Superwahljahr / Von Freiheit und Wahlgetöse im März: Parteien einigen sich auf Köpfe ohne Programm
Xavier Bettel, Paulette Lenert, Sam Tanson, Luc Frieden, Fred Keup, Sven Clement, ein ganzes Linken-Konsortium und Frank Engel: Die Parteien haben ihre besten Köpfe nominiert. Für die Wahlen fehlt also nur noch das Wichtigste: Inhalt.
Sieben Spitzenkandidaten und das Linken-Kollektiv stellen sich am 8. Oktober der Wählergunst. Die (noch ausstehenden) Nominierungen sind dabei eigentlich ohne Überraschung verlaufen – nur bei den Grünen ist es ein Novum, dass mit Sam Tanson eine alleinige Spitzenkandidatin das Kommando übernimmt. Den Linken reicht übrigens nicht eine einzige Spitze, sondern treten wie gewohnt mit der gesamten Nationalkoordination an.
Ob jetzt CSV, DP oder ADR: Bürgernähe und Freiheit sind Begriffe, die in den kommenden Wochen und Monaten noch öfters zu hören sein werden – und das nicht nur von den drei genannten Parteien. „Méi no méi beweegen“ heißt der Slogan der CSV für die Gemeindewahlen, die DP will mit „No bei dir, no bei de Leit“ punkten. Nach Monaten und Jahren der Pandemie, in der soziale Distanz das oberste Mantra war, rücken die Parteien dem Wähler zumindest rhetorisch wieder auf die Pelle.
Freiheit ganz groß
Freiheit ist nach Jahren der sanitären Einschränkungen dann ein zweiter Oberbegriff, der auf jedem Wahlkongress derzeit inflationär gebraucht wird. Die Zitate aus Fred Keups Rede, in denen der Begriff Freiheit vorgekommen ist, könnten allein eine Zeitungsseite füllen. Aber auch Sam Tanson wurde auf dem Grünen-Kongress als Freiheitskämpferin inszeniert. So präsentierte François Bausch die Grünen-Spitzenkandidatin als jemanden, der „ein gutes Gespür für den Freiheitsbegriff“ hat. Dass der Fokus der Grünen-Partei auf dem Thema Freiheit liegen wird, ist auch daran ersichtlich, dass sich der auf der Videoplattform YouTube publizierte Auszug aus Sam Tansons Rede am Dienstagabend um den Freiheitsbegriff dreht. „Freiheit ist ein Lebensthema für mich“, sagt Tanson in dem auf der Onlineplattform einsehbaren Auszug ihrer Rede. Die Freiheit, für die sich einsetzen wolle, sei nicht die „Freiheit der Egoisten“ oder die „Freiheit der wenigen“, sondern die „Freiheit der Mehrheit“. Um es kurz zu summieren: Für Sam Tanson ist Freiheit gleichbedeutend mit Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und auch Chancengleichheit.
Wer mit dem Freiheitsbegriff der Grünen noch etwas fremdelt, kann sich an der Definition von Vizepremierministerin Paulette Lenert versuchen, die den Freiheitsbegriff auf die soziale Essenz ihrer Partei herunterbricht. „Die Stärke Luxemburgs ist der soziale Zusammenhalt. Und das ist auch die Stärke unserer Partei“, sagt Lenert auf dem Gemeindewahlkongress der LSAP Mitte März. „Wir stehen dafür ein, dass Freiheit und Gerechtigkeit Realität sind.“ Einzig die CSV und DP haben die rhetorischen Fesseln in der Hinsicht noch nicht gelöst – wobei die DP ja der Meinung zu sein scheint, Freiheit liege in ihrer DNA. „Als liberaler Premierminister hatte ich Schwierigkeiten, die Rechte der Bürger einzuschränken“, wird Premierminister Xavier Bettel auch nicht müde zu betonen, wenn er auf die Corona-Pandemie angesprochen wird.
