaaf in die Chamber nachrücken.
Dass Christophe Hansen nächster EU-Kommissar wird, ist jedoch trotz Koalitionsvertrag alles andere als gesichert. Dafür sorgt nämlich der Luxemburger Spitzenkandidat der europäischen Sozialisten, Nicolas Schmit. Sollte es den Sozialisten gelingen, als stärkste Fraktion aus den EU-Wahlen hervorzugehen, könnte ihm der Posten des nächsten EU-Kommissionspräsidenten winken.
Sollte jedoch Ursula von der Leyen die Wahl zugunsten der Europäischen Volkspartei entscheiden – und Nicolas Schmit hätte in dem Fall keine Chancen auf den Posten des EU-Kommissars –, heißt das nicht automatisch, dass Hansens Kommissar-Posten gesichert ist. Und ist das Postengeschachere fast beendet, könnten Christophe Hansens Kommissar-Träume zudem an einer angestrebten Geschlechterparität scheitern. Dann kommt es ganz auf das politische Kapital von Luc Frieden an, ob er seinen Kandidaten gegen mögliche Widerstände durchdrücken kann oder dem Druck aus Brüssel nachgeben muss.
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