FLF / Hinter den Kulissen der nationalen Fußballschule: Von einer Idee zum Inhalt
In einer siebenteiligen Serie blickt das Tageblatt hinter die Kulissen der nationalen Fußballschule. Bereits seit 20 Jahren werden in Monnerich Talente ausgebildet. Vor allem in den vergangenen fünf Jahren erntet die FLF die Früchte ihrer Arbeit. Zufall ist das nicht.
Im zweiten Stockwerk der FLF-Zentrale in Monnerich wird die Zukunft des Fußballs in Luxemburg geplant. Dort haben Nationaltrainer Luc Holtz und Manuel Cardoni, technischer Direktor des nationalen Fußballverbandes, ihr Büro. Seit über drei Jahren ist der ehemalige Spielmacher der Jeunesse verantwortlich für die Ausbildung – oder für die „Entwicklung“, wie er es nennt. „In einem normalen Job wird man ausgebildet und dann bekommt man es entweder gut oder schlecht hin. Im Fußball muss man sich permanent weiter entwickeln.“
Im September 2020 wurde Cardoni Nachfolger von Reinhold Breu. Der Deutsche war davor zehn Jahre Leiter der Talentschmiede.
Cardoni sieht die Fußballschule aktuell in ihrer dritten Phase. „Der erste Schritt war die Umsetzung der Idee in die Realität, der sogenannte Spatenstich. Guy Hellers hat dem ganzen dann eine Struktur gegeben. Reinhold Breu ging in die zweite Phase über und füllte die Struktur mit Inhalt. Momentan versuchen wir, den nächsten Schritt zu gehen, die Ideen auszubauen und die Ausbildung zu individualisieren.“
Wenn der 51-Jährige über seine Arbeit spricht, sprudeln die Worte vor Euphorie nur so aus ihm raus. Er weiß, dass er das Privileg hat, aber auch die Verantwortung trägt, die besten Talente des Landes auf das nächste sportliche Niveau zu bringen. „Es ist ungemein spannend und man weiß auch nicht immer, ob man richtig liegt.“
Doch fast wäre es nicht dazu gekommen. Im Mai 2000 kam es beim außergewöhnlichen Kongress der FLF zu einer Patt-Situation. Die Hälfte der Vereine stimmte für die Fußballschule, die anderen waren dagegen (219:219 Stimmen). Der mittlerweile verstorbene FLF-Präsident Henri Roemer setzte sich jedoch durch und „Monnerich“ wurde in die Tat umgesetzt. Damals war die zentralisierte Ausbildung der Talente vielen Vereinen ein Dorn im Auge. Auch heute ist dieser Punkt noch ein Reizthema. Das Konzept besteht darin, dass die jungen Fußballer von Montag bis Donnerstag bei der FLF ausgebildet werden und erst freitags zu ihren Vereinen stoßen.
Immer populärer
Das ultimative Ziel ist es, die Talente schon früh in ausländische Nachwuchsleistungszentren von Profivereinen zu bringen, aber auch die nationale Basis zu stärken. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich auf dem Schreibtisch von Cardoni mittlerweile die Einladungen von bekannten Profivereinen stapeln. „Wir werden nicht mehr unterschätzt. Wenn ein Profiverein auf einer Position einen Spieler braucht, richten sie sich an uns. Es gibt aber auch mehrere Toptalente, die eine ganze Reihe von Angeboten vorliegen haben und frei auswählen können, wohin sie wechseln werden“, sagt Cardoni.
Über 30 Luxemburger Jugendliche gehen ihrer fußballerischen Ausbildung derzeit im Ausland nach. Dazu gesellen sich 30 erwachsene Profispieler. In den vergangenen Jahren ging ein Großteil der Talente nach Deutschland. Diese Wahl hat einerseits mit dem Netzwerk zu tun, das Reinhold Breu aufgebaut hat, aber auch mit einem sportlichen Faktor. Französische Nachwuchsleistungszentren sind derzeit nicht sehr oft an luxemburgischen Talenten interessiert, wie Cardoni erklärt: „Alleine in der Region Île de France gibt es ein unglaubliches Reservoir an Talenten. Bei der letzten Weltmeisterschaft kamen die meisten Spieler aus dieser Region. Auch deshalb gibt es in Frankreich derzeit keinen Bedarf, über den Tellerrand zu schauen und Talente im Ausland zu scouten.“
An der Ausbildungs-Methodik wurde über die Jahre gefeilt. Reinhold Breu setzte von Anfang an in allen Kategorien auf ein 4-4-2-System und nahm in der Anfangsphase hohe Niederlagen in Kauf. Die Spieler entwickelten sich in diesem System und relativ schnell waren erste Erfolge zu sehen. Breu hatte eine klare Vision, wie seine Spieler sein sollten und welche Fähigkeiten sie mitbringen sollten. „Du musst im Kopf ein Ferrari sein, um bestehen zu können“, sagte er in einem Gespräch mit dem Tageblatt Ende Januar 2019.
