Medienausschuss / Von „politischen Scharmützeln“ bis hin zu „gebührendem Ernst“: Abgeordnete wollen sich bei Analyse von RTL-Vertrag Zeit lassen
Die Abgeordneten haben am Freitag erste Einblicke in den bis dato vertraulichen Konzessionsvertrag zwischen dem Luxemburger Staat und RTL erhalten. Ein kleines Scharmützel zwischen dem Piraten-Abgeordneten Sven Clement und Medienminister Xavier Bettel blieb nicht aus, ansonsten zeigten sich die Abgeordneten zufrieden mit dem Verlauf der Sitzung.
Der Medienausschuss am Freitagnachmittag war mit Spannung erwartet worden. Erstmals erhielten die Abgeordneten im Beisein von Premier- und Medienminister Xavier Bettel (DP) und dessen Kabinettchef Paul Konsbruck Einblick in den Konzessionsvertrag mit RTL. Dem war ein Gerichtsurteil des Verwaltungsgerichts vorausgegangen. Der Präsident der Medienkommission, Guy Arendt (DP), sagt dem Tageblatt gegenüber, dass die Sitzung „sehr gut“ verlaufen sei. „Einige Abgeordnete haben während der Sitzung noch zusätzliche Dokumente angefordert, die dann von der Regierung nachgeliefert wurden“, so der DP-Abgeordnete. Zudem scheinen die Planungen für einen Lesesaal im Parlament schnell fortzuschreiten: „Der Saal wurde bereits bestimmt und im Februar wird das Reglement für die genaue Prozedur der Einsicht von der Chamber nachgereicht“, sagte Arendt dem Tageblatt.
Insgesamt waren 21 Abgeordnete bei der Sitzung anwesend – der Medienausschuss umfasst eigentlich nur 15 Abgeordnete. Jedem Abgeordneten steht es allerdings frei, an einer Kommissionssitzung teilzunehmen, in der er selbst nicht Mitglied ist – ausgenommen von dieser Regelung ist die Geheimdienstkommission. Das Ministerium hatte genügend Kopien vorbereitet, um jedem einzelnen Abgeordneten eine solche überreichen zu können. Auch die nachträglich in der Sitzung angeforderten Dokumente wurden schnell im Ministerium dupliziert, damit jeder Abgeordnete eine Kopie erhielt. Am Ende der Sitzung wurden alle Dokumente von Mitarbeitern des Ministeriums wieder eingesammelt.
Diane Adehm von der CSV berichtet von einer sachlichen Kommissionssitzung: „Wir hatten ein paar Fragen zum jetzigen Konzessionsvertrag und dem, der bis zum 31. Dezember 2020 Gültigkeit hatte. Diese Fragen wurden uns aber größtenteils beantwortet“, sagt die CSV-Politikerin. Zum Inhalt verriet die Politikerin lediglich, dass es einige Differenzen politischer Art gebe. Ab Montag soll der Vertrag im Staatsministerium einsehbar sein – die genaue Vorgehensweise sei jedoch noch immer nicht bekannt. „Darüber wurde heute noch nicht diskutiert“, sagt Adehm. Ob die Sitzung ruhig verlaufen würde, war ungewiss, kam es doch gleich zu Anfang zu einem Schlagabtausch zwischen Medienminister Xavier Bettel (DP) und dem Piraten-Abgeordneten Sven Clement. „Der Medienminister meinte, er habe sich nie geweigert, die Dokumente herauszurücken“, berichtet Adehm. Daraufhin habe Clement gefragt, warum er dann vor Gericht habe klagen müssen. „Da muss man sich tatsächlich fragen, warum der Medienminister sich hinter einer Vertraulichkeitsklausel versteckt“, merkt die CSV-Politikerin dazu an.
