Großprojekt / Von der Tabakfabrik bis zu „Ettelbruck One“
Viele – wie der Autor dieser Zeilen auch – werden sich noch an das alte Primärschulgebäude in Ettelbrück erinnern. Der Standort der Grundschule, wie man sie heute nennt, hat sich nicht geändert, dafür aber das Umfeld, denn gegenüber dem Schulhof stand damals z.B. ein großes Industriegebäude, das im Volksmund „d’Fixmesch-Gebäi“ genannt wurde. Die Familie Fixmer stellte dort seit 1815 Tabakwaren her. Mit Charles Fixmer starb 1938 der Enkel des Firmengründers und keiner der Familienmitglieder wollte den Betrieb übernehmen. Ein Jahr später kaufte Heintz van Landewyck die Produktionsstätte. 1968 endete die Produktion in Ettelbrück und 1975 machte das Fabrikgebäude einem Geschäftshaus Platz. Doch die Geschichte der Tabakherstellung in Ettelbrück war damit noch nicht vorbei.
Im Jahr 1815 gründete Michel Fixmer das gleichnamige Unternehmen, das 1886 von Charles Fixmer übernommen wurde und ab 1910 unter der Bezeichnung „Tabak-Manufaktur Ch. Fixmer“ bekannt war. „Goldschlessel“ war wohl das bekannteste Produkt aus dem Hause Fixmer, das unter anderem auch den „Ettelbrücker Kautabak“ in den Handel brachte. Als sich die Türen des Industriegebäudes in der Handelsstadt des Nordens 1968 für immer schlossen, zog man mit der Tabakproduktion nach Hollerich und später nach Trier. Heute besteht der Name Fixmer noch immer in Bezug auf einen Tabakgroßhandel, der sich zuerst in Strassen, später dann in Niederkerschen ansiedelte.
Standortwechsel: Jean-Pierre Heintz heiratete 1847 Joséphine van Landewyck und gründete wenig später ein Tabakunternehmen mitten in der Hauptstadt, genauer gesagt an der Avenue de la Porte-Neuve. Die Firmenbezeichnung war schnell gefunden: Heintz van Landewyck. Nach nur wenigen Jahren wurde die Produktionsstätte zu klein, so vergrößerte sich der Betrieb und zog auf den „Piquet“ in Luxemburg-Stadt. Doch der damalige Unternehmenschef Joseph Heintz hatte die Rechnung ohne die Anrainer gemacht, die sich durch den Lärm und den Geruch der Tabakfabrik gestört fühlten. Aus diesem Grund zog die Firma 1897 nach Hollerich um, und zwar auf ein Grundstück in nächster Nähe des Bahnhofs, das sie von der „Société des mines et hauts-fourneaux de Differdange“ erwarb.
Acht Jahre später nimmt Heintz van Landewyck die erste mechanische Zigarettenmaschine in Betrieb. Eine nächste Etappe war 1919 der Bau einer Produktionsstätte in Trier, die wegen des Ausscheidens Luxemburgs aus dem Deutschen Zollverein (verbunden mit hohen Zollgebühren) nötig geworden war, um einen wichtigen Absatzmarkt nicht zu verlieren. Legendäre Marken wie „Africaine légère“ (Original-Werbeslogan: „Dé’ lîcht Cigarette“) und „Maryland“ („Ons Cigarette“) gehörten hierzulande wie auch im Nachbarland Deutschland zu den beliebtesten Zigaretten. In den Nachkriegsjahren waren auch „Landewyck Silber“ und „Landewyck Gold“ wichtige Produkte des Unternehmens.
„Kent“ und „Newport“
Im Jahr 1963 baute Heintz van Landewyck eine neue Tabakfabrik an der Avenue des Alliés in Ettelbrück, dies dank des (anfangs) großen Erfolges der Eigenmarke Lexington. Dieser Erfolg war aber nur von kurzer Dauer, denn Gerüchten zufolge soll Lexington eine der schädlichsten Zigaretten auf dem Markt gewesen sein. Die Nachfrage erlebte daraufhin einen Sturzflug.
Noch im selben Jahr ging Heintz van Landewyck ein Joint Venture mit der amerikanischen Manufaktur Lorillard ein. In der neuen Fabrik wurden nun Zigaretten der Marken „Kent“ und „Newport“ hergestellt. Es kommt also nicht von ungefähr, dass diese Produktionsstätte im Volksmund „d’Kent-Fabrik“ oder „d’Lorillard“ genannt wurde.
Erinnern sollten wir an dieser Stelle auch an die Marken „F6“ („Cigarette de tout repos, 6 fois filtrée“ lautete damals der Werbeslogan) oder „Cachet rouge“ (Schwarzer Tabak). Für erst schleppende Verkaufszahlen, bedingt durch die große Konkurrenz der amerikanischen Marken, später dann aber für einen großen Erfolg stand und steht die Marke „Ducal“, die neben Luxemburg vor allem in Deutschland sehr gefragt war und ist.
60 Millionen investiert
Wir bleiben beim Standort Ettelbrück, da er nicht nur eine Geschichte, sondern auch eine Zukunft haben soll. Am 2. Oktober 2017 legte Heintz van Landewyck den Grundstein für eine neue Niederlassung in der Handelszone ZANO auf „Fridhaff“. Dort investierte das Familienunternehmen rund 60 Millionen Euro in eine ultramoderne Fabrik. Ende 2019, Anfang 2020 fand der Umzug der beiden Fabriken aus Ettelbrück und Hollerich in den 32.000 Quadratmeter großen Neubau statt.
