/ Von der Maus zum Menschen: Tiere in Luxemburgs Laboren
Die medizinische Forschung greift, auch in Luxemburg, auf Tierversuche zurück. Während viele Wissenschaftler diese Tests für unumgänglich halten, halten Tierrechtler sie nicht nur für ethisch falsch, sondern auch für überflüssig.
Luxemburg ist nicht nur ein Land der Banken und der Investmentfonds, sondern auch ein Land der Wissenschaft. Zahlreiche innovative Unternehmen haben sich in den letzten Jahren hier niedergelassen. Die Universität wächst unaufhaltsam und lockt Forscher aus der ganzen Welt ins Großherzogtum. Die Forschung beschäftigt sich nicht nur mit Technik und Raumfahrt. Auch auf dem Gebiet der Medizin feiern Luxemburger Forscher Erfolge. Wenig hört man allerdings von den Tierversuchen, auf die dabei zurückgegriffen wird.
Alleine im letzten Jahr wurden in Luxemburger Laboren Versuche an 14.656 Tieren durchgeführt. Die meisten davon – insgesamt 7.817 – waren Mäuse. Dahinter folgen 6.728 Zebrafische und 111 Ratten. Das Veterinäramt publiziert diese Zahlen jährlich in einem Bericht auf seiner Internetseite. Gegenüber dem Vorjahr gab es einen starken Rückgang von 43,28 Prozent. Dieser kommt dadurch zustande, dass eine große Studie an Zebrafischen beendet wurde.
Krebsforschung
Die Tierversuche sollen dazu beitragen, Krankheiten besser zu verstehen und Therapien zu entwickeln, erklärt Prof. Simone Niclou, Leiterin der Onkologischen Abteilung am Luxembourg Institute of Health (LIH). An diesem Institut kommen Tierversuche vor allem bei der Forschung an Krebs und an Erkrankungen des Immunsystems zum Tragen. Niclou ist überzeugt, dass Tierversuche wichtig sind, um Mechanismen zu verstehen, die im Körper ablaufen. Zum Beispiel könne an einer Maus getestet werden, ob ein bestimmtes Gen oder ein Protein eine Rolle bei einer Erkrankung spielen.
Tests würden zuerst an Zellkulturen vorgenommen und danach an einem kompletten Organismus. Ein Organismus, sagt Niclou, sei ein sehr komplexes Zusammenspiel zwischen Nervensystem, Blutsystem und vielen anderen Elementen. So etwas Komplexes könne man (heute noch nicht) in einer Petrischale simulieren.
Umfragen ergeben immer wieder, dass ein Teil der Bevölkerung in Europa gegen solche Versuche ist. Wie viel Mitleid die Befragten mit den Tieren haben, hängt dabei unter anderem von der Spezies ab.
Niedrige Zustimmung in Luxemburg
Im Jahr 2010 befasste sich eine Eurobarometerstudie der Europäischen Union mit dem Thema. 51 Prozent der Befragten aus Luxemburg lehnten Experimente an Hunden und Schimpansen konsequent ab. Nur 29 Prozent der Studienteilnehmer waren ohne Einschränkung der Meinung, solche Versuche sollten gestattet sein, wenn sie zur Heilung menschlicher Krankheiten dienen. 23 Prozent lehnten Experimente an Tieren wie Mäusen konsequent ab. 49 Prozent der Befragten waren ohne Einschränkung der Meinung, an Mäusen dürfe zum Wohle der menschlichen Gesundheit geforscht werden. Die Studie zeigt auch, dass Tierversuche in Luxemburg die niedrigste Zustimmung in der ganzen Europäischen Union erfahren.
Die Untersuchung der Europäischen Statistikämter ergab 2010, dass vor allem leitende Angestellte, wissenschaftlich Interessierte und Menschen, die politisch rechts der Mitte stehen, ihr Einverständnis zu Tierversuchen an Mäusen geben.
Adela Fuentes ist Tierversuchsgegnerin. Mit ihrem Verein Amiavy hilft sie unter anderem Hunden, die aus Laboren entlassen worden sind, ein neues Zuhause und eine liebevolle Familie zu finden, die sich um sie kümmert. Für sie sind Tierversuche gänzlich unethisch. Nicht menschliche Tiere können genau wie Menschen Schmerzen empfinden, sagt sie. Dabei sei es unerheblich, ob es sich um einen Hund oder eine Maus handelt. Der Schmerz sei immer der Gleiche.
