Editorial / Von Phrasendreschern und der Utopie der politischen Partizipation
Politische Parteien sind Vereinigungen von Bürgerinnen und Bürgern, die gemeinsame Interessen und gemeinsame politische Vorstellungen haben. Parteien wollen in Wahlen politische Macht in Parlamenten und Regierungen gewinnen, um ihre politischen Ziele zu verwirklichen. So definiert die Bundeszentrale für politische Bildung eine Partei. Denn Parteien dienen der politischen Willensbildung: Sie sollen politisch Gleichgesinnte sammeln und politische Ideen in ausformulierten Programmen bündeln und Lösungswege für gesellschaftliche Probleme aufzeigen.
Schwenk auf die Vorstellung von „Fokus“. Das mit dem Machtanspruch haben Marc Ruppert, Gary Kneip, Françoise Kirsch und Anne Lecuit hervorragend gelöst. „Regierungsverantwortung“ lautet das ausgewiesene Ziel für 2023. Nicht nur den anwesenden Journalisten stockte kurz der Atem. Der Meinungsforscher Tommy Klein hält dieses ausgewiesene Ziel ebenfalls für wenig realistisch. Das Problem: Wie soll sich „Fokus“ von anderen Parteien unterscheiden?
Der ehemalige CSV-Präsident Frank Engel, einer der Hauptprotagonisten, hätte auf diese Frage eventuell Antworten liefern können, fehlte jedoch aufgrund gesundheitlicher Probleme. Und anscheinend fehlte mit dem designierten Parteisprecher auch die politische Courage, eine konkrete Marschrichtung vorzugeben. Politische Schwerpunkte und die Besetzung konkreter Themenfelder sollen erst in den kommenden Wochen und Monaten nachgeliefert werden, erklären die Parteigründer. Zu brav, zu bieder und vor allem zu einfallslos wirkt der Auftritt. Die viel beschworene Rückbesinnung auf die bürgerlichen Werte soll eine Leitlinie bilden: Solidarität, Respekt, Engagement, Bewusstsein für Verantwortungen und Verpflichtungen.
Diese Schlagwörter dürften dem politisch Interessierten sicherlich bekannt sein. Ein Blick auf vergangene Wahlkämpfe zeigt nämlich, dass der Wille von Fokus, es anders machen zu wollen, schnell zum Einheitsbrei verkommt. Engagement? Darauf setzte „déi Lénk“ mit ihrem Wahlkampfslogan von 2018 „Engagéiert fir Verännerung“. Solidarität? Das „Zesummen“ oder auch „Solidaritéit liewen: Fir Fortschrëtt a Gerechtegkeet“ der LSAP lässt grüßen. Verantwortung? Das 2013er Wahlkampfteam der Grünen meldete Copyright-Rechte mit seinem „Méi Gréng. Méi Verantwortung“ an. Alleinstellungsmerkmal mag der gegenseitige Respekt sein. Wie schnell der sich jedoch in Luft auflösen kann, zeigte nicht zuletzt die Freundeskreis-Affäre. Einige der Fokus-Mitglieder mögen sich eventuell daran erinnern.
„Mir wëlle mat neie Leit, Iddien a Konzepter eist Land no vir bréngen“, lässt Fokus den interessierten Leser auf dem neuen Internetauftritt wissen. Die DP fasste es 2013, die CSV 2018 ganz ähnlich zusammen: „Besser Léisunge fir eist Land“ oder auch „Mir hunn e Plang fir Lëtzebuerg“ lauteten die Wahlslogans in den damaligen Wahlkampagnen. Das Phrasenschwein bei Fokus dürfte noch vor dem Gründungskongress bereits ordentlich gefüllt sein. Eine erste gute finanzielle Basis für die kommenden Wahlslogans.
Die große Ankündigung der neuen Partei erscheint somit verfrüht und wenig durchdacht. Warum sollen sich neue Mitglieder einer Vereinigung anschließen, die keine konkreten politischen Ideen präsentiert? Wem oder was genau schließt man sich denn nun an? Und: Wie geht die Partei mit den ersten innerparteilichen Disputen um, die notgedrungen folgen werden, wenn sich politische Anfänger und Veteranen jeder Couleur mit konkreten politischen Inhalten auseinandersetzen müssen? Die von Fokus gezeichnete Utopie der politischen Partizipation muss sich in den kommenden Monaten nämlich auch inhaltlich auf dem politischen Parkett positionieren. Spannend ist, was von der anfänglichen Dynamik übrig bleibt – und ob sich Fokus auch langfristig als neuer politischer Player in Luxemburg etabliert.
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Mein Vorschlag für ein Profil der neuen Partei ist die Ausrichtung ihres Fokus‘ auf die Kraft der Wahrheit und der Integrität durch tabufreies, verantwortungsbereites Denken und Handeln.
„Die Freiheit des Denkens ist die Garantie gegen die Infektion des Volkes durch Massenlegenden.“
(Andrej SACHAROW)
„Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“
(George SANTAYANA)
MfG
Robert Hottua
Wirklich neu wäre, wenn eine Partei nach der Wahl auch tatsächlich umsetzt, was sie in ihrem Programm versprochen hat.
@CESHA : Die Partei hat doch überhaupt noch kein Programm. Sie fragen doch das VOLK nach Ideen zu Programm. Das ist doch purer POPULismus.