Der Hauptsitz der Firma blieb in Hollerich, die Zukunft des Ettelbrücker Standortes war lange Zeit ungewiss. Klar war aber, dass das Unternehmen diesen Standort nicht verkaufen, sondern die Zukunft dort selbst gestalten wollte. So kam es, dass die Gesellschaft „Landimmo Real Estate“, ein Mitglied der Landewyck-Gruppe, nun mit einem umfangreichen Projekt an die Öffentlichkeit trat.
„Impuls für die Nordstad“
Vor wenigen Tagen begannen die Abrissarbeiten an der früheren Zigarettenfabrik, nachdem zuerst das gesamte asbesthaltige Material abgetragen und entsorgt wurde. „Ettelbruck One“, so die offizielle Bezeichnung des Projekts, soll Ende 2023 bezugsfertig sein und wird die südliche Einfahrt zur Patton-Stadt komplett verändern. Teile des rund 20.000 Quadratmeter umfassenden Gebäudes werden vierstöckig, andere siebenstöckig sein. Rund 600 Beschäftigte sollen später hier ihren Arbeitsplatz haben.
Ein Großteil des Gebäudes wird aus Büroräumen bestehen, die Hälfte davon wurde bereits vom Luxemburger Staat angemietet, der dort verschiedene Dienststellen in der „Nordstad“ einrichten wird. Neben einer zweistöckigen Tiefgarage wird das Gebäude später auch über Lokale für Geschäfte und ein Restaurant verfügen. Laut einem offiziellen Rundschreiben der Firma Landimmo Real Estate soll ebenfalls eine Kindertagesstätte hier Platz finden. „Wir streben einen ausgewogenen Mix aus Handel, Gastronomie, Büros für Unternehmen und Dienstleistungen an“, so steht es in einem offiziellen Schreiben des Bauherrn zu lesen.
Jürgen Primm, Geschäftsführer von Landimmo Real Estate, sieht „Ettelbruck One“ als exemplarisches Projekt: „Als Teil der Landewyck Group stehen wir einerseits für Langfristigkeit und Nachhaltigkeit und anderseits für die Fähigkeit, uns als Unternehmen immer wieder an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen. Dieser Mix aus Tradition und Innovation findet sich auch in ,Ettelbruck One‘ wieder. Dort, wo wir über Jahrzehnte als einer der wichtigsten industriellen Arbeitgeber in der Stadt aktiv waren, schaffen wir nun als Bauherr hochmodernen Büro- und Gewerberaum. Damit unterstreichen wir als Gruppe auch unsere Rolle als verantwortlicher Akteur, der sich Land und Leuten verbunden fühlt.“
Man sehe „Ettelbruck One“ auch als Standortbeitrag für die „Nordstad“ mit ihren mittelfristig mehr als 35.000 Einwohnern, so wie dies in der „Vision 2035“ festgeschrieben sei.
„Bequeme Erreichbarkeit“ – Na ja!
Das architektonische Konzept von „Ettelbruck One“ stammt aus der Feder der Architekten des Büros Beiler François Fritsch, das u.a. durch Projekte wie die neue Aérogare auf Findel, der Bahnhof Pfaffenthal, das LuxConnect Datacenter, das „Centre national de la culture industrielle“, die Neugestaltung des Standortes der Diekircher Brauerei bekannt ist. Zudem zeichnen das Ingenieurbüro „Jean Schmit Engineering“ (Technik) sowie „Schroeder et Associés“ (Struktur) für das Projekt verantwortlich.
In einem Presseschreiben des Bauherrn wird der Ettelbrücker CSV-Bürgermeister Jean-Paul Schaaf unter anderem mit folgenden Aussagen erwähnt: „Dieses Gebäude liegt nur ein paar Minuten Fußweg von der Ettelbrücker Innenstadt entfernt und bietet Nutzern eine direkte Zufahrt zur Autobahn A7. Zudem besteht eine Busverbindung zum Bahnhof Ettelbrück und auch Radwege befinden sich gleich vor der Haustür. Somit ist eine schnelle, bequeme und vielseitige Erreichbarkeit aus allen Richtungen gegeben, was ja auch in Sachen nationaler Mobilitätsplanung von Bedeutung ist.“
Man kann nur hoffen, dass Schaaf mit der „schnellen, bequemen Erreichbarkeit“ nicht zu viel versprochen hat, denn seit Jahren sind „Schnelligkeit“ und „Bequemlichkeit“ Fremdwörter in puncto Verkehrslage in und um Ettelbrück. Zeugen dafür gibt es Tausende pro Tag.
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Ob dieses Projekt einen Impuls für die durch den Durchgangsverkehr erstickende Nordstad ist , bezweifele ich . Hoffentlich wird die Fassade dieses überdimensionierten Projektes etwas farbiger gestaltet, die Umgebung mit Bäumen, Grünzeug bepflanzt , das triste , graue Bild der Nordstad etwas aufzupäppeln vermag, nicht später der Reiseführer Marco Polo auch über den sinkenden Stern der Bauernmetropole herziehen muss und dann jeder Tourist die Gegend meiden will.
Das Tageblatt berichtet ausführlich und wohlwollend von der Zigarettenherstellung. Hoffentlich gibt es keinen Rüffel von der Gesundheitsministerin …
@Till Spiegel
Marco Polo ist so eine Sache, die Verfasserin kennt Esch Alzette und schrieb den Beitrag aus ihrer Sichtweise.
Was die Nordstad angeht, da sollte in Marco Polo besser nichts erscheinen, bienvenue chez les ch’tis👋
Besser ist zigaretten ganz zu verbieten..nikotin ist wie heroin…., die Süchtigen erkranken schwer, die Allgemeinheit muss zahlen….