Die Wahltripartite
Doch bevor sich die (Regierungs-)Parteien in den vergangenen Wochen am eigenen Hochleben üben konnten, stand Anfang März noch eine Tripartite ins Haus. Die Inflationsprognose des Statec Anfang Februar hatte das Staatsministerium mit der Prognose eines Inflationsschocks für Anfang 2024 dermaßen in Aufregung versetzt, dass Patronat, Gewerkschaften und Regierung sich einen knappen Monat später auf Schloss Senningen wieder gegenübersaßen.
Bei der Herbst-Tripartite sorgten Aussagen von Landwirtschaftsminister Claude Haagen (LSAP) für ein raues Miteinander in den Koalitionsreihen. Haagen hatte gegenüber Pressevertretern die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Schuldenobergrenze infrage gestellt. Ein absolutes No-go für den liberalen Koalitionspartner und allen voran Premierminister Bettel und Finanzministerin Yuriko Backes.
Weniger standfest war die Finanzministerin allerdings, als es darum ging, die Gesamtkosten der Tripartite-Maßnahmen zu beziffern. Nicht 500 Millionen Euro, wie den Journalisten in Schloss Senningen nach Abschluss der Verhandlungen auf einer Pressekonferenz gesagt wurde, sondern 850 Millionen Euro kosten die Maßnahmen dieses Jahr. Die 500 Millionen Euro würden sich lediglich auf die steuerlichen Maßnahmen belaufen.
Dabei war lange nicht klar, ob es überhaupt zu großen Diskussionen über steuerliche Maßnahmen kommen sollte. Die LSAP hatte im Vorfeld der Tripartite im Verbund mit den Gewerkschaften nach einer Anpassung der Steuertabelle gefordert. Das aber haben die Grünen bis kurz vor Beginn der Verhandlungen noch blockiert, da diese unbedingt auch Maßnahmen für den Logement-Sektor mit dem arg gebeutelten Wohnungsbauminister Henri Kox („déi gréng“) im Gesamtpackage haben wollten. Die anfängliche Opposition der DP gegenüber einer Anpassung der Steuertabelle war dann während der Tripartite überraschend schnell Geschichte. Womöglich auch, weil Premierminister Xavier Bettel seiner Regierungskollegen und Wahlkampfkonkurrentin Paulette Lenert keine Munition für den kommenden Wahlkampf liefern wollte.
Cannabis und Steuern
Womit wir bei den noch nicht existenten Wahlkampfinhalten angekommen wären. Trotz Anpassung der Steuertabelle wird die nicht durchgeführte Steuerreform, einst das Vorzeigeprojekt der Dreierkoalition, definitiv von den anderen Parteien ausgenutzt werden. Und dadurch, dass Paulette Lenert als mögliche Premierministerin gehandelt wird, wird auch das Gesundheitsressort ein zentrales Wahlkampfthema werden. Die Frage, ob das zweite Prestigevorhaben der Regierung, die angekündigte Cannabis-Legalisierung, noch vor den Legislativwahlen den Weg durch das Parlament findet, könnte zentral für den kommenden Wahlkampf sein. Tageblatt-Informationen zufolge soll das Gesetzesprojekt demnächst wieder im Regierungsrat auf der Tagesordnung stehen – nachdem es rezent vor allem Widerstand aus dem blauen Lager in den Regierungsreihen gegeben hat.
Apropos Wahlen: Luc Frieden ist, ohne dass eine Gegenstimme auf dem Konvent der CSV erwünscht war, offiziell zum CSV-Spitzenkandidaten ernannt worden. Dass die CSV mit dem Juncker-Zögling die Partei weder verjüngt noch erneuert hat, ist klar – auch wenn die Partei mit dem Verweis auf die zweite Reihe mit Elisabeth Margue, Stéphanie Weydert und Christophe Hansen das Gegenteil behauptet. Was dem CSV-Kandidaten jedoch an Glaubwürdigkeit fehlt, soll er mit seiner wirtschaftlichen Kompetenz wettmachen. Und Zeit, denn: Luc Frieden ist nämlich bis zu den Legislativwahlen im Oktober hauptberuflich Wahlkämpfer und muss sich nicht noch um einen lästigen Minister-Nebenjob kümmern. Stattdessen tingelt Frieden auf Stimmenfang unermüdlich durchs Luxemburger Land, bemüht darum, sein soziales Profil zu schärfen.