Ruhige Sitzung
Den Schlagabtausch bezeichnete der Piraten-Abgeordnete als „politisches Scharmützel“ – und kritisierte hingegen die begrenzte Bereitwilligkeit der Regierung, Fragen zu beantworten. „Die Fragen faktischer Natur wurden allesamt beantwortet – die politischen Fragen hingegen nur teilweise“, gibt sich der Piraten-Abgeordnete nur halbwegs zufrieden mit der Ausschusssitzung am Freitag. Der Vertrag habe hingegen mehrere hundert Seiten, weswegen es unmöglich gewesen sei, alles im Detail nachzulesen, sagt Clement. „Die 100 Seiten können unmöglich in 90 Minuten analysiert werden“, führt der Piraten-Abgeordnete aus und hält sich mit weiteren Aussagen bedeckt: „Ich muss den Vertrag jetzt erst mal analysieren, bevor ich irgendwelche Schlüsse ziehe. Einen Seitenhieb Richtung Fedil-Präsidentin Michèle Detaille konnte sich der Piraten-Abgeordnete jedoch nicht verkneifen: „Im Gegensatz zu dem, was einige ehemalige belgische Abgeordnete denken, nehmen wir uns dieses Dossiers mit dem gebührenden Ernst an.“
David Wagner von „déi Lénk“ will sich bei der Analyse der Verträge ebenfalls genügend Zeit lassen. Es habe keinen Sinn, in einer einzigen Sitzung alle Dokumente durchsehen zu wollen, sagt Wagner. „Wir sind ohnehin der Meinung, dass wir als Abgeordnete nicht ins Staatsministerium pilgern müssen, um die Verträge einzusehen“, sagt der Politiker von „déi Lénk“ gegenüber dem Tageblatt. Aus Gesprächen im Vorfeld hatte David Wagner eine vage Vorstellung, was in dem Vertrag drin stehen könnte. „Das hat sich auf den ersten Blick bestätigt“, meint der Abgeordnete, ohne genauere Details zu verraten. Nur in einem ist sich David Wagner sicher: „Es macht eigentlich keinen Sinn, einen Einblick zu erhalten, um dann festzustellen, dass der Vertrag nicht eingehalten wurde. Es muss also geklärt werden, wie mit diesen sensiblen Informationen umgegangen wird“, sagt Wagner. Er könne die Informationen ja nicht geheimhalten, wenn es gegen seine Auffassung des Abgeordneten-Amtes verstoße, so der Linken-Politiker.
Die LSAP-Abgeordnete und frühere RTL-Redakteurin Francine Closener hielt sich hingegen völlig bedeckt: „Zum Inhalt kann ich gar nichts sagen.“ Der Medienminister sei jedoch anwesend gewesen und habe alle Dokumente, die von den Abgeordneten verlangt wurden, ausgeteilt. „Minister Xavier Bettel hat deutlich gemacht, dass jeder Abgeordnete so lange und so oft Einsicht bekommt, wie er denn möchte. In der Hinsicht waren wir also vollends zufrieden“, sagte die LSAP-Politikerin.
Kontroverse um Fedil
Schon am Freitagmorgen, vor der Ausschusssitzung, wirbelte die Präsidentin der Luxemburger Industrieföderation (Fedil), Michèle Detaille, in einem RTL-Interview Staub auf. Eingangs sagte die Fedil-Präsidentin noch, es gebe fast keine Skandale – nur um dann im Handumdrehen selbst für einen zu sorgen: Detaille behauptete, die Entscheidung, dass RTL gezwungen werde, den Abgeordneten Einsicht in den bisher vertraulichen Teil des Konzessionsvertrages zu gewähren, sei „idiotisch und kontraproduktiv“. Es habe keinen Sinn, Informationen an Abgeordnete weiterzugeben, die „keine Ahnung“ hätten. Auch die CSV, die das Dossier „Fage“ an die Staatsanwaltschaft weiterleitete, bekam ihr Fett weg: „Was ist das für ein Land? Da habe ich schon gar keine Lust, hierherzukommen.“ Diese Aussagen alleine hätten wohl bereits genug Unruhe gestiftet, doch Detaille, ihres Zeichens selbst frühere Abgeordnete in Belgien, setzte mit der Aussage, dass man nur in Diktaturen transparent sei, noch einen drauf.
Reaktionen blieben folglich nicht aus. Der Kläger im Gerichtsprozess und Piraten-Abgeordnete Sven Clement meldete sich per Twitter zu Wort. „Nur weil man sich selbst als Abgeordnete seinerzeit inkompetent fühlte, sollte man das nicht auf andere übertragen, die gute Arbeit leisten“, schreibt der Piraten-Abgeordnete in dem sozialen Netzwerk. LSAP-Politiker Mars di Bartolomeo registrierte sich eigens auf der RTL-Plattform, um der Fedil-Präsidentin zu antworten: „Die Abgeordneten sind weder inkompetent noch sind sie verantwortungslose Gesellen, die Vertrauliches nicht respektieren würden.“
Der Direktor der Fedil, René Winkin, wollte sich am Abend nicht zu den Aussagen von Michèle Detaille äußern, bevor er das Gespräch mit ihr gesucht habe. „Ich gehe davon aus, dass Frau Detaille noch einmal Stellung beziehen wird. Über das eigentliche Thema kann man dann auch ‚à tête reposée’ diskutieren.“
Am Abend folgte dann die Kehrtwende von Detaille über das Social-Media-Portal LinkedIn. „Wenn einige meiner Aussagen verletzend waren, würde ich mich gerne entschuldigen“, schreibt Detaille. Sie habe einen tiefen Respekt vor der parlamentarischen Demokratie und ihren Institutionen. Ihre Absicht sei es nie gewesen, eine Entscheidung der Justiz zu kritisieren. Ihre Sorge gelte der Attraktivität des Standorts Luxemburg.
Just well een sech deemols als Deputéiert inkompetent gefillt huet sollt een dat net op aanerer projezéieren déi eng anstänneg Aarbecht man! #transparenz #demokratie #TrennungStaatAFedilElo
— Sven Clement (@svnee) February 5, 2021
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Wird geleakt in 3…2…1..