Mensch ist nicht gleich Maus
Fuentes stützt sich auf Argumentationen des deutschen Vereins „Ärzte gegen Tierversuche“. Dieser Verein von Humanmedizinern setzt sich gegen Tierversuche ein und macht sich stark für alternative Methoden, um Medikamente und Therapien zu testen. Der Verein bestreitet, dass Tests an Tieren zielführend sind. Die Ergebnisse, die in Tierversuchen erzielt werden, ließen sich nicht auf den Menschen übertragen. Der Mensch sei nicht einfach nur eine 75 kg schwere Laborratte. Nicht einmal alle Menschen seien gleich, wenn es um die Gesundheit geht. Nicht umsonst gäbe es Andrologie, Gynäkologie, Gendermedizin, Geriatrie und Pädiatrie. Mensch und Tier unterschieden sich unter anderem bei Körperbau, Organfunktion, Stoffwechsel und Ernährung zum Teil erheblich voneinander. Tierversuche seien zudem sehr unzuverlässig. Methoden, die in Tierversuchen bestätigt würden, funktionierten bei menschlichen Patienten oft gar nicht.
Die Ärzte gegen Tierversuche setzen sich für tierversuchsfreie Forschung ein. Solche Methoden gibt es bereits, sagt der Verein. Forscher könnten an künstlich gezüchteter Haut zum Beispiel prüfen, ob Stoffe schädlich sind. Anhand von Zellkulturen, die normalerweise sehr regelmäßig wachsen, können sie untersuchen, ob ein Stoff Tumore verursacht. Sogar Computermodelle könnten für einige Tierversuche eine Alternative sein, behauptet der Verein.
Besser als Tierversuche finden die Ärzte gegen Tierversuche auch die „Lab-on-a-Chip“ genannte Methode. Der Verein erklärt: „Dabei kann in einem System aus winzigen mit Zellen verschiedener Organe ausgekleideten Gängen und Kammern auf einem Mikrochip die Aufnahme, Verteilung und Verstoffwechslung neuer Medikamente getestet werden, fast wie in einem lebenden Körper, auf jeden Fall aber aussagekräftiger als an Organismen der falschen biologischen Art.“
Strenge Regeln
Natürlich gebe es Unterschiede zwischen den Körpern von Menschen und Mäusen, sagt Niclou. Trotz der Unterschiede stimmten Mensch und Maus genetisch zu 90 Prozent überein. Der Körperbau sei in den meisten Punkten identisch, so die Wissenschaftlerin.
Tierversuche unterliegen in Luxemburg Gesetzen, die auf einer EU-Direktive von 2010 basieren. Sie regelt, was zulässig ist und was nicht. Nach den Tieren müsse regelmäßig geschaut werden und alle Tests brauchen eine ministerielle Erlaubnis durch das Landwirtschaftsministerium, erklärt Niclou. Zusätzlich würden Inspektionen durchgeführt.
In Luxemburgs Schulen stehen Tierrechte auf dem Stundenplan, sagt Tierversuchsgegnerin Fuentes. Im Rahmen des „Vie et société“-Unterrichtes diskutieren die Lehrer und Lehrerinnen mit ihren Schülern über Menschenrechte und anschließend über Tierrechte. Die Aktivistin wird in diesem Rahmen öfters in Klassen eingeladen, um mit den Schülern über Tierversuche zu sprechen. Dort zeigt sie auch – dem Alter der Schüler angepasste – Bilder von Tierversuchen. Die Schüler seien offen für ihren Standpunkt, erklärt sie. Ihr sei bislang noch kein Schüler begegnet, der Tierversuche vehement verteidigt habe, sagt sie.
Konsumenten, die gegen Tierversuche sind, empfiehlt sie, beim Gang in die Apotheke auf Generika zurückzugreifen. Diese Medikamente stützen sich auf Forschung aus der Vergangenheit und erfordern keine neuen Tierversuche, sagt Fuentes.
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