Gemeindeserie / Von „hilfsbereite Gemeinde“ bis „hier läuft einiges schief“: Clerf aus Sicht von Einwohnern
Bis zu den Kommunalwahlen im Juni veröffentlicht das Tageblatt jede Woche einen Beitrag aus einer der vielen Gemeinden des Landes. Menschen werden zur Lokalpolitik befragt. Ein Rück- und Ausblick – über Enttäuschungen, Feststellungen und Hoffnungen. Heute: die Kommune Clerf.
Die Momentaufnahme in der Gemeinde mit den 17 Ortschaften gestaltet sich schwierig. Clerf selbst ist, gemessen an der Bevölkerung, der größte der Ortsteile und wirkt um die Mittagsstunde und am Nachmittag wie ausgestorben. In der Grand-rue, der verkehrsberuhigten Einkaufsstraße, klackern vereinzelt die Räder der Rollkoffer anreisender Gäste über die Pflastersteine.
Es sind Gäste der drei Hotels, die dort in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander liegen. Große Plakate der Wanderausstellung „Sinn an net sinn“ empfangen mit dem Konterfei von Léa Linster und anderer Arbeitnehmer in Luxemburg. Das City-Management hat sie organisiert. Ansonsten studiert nur ein holländisches Paar die Auslagen der Geschäfte. Die ältere Dame, die mit ihrem Rollator auf einer Bank die Sonnenstrahlen genießt, will sich nicht zur Politik oder zu den anstehenden Gemeindewahlen äußern.
Sie wohnt in einem Altenheim der Stadt und sagt: „Ich kümmere mich nicht um Politik.“ Ihre Antwort entspricht dem, was an diesem Tag die häufigste Antwort ist. Foto? Nein danke. Name? Das Gleiche. Ob die Menschen im Norden scheuer sind als anderswo – die Ortschaften sind klein und jeder kennt jeden – oder ob die Stimmung an diesen Tag repräsentativ für die immer wieder beklagte Politikverdrossenheit ist, lässt sich nicht sagen.
Wertschätzung für Luxemburg
Am Anfang der Grand-rue hat Päivi Hoffmann ihren Souvenirshop. Die Finnin wohnt zwar nicht in Clerf, hatte ihr Geschäft aber vorher elf Jahre in Vianden. Sie ist froh, dass sie den Schritt, den Laden umzusiedeln, gemacht hat. Mit den alkoholischen Getränken, die sie verkauft, liegt sie auf Linie mit der „Cittaslow”, die Clerf sein will. Es sind Produkte aus einer Destillerie in der Nähe. Und es gibt ausschließlich Weine von der Mosel.
„Hier ist es viel besser“, sagt sie und meint damit zuerst den Kontakt mit den anderen Geschäftsleuten. „Man weiß hier Bescheid, was läuft“, sagt sie und findet, die Gemeinde sei sehr hilfsbereit. „Es ist hier ein viel größeres Miteinander als in Vianden.“ Das wiederum entspricht der Outdoor-Ausstellung ein paar Meter weiter, die zwar zuerst für mehr Gleichberechtigung, aber insgesamt um mehr Miteinander wirbt.
Sie ist die Einzige, die sich von den angesprochenen Geschäftsleuten äußern will. Die, die abwinken, verweisen auf die Trennung von Politik und Geschäft und darauf, dass man sie zu gut kennt. In der zur Gemeinde gehörenden Ortschaft Marnach liegt direkt neben der N7/E421 die „Nordstrooss Shopping Mile Marnach“. Mehrere Supermärkte und ein Bioladen, ein Ärztezentrum mit Apotheke, Tankstelle und ein Einrichtungshaus locken mit ihren Angeboten.
Autos parken und fahren ab. Allerdings wird das Einkaufszentrum nicht nur von den Einwohnern der Gemeinde Clerf genutzt, sondern auch von Einwohnern aus Hosingen, Ulflingen oder sogar Weiswampach. Die wenigen angetroffenen Wahlberechtigten, die etwas sagen wollen, tun das anonym. „Hier läuft einiges schief“, sagt ein älterer Mann, der sich auf einen Gehstock stützt. „Ich wohne in der Gemeinde in einem kleinen Dorf und da ist nichts mehr“, sagt er. „Was machen ich denn, wenn ich nicht mehr fahren kann?“
Eine tiefer gehende Diskussion darüber will er namentlich nicht weiterverfolgen. Sagt es, steigt ein und fährt weg. Von zwei Männern, die sich vor der Drehtür zum Einkaufszentrum unterhalten, will nur einer etwas sagen, und das anonym. Er ist Portugiese und lebt schon ein paar Jahre in der Gemeinde. „Ich zahle hier pünktlich meine Steuern und sage: Danke Luxemburg“, sagt er. „Ich fühle mich hier wohl.“
Weitergehende Fragen zur Politik will auch er nicht beantworten. Da wird sein jüngerer Landsmann, der sich gerade ein Getränk gekauft hat und dessen Eltern ebenfalls Portugiesen sind, konkreter. Ivo Gomez (33) ist in Luxemburg geboren und hat einen luxemburgischen Pass. Seit zwei Jahren wohnt er in der Gemeinde. „Man muss zufrieden sein mit dem, was man hat“, sagt er und verweist auf andere Länder – unter anderem die Heimat seiner Eltern.
„Wenn ich in Portugal sehe, wie Leute dort teuer ihre Medikamente bezahlen müssen, nichts von der Krankenkasse ersetzt, und sowieso keine Termine beim Arzt bekommen, dann geht es uns doch gut hier.“ Sein Maßstab ist zwar ein europäischer. Aber es ist vielleicht einer, der dabei hilft, die Lokalpolitik in einem größeren Rahmen zu beurteilen.
Die Gemeinde Clerf
Größe/Fläche: Clerf ist flächenmäßig die zweitgrößte Gemeinde im Land und erstreckt sich über 85,6 km2
Ortschaften: Clerf, Drauffelt, Eselborn, Fischbach, Grindhausen, Heinerscheid, Hüpperdingen, Kalborn, Lieler, Marnach, Mecher, Munshausen, Reuler, Roder, Siebenaler, Urspelt, Weicherdingen. Höfe und Weiler gehören ebenfalls dazu: Fossenhof, Kaesfurt, Kalborner Mühle, Kaaspelterhof, Kirelshof, Lausdorn, Tintesmühle, Wirtgensmühle.
Wahlberechtigte: Von den 1.670 Nicht-Luxemburgern sind 1.461 potenzielle Wähler, davon sind 209 eingeschrieben, was einem Prozentsatz der Einschreibungen von Nicht-Luxemburgern von 12,5 Prozent (Stand 31. Januar 2023) entspricht. Damit liegt Clerf leicht über dem nationalen Prozentsatz der Einschreibungen von Nicht-Luxemburgern, der 11,7 Prozent beträgt.
Aktueller Bürgermeister: Emile Eicher (CSV)
Zusammensetzung Gemeinderat: Claude Weiler (Schöffe), Georges keipes (Schöffe), Betsy Aschman, Raymond Beffort, Theo Blasen, Romain Braquet, Jacquot Junk, Romy Karier, Safet „Jacques“ Sabotic, Jean-Pierre Schuller. Obwohl Clerf eine Proporzgemeinde ist, wird auf die Parteizugehörigkeit der Gemeinderatsmitglieder kein Wert gelegt. „Das ist Absicht“, heißt es auf Nachfrage, die unbeantwortet bleibt, aus dem Rathaus.
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