„D’Spillschoul muss garantéiert sinn.“ Die Spieler müssen selber auf Entdeckungsreise gehen können, bevor sie strukturiert werden.Technischer Direktor der FLF
Sein Nachfolger Cardoni hat jede Menge Lob für die Arbeit des heutigen Chef-Ausbilders des litauischen Verbandes übrig. „Einer seiner wichtigsten Entscheidungen war es, Trennungen in den Alterskategorien zu schaffen. Neben der U19, der U17 und der U15 wurde noch eine U18, U16 und U14 ins Leben gerufen. Vor allem im Teenager-Alter macht ein Jahr Differenz einen sehr großen Unterschied.“
Trotz des Lobes geht Cardoni seinen eigenen Weg. Seit der ehemalige Profi von Bayer Leverkusen die Talentförderung verantwortet, wird wieder mehr im Training „gespielt“. „Die Jugendlichen wollen Action. Wir müssen von der Energie, die sie in dem Alter haben, profitieren. Deshalb arbeiten wir mit kleinen Gruppen, vielen Wiederholungen und hoher Intensität. Keiner soll zu lange darauf warten, um seine Übung zu erledigen. Wir haben uns aus diesem Grund dafür entschieden, pro Kategorie einen Trainer mehr hinzuzuholen.“
Die Schnelligkeit im Kopf spielt wie bei Breu auch bei Cardoni eine überragende Rolle. „Wir wollen, dass die Spieler auf dem Platz in jedem Moment in der Lage sind, selbst Entscheidungen zu treffen. Deshalb arbeiten wir sehr viel mit situationellen Übungen.“
Cardoni will den Straßenfußball wieder nach Monnerich bringen: „Den gibt es ja eigentlich nicht mehr. Deshalb müssen wir ihn in irgendeiner Form auf den Platz bekommen. ‚D’Spillschoul muss garantéiert sinn‘. Die Spieler müssen selber auf Entdeckungsreise gehen können, bevor sie strukturiert werden.“
Ich komme aus einer Generation, die 22 Jahre kein Spiel gewonnen hat. Das habe ich nicht vergessen.
In der Fußballschule in Monnerich bilden rund 40 Trainer den luxemburgischen Nachwuchs aus. Zum „Centre de formation“ gehören aber auch das administrative Personal, Putzfrauen, ein Verantwortlicher für die Verpflegung, Wäschefrauen und die 16 freiberuflichen Fahrer, die den Nachwuchs zum Training nach Monnerich bringen. „Wir sind sehr schnell gewachsen und ab und zu stoßen wir an unsere Limits.“
292 Jungen und 117 Mädchen gehören derzeit den Kadern der U12 bis U19 an. In Zukunft soll fast die gesamte A-Nationalmannschaft aus dieser Akademie kommen. Beim letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Liechtenstein standen 15 Spieler auf dem Platz, die in Monnerich ausgebildet wurden. Darunter unter anderem Leandro Barreiro (Mainz 05/D) und Christopher Martins (Spartak Moskau/RUS).
Bevor der Weg nach Monnerich führt, trainieren die Jüngsten an den vier regionalen Stützpunkten in Mertzig, Schouweiler, Mensdorf und Pfaffenthal. Damit all diese vielen Trainer in die gleiche Richtung gehen, gibt Cardoni ihnen eine Marschroute vor. „Bei unserer letzten Sitzung habe ich gemerkt, dass wir alle dieselbe Sprache sprechen. Es ist schön zu sehen, wenn man mit Ideen nicht alleine dasteht“, sagt der Chef-Ausbilder, dessen Ziel es auch ist, die FLF-Philosophie in die Vereine zu bringen.
Cardoni will nicht nachlassen und mit dem Luxemburger Fußball den nächsten Schritt gehen. Keine einfache Aufgabe, wie er weiß: „Es wird immer schwerer, da wir mit der A-Nationalmannschaft aktuell sehr erfolgreich sind und deshalb die Erwartungshaltung immer größer wird. Ich komme aus einer Generation, die 22 Jahre kein Spiel gewonnen hat. Das habe ich nicht vergessen. Diese Zahl sollte für jeden eine zusätzliche Motivation sein.“
Die Serie
27. Januar: Entstehung und heute: das Konzept des CFN
31. Januar: Wie funktioniert das Scouting?
3. Februar: Der organisatorische Alltag in Monnerich
7. Februar: Hinter den Kulissen: Physio, Studien und Fußball
10. Februar: Transport: Unterwegs mit den Talenten
14. Februar: Die Mädchenabteilung in Monnerich
17. Februar: Das sagen die Absolventen
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