Relevant (8): Kassiererin / Von guten Manieren und Hamsterkäufen – die Arbeit an einer Supermarktkasse
Sich durch Auszeiten oder Heimarbeit vor einer Corona-Infektion schützen, das geht nicht in jedem Beruf. Wir haben uns in der Serie „Relevant“ mit einigen „Helden des Alltags“ unterhalten, die immer auf Posten sein müssen – oft, ohne dass das der Öffentlichkeit richtig bewusst ist. Dieser Serienteil dreht sich um die Kassiererin Jeannine Ecker-Breckler, die seit rund 40 Jahren bei der Supermarktkette „Cactus“ arbeitet. Mit dem Tageblatt spricht die 57-Jährige über gute Manieren, Hamsterkäufe und verrät, warum es momentan keine kostenlosen Bonbons an der Kasse gibt.
Tageblatt: Frau Ecker-Breckler, Sie arbeiten in einem großen Supermarkt in Bascharage an der Kasse. Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie aus?
Morgens hole ich das Wechselgeld und setze mich dann an die Kasse. Für 8 Uhr bin ich bereit und warte auf die ersten Kunden. Wenn sie zu uns kommen, schaue ich die Menschen immer an, begrüße sie und wünsche ihnen nach dem Bezahlen einen guten Tag. Ich arbeite 30 Stunden die Woche und sitze jeden Tag während sechs Stunden an der Kasse. Pause mache ich in unserer Kantine.
Sie sitzen also viel, das ist doch sicherlich anstrengend.
Ich bin ein Mensch, der sich gerne bewegt, deshalb ist das lange Sitzen schon manchmal anstrengend. Mittlerweile ist es aber so, dass die Kassen Rücken an Rücken stehen. So können wir öfter unseren Arbeitsplatz wechseln, damit man auch mal Bewegungen in die andere Richtung macht und so verschiedene Körperseiten beansprucht. Außerdem kümmere ich mich manchmal auch um Kunden in unserem „Kaddo-Shop“, wenn Kollegen beispielsweise im Urlaub sind. Das ist dann eine Abwechslung.
Jeder Job bringt Herausforderungen mit sich. Was ist bei Ihrer Arbeit manchmal schwierig?
Manche Menschen sind gestresst und nervös, sagen nicht „Hallo“, nicht „Tschüss“ und es gibt auch kein „Danke“. Vor allem gegen Ende der Woche – freitags und samstags – sind viele im Stress. Andere haben das Handy am Ohr und unterbrechen das Gespräch nicht einmal an der Kasse. Wenn man keine guten Manieren hat, ist das für mich ein No-Go. Aber wir bleiben immer freundlich.
Macht man es als Kunde der Kassiererin einfacher, wenn man alles ordentlich sortiert auf das Band legt oder macht das für Sie keinen Unterschied?
Es ist etwas unhöflich, einfach alles auf das Band zu „jummen“ – das ist für mich eine Frage von Respekt. Aber wir müssen ja alles abtippen und da ist es für uns eigentlich egal, in welcher Reihenfolge wir das tun. Viele wollen zum Beispiel Joghurt zuletzt in die Tüte packen, den scannen wir dann auch als letztes. Älteren Kunden helfen wir auch schon mal beim Einpacken.
Sie sind seit 1982 Kassiererin, was nehmen Sie aus den ganzen Jahren mit?
Es gab Höhen und Tiefen – wie wahrscheinlich in jedem Beruf. Aber mit der Zeit kommt die Routine und man lernt, mit allem umzugehen. Ich würde sagen, dass die Menschen heutzutage generell gestresster sind. Diese Hektik, das war vor 40 Jahren noch nicht so. Und trotzdem: Wenn ich in etwa einem Jahr in Rente gehe, wird mir der Kontakt mit den Kunden fehlen.
Relevant – die Serie
Das Coronavirus hatte Auswirkungen auf fast jeden Beruf in unserer Gesellschaft. Einige dieser Jobs standen weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Und trotzdem waren auch sie auf eine gewisse Weise „relevant“. Was macht diese Berufe aus – und die Menschen, die sie ausüben? Für unsere Serie „Relevant“ haben wir uns mit ihnen unterhalten.
Was ist das Beste an Ihrem Beruf?
