Luxemburg / Von rund 100.000 auf zwei Millionen: Riesensprung beim Urlaub aus familiären Gründen im Jahr 2020
Die Zahl der Urlaubstage, die man in Luxemburg aus familiären Gründen nehmen kann, ist im Jahr 2020 regelrecht explodiert. Gut 100.000 Tage waren es noch insgesamt im Jahr 2017, im ersten Pandemiejahr stieg die Zahl dann auf rund zwei Millionen Tage an. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervor. Das Tageblatt hat sie sich etwas genauer angeschaut.
Viele Eltern wollen, so häufig es geht, Zeit mit ihren Kindern verbringen oder sich kümmern, wenn der Nachwuchs krank ist. Der „congé pour raisons familiales“, also der Urlaub aus familiären Gründen, ist in Luxemburg eine Möglichkeit, das umzusetzen. Im Jahr 2020 hat diese Urlaubsform allerdings einen sprunghaften Anstieg erlebt – von rund 100.000 Tagen in 2017 auf etwa zwei Millionen. Das geht aus einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der DP-Abgeordneten Carole Hartmann und Max Hahn hervor. Wer die vergangenen paar Jahre also nicht komplett verpasst hat, dem fällt dabei auch der Zusammenhang auf: 2020 ging das Corona-Karussell los.
In besagtem ersten Pandemiejahr blieben viele Schulen geschlossen und Kinder mussten zu Hause unterrichtet oder betreut werden. Eltern mussten sich deshalb eine Lösung überlegen, wie sie ihre Kinder in der Zeit am besten versorgen können. Offenbar nutzten dafür viele den „congé pour raisons familiales“. Georges Engel (LSAP), Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft, beantwortet die Anfrage der DP-Abgeordneten hauptsächlich mit Tabellen – weil die beiden Politiker die entsprechenden Zahlen verschiedener Urlaubsarten wissen wollten.
Sprunghafter Anstieg absehbar
Dass die Zahlen aus 2020 dieses Ausmaß erreichen, ist laut Frédéric Krier rückblickend nicht überraschend. Er sitzt im geschäftsführenden Vorstand des „Onofhängege Gewerkschaftsbond Lëtzebuerg“ (OGBL) und ist im Gewerkschaftssyndikat Erziehung und Wissenschaft (SEW) aktiv. „Dass die Zahlen so hoch waren, konnte man durchaus damals schon in den Betrieben beobachten“, sagt Krier am Montag gegenüber dem Tageblatt.
Engel erklärt in seiner Antwort auf die DP-Anfrage: „Die Datenbanken der Sozialversicherung ermöglichen nur die Identifizierung von Sonderurlaub, der von der Sozialversicherung finanziert wird, nicht jedoch von außerordentlichem Urlaub, der direkt vom jeweiligen Arbeitgeber übernommen wird.“
Mehr Männer nehmen Urlaub aus familiären Gründen
Die Zahlen aus den zugehörigen Tabellen dazu lassen neben den Urlaubstagen aus familiären Gründen auch noch etwas anderes erkennen: Bei der verzeichneten Geschlechterverteilung des Elternurlaubs hat es einen Wechsel gegeben – allerdings schon vor der Pandemie. In Zahlen heißt das: Im Jahr 2017 haben 4.576 Frauen und 3.675 Männer von der Sozialversicherung finanzierten Elternurlaub genommen, 2018 herrschte beinahe Gleichstand, und im Jahr 2019 waren es schließlich 4.944 Frauen und 5.443 Männer.