Für den Wähler ist es derzeit ein vielleicht aufregendes, aber sicherlich wenig aufschlussreiches Spektakel, was die Parteien mit ihren zahlreichen Kongressen derzeit bieten. „Ökoliberale Volkspartei“ betitelte das Letzebuerger Land die Grünen. Wenn also die CSV zwischen ADR und DP, die Grünen zwischen CSV und DP, die DP zwischen LSAP und CSV und eine LSAP zwischen Linken, DP und Grünen umherschwirrt, die Piraten sich wiederum als die wahren Grünen und die Linken als rote Grüne mit Stinkefinger zu erkennen geben, bleibt dem Wähler nichts anderes übrig, als auf die Wahlprogramme zu warten. Bis dahin bleiben Schlagworte und Wahlslogans genau das: leere Worthülsen, die wohl mehr Verwirrung stiften als dass sie irgendeinen Erkennungswert liefern.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Eine grundlegende Bedingung zur Freiheit ist die Informationsfreiheit. Luxemburg ist seit 1933 durch eine erhebliche Informationsverweigerung auf einem undemokratischen, illiberalen Weg der Bevormundung des Informationsgrundrechts seiner Bevölkerung.
MfG
Robert Hottua
Wenn das auf diesem Foto die besten Köpfe sein sollten,
dann besten Dank.
„als auf die Wahlprogramme zu warten.“ Vielleicht bekommen wir die ja noch was nachgereicht.
Die Verfassungsreform haben wir ja auch, oder war da was?
4 Köpfe und 1 Programm. Jacke wie Hose!
@Robert Hottua / „Bevormundung des Informationsgrundrechts seiner Bevölkerung.“
Dann bitte Beispiele!
Wer lässt sich denn so sehr bevormunden, kenne bisher erst 2 Presseorgane.
All die Zeit viel Mist gebaut,ausser Privilegien,
wiederum in erster Linie um
den Wähler zu mobilisieren,
leider wird er nacher wie immer
über den Tisch gezogen.
Die Muppets-Show beginnt.
All die Zeit viel Mist gebaut,ausser Privilegien,
wiederum in erster Linie um
den Wähler zu mobilisieren,
leider wird er nacher wie immer
über den Tisch gezogen.
Die Muppets-Show beginnt.
aber bitte ohne die Grüne Weltuntergangs Sekte
„Köpfe ohne Programm“
dat seet jo genug aus
an dat heescht:
de Wiéler wiélt Eppes wou hie nét weess ém Waat ét da geet..
da wielen éch dee Kapp, dee nét als Kapp do steet, awer dat ass vläicht de Beschten
an Alles gét Aanescht, awer nét esou wéi déi Käpp da mengen
Herr Hottua, ich stimme Ihnen voll und ganz zu!
Es ist traurig dass bei uns, unter einem liberalen Premier- und Medienminister, das Informations-Zugangsrecht für Journalisten noch immer nicht im Grundrecht verankert ist. Daran kann auch das „Circulaire Bettel 2.0“ nichts ändern.
Die FAZ schrieb dazu am 7.7.2022: „Mehr Rechte für die Presse – Luxemburg bleibt eine verschlossene Auster“.
Und auf der Länder-Rangliste 2022 der Pressefreiheit (veröffentlicht von den Reportern ohne Grenze) landete Luxemburg nur auf Platz 21 – Tendenz fallend denn 2019 waren wir noch auf Platz 17 gelistet.
Eine konzeptlose und inhaltlose Truppe,
Rentner,Normalbürger,alles Steuerzahler wurden komplett
veräppelt, viel geredet aber nix gesagt.