Ich bin gerne tagtäglich unter Menschen. Es gibt so nette Kunden – jüngere, die während ihrer Pause kommen, oder Rentner, die morgens einkaufen gehen und uns fragen, wie es geht, wie lange wir denn arbeiten müssen. Manche sind jeden Tag um die gleiche Zeit da. Wenn dann jemand nicht mehr auftaucht, weiß man, dass etwas nicht stimmt. Da habe ich dann schon mal in der Zeitung gelesen, dass Kunden leider verstorben sind.
Schwer war sicherlich auch die Corona-Pandemie. Wie haben Sie diese erlebt?
Das war tatsächlich sowohl für die Kunden wie auch für uns sehr schwer. Wir haben während ein, zwei Tagen zuerst ohne Plexiglas gearbeitet. Keiner wusste, wo das Ganze hinführen wird. Aber die Menschen waren so lieb, manche haben uns Schokolade geschenkt. Während der Pandemie gab es viel Solidarität. Mittlerweile ist es für uns alle schon normal, Masken zu tragen. Manchmal müssen wir die Leute aber auch daran erinnern.
Stichwort Solidarität: Einige haben sich ja während der Pandemie eher unsolidarisch gezeigt und richtige Hamsterkäufe gemacht.
Ja, manche hatten richtig Panik, dass auch die Supermärkte schließen werden. Aber dass es dann wirklich zu solchen Hamsterkäufen kam wie beispielsweise beim Toilettenpapier, das hätte ich nicht gedacht. In dieser Zeit mussten Kunden manchmal bis zu 50 Minuten an der Kasse warten, weil viele so viel eingekauft haben. Bei uns war es nicht so, dass die Anzahl der Artikel pro Käufer begrenzt war.
Was hat sich durch die Pandemie noch verändert?
Die jüngeren Kunden bekommen von uns an der Kasse normalerweise ja ein Bonbon. Unsere Körbchen hier sind im Moment aber leer. Wegen Corona können wir die Süßigkeiten nicht mitgeben. Manchmal fragen sogar ältere Menschen danach. (lacht)
Warum ist Ihr Beruf relevant?
Ich habe ein Auge darauf, dass die Kunden auch das zahlen, was sie kaufen – dass durch beispielsweise vertauschte Etiketten nicht zu viel oder zu wenig gezahlt wird. Auch wenn es mittlerweile diesen Self-Scan gibt, finde ich es doch gut, dass Kassierer da sind. Denn wenn vorher etwas schiefgelaufen ist, können wir es vielleicht noch richten. Letztlich sind wir immer der letzte Kontakt des Kunden.
Lesen Sie auch:
– Relevant (1): Müllladerin / Nach dem Applaus wieder die Frechheiten: Alltag bei der hauptstädtischen Müllabfuhr
– Relevant (2): Apotheker / Die Frage nach der blauen Pille
– Relevant (3): „Santé“-Hotline-Mitarbeiter / So hilft Raphaël Torres täglich Menschen am Telefon
– Relevant (4): Gemeindesekretär / Generalsekretär der Gemeinde Esch, Jean-Paul Espen: „Administrative Hürden nerven“
– Relevant (5): Briefträger / Leere Straßen, mehr Pakete: Wie die Pandemie den Alltag des Postboten beeinflusst hat
– Relevant (6): Bestatterin / Ein Leben mit dem Tod
– Relevant (7): Paketsortierer/ „Eine kleine Familie“: Wie Freiwillige beim Sortieren geholfen haben
- „Gibt noch viel zu tun“: Lydie Polfer äußert sich zur Sicherheit an Zebrastreifen - 20. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde legt Berufung ein - 18. November 2024.
- Nach Urteil im Zebrastreifen-Streit: Gemeinde will am Montag reagieren - 15. November 2024.
In 2-3 Jahren sind die Kassiererinnen abgeschafft.
Ich konnte den Artikel leider nicht lesen, weil eine Tageblattwerbung ihn versteckt hatte
———
Werter Canis Lupus,
Zugang zu unseren Premium-Artikeln ermöglichen unsere Abos – Angebote ab 1 Euro finden Sie hier:
https://abo.tageblatt.lu/offers
Beste Grüße aus der Redaktion