Zwei Arten von Elternurlaub
Ein Elternteil kann im Großherzogtum entweder den ersten Elternurlaub beantragen, der direkt im Anschluss an den Mutterschafts- oder Adoptionsurlaub zu nehmen ist; oder den zweiten Elternurlaub, der vor dem sechsten Geburtstag des Kindes (oder vor dem zwölften Geburtstag im Falle einer Adoption) zu nehmen ist. Der Elternurlaub wird nur einmal pro Kind gewährt. Verzichtet ein Elternteil auf den Elternurlaub, kann der Urlaubsanspruch nicht auf einen anderen Elternteil übertragen werden. (Quelle: Guichet.lu)
„Es ist natürlich zu begrüßen, dass sich das mittlerweile mehr auf beide Partner aufteilt“, sagt Krier dazu. Als mögliche Ursache sieht er dabei die Reform aus dem Jahr 2015, die die Zahlung im „congé parental“ deutlich anhob – auf maximal 3.200 Euro. Dabei handelt es sich um eine Art Ersatzeinkommen – davor bekamen Eltern 1.778 Euro monatlich. Laut Krier sei es seitdem deutlich attraktiver, den Elternurlaub in Anspruch zu nehmen. Auch, weil es mittlerweile mehr Möglichkeiten und Flexibilität hinsichtlich des Sonderurlaubs gebe, zum Beispiel könnten Arbeitnehmer den Urlaub immer einen Tag pro Woche oder in anderen vorgegebenen Bündeln nehmen.
Elternurlaub in Luxemburg nimmt zu
„Zu wünschen wäre es auf jeden Fall, dass es einigermaßen gleichwertig ist“, erklärt Krier zu den Zahlen. Dass es inzwischen sogar mehr Männer geworden seien, die den Elternurlaub nehmen, obwohl dies lange bei den Frauen der Fall war, sei dann doch überraschend, so das OGBL-Vorstandsmitglied. Es gebe jedoch nach wie vor Sonderurlaube, bei welchen die Frauen weiterhin deutlich vorne liegen. Das bestätigt auch die Tabelle aus der parlamentarischen Antwort. Deutlich mehr Frauen nahmen in den vergangenen Jahren den „congé pour raisons familiales“ in Anspruch, der Unterschied bewegt sich im Tausender-Bereich. So nahmen 2017 beispielsweise 17.874 Frauen und 12.217 Männer Urlaub aus familiären Gründen, im Jahr 2019 waren es 20.818 Frauen und 14.774 Männer. 2021 nahmen 30.584 Frauen und 22.192 Männer den „congé pour raisons familiales“ in Anspruch.
Dass die Anzahl der Menschen, die in Luxemburg insgesamt pro Jahr Elternurlaub nehmen, ebenfalls in den vergangenen Jahren immer mehr zunahm, könne möglicherweise ebenfalls mit den attraktiveren Bedingungen zusammenhängen, sagt Krier. Im Jahr 2017 nahmen noch 8.251 Menschen in Luxemburg Elternurlaub, 2018 waren es 9.596 Elternteile, 2019 stieg die Zahl auf 10.387 Menschen und 2021 waren es schließlich 11.636 Elternteile, die den Sonderurlaub in Anspruch nahmen.
Petition zum Elternurlaub erreicht 4.500 Unterschriften
Mindestens 4.500 Unterschriften muss eine Petition innerhalb von sechs Wochen sammeln, damit es zu einer öffentlichen Debatte im Luxemburger Parlament kommt. Diese Schwelle hat die Petition mit der Nummer 2332 kürzlich erreicht. Darin wird eine mögliche Elternzeit von neun Monaten gefordert. In der Erklärung zu der Petition heißt es: „Mit der Verlängerung von sechs auf neun Monate haben die Eltern die Möglichkeit, ihr Kind bis zur Vollendung des ersten Geburtstages zu Hause zu betreuen. Mit dem aktuellen ‚congé parental’ von sechs Monaten muss das Kind bereits in einem Alter von neun Monaten in eine Betreuungsstruktur. Dies kann sich als schwierig erweisen, wenn das Kind zum Beispiel noch gestillt wird, welches die WHO (Weltgesundheitsorganisation, Anm. d. Red.) bis zum zweiten Lebensjahr empfiehlt. In Schweden zum Beispiel liegt die Dauer des ‚congé parental’ bei 16 Monaten, in Deutschland kann man sogar bis zu drei Jahren beantragen.“
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