LGBTQIA+ / Von Vielfalt bis Gesetzesänderungen: Das sind die politischen Ziele der Pride in Luxemburg
Die Pride in Luxemburg ist nicht nur eine Feier der LGBTQIA+-Community, sondern hat seit ihrem Entstehen auch politische Forderungen gestellt. Obwohl das Großherzogtum in den vergangenen 25 Jahren große Schritte in Richtung Gleichberechtigung getan hat, gibt es bei vielen Themen noch Handlungsbedarf. Wir haben bei einigen der zentralen teilnehmenden Organisationen der Zivilgesellschaft nachgefragt, welche Forderungen sie in diesem Jahr an die Nationalpolitik richten.
Rosa Lëtzebuerg
Die Hauptorganisatoren der Pride haben fünf zentrale Forderungen formuliert. Erstens verlangt Rosa Lëtzebuerg die Einrichtung eines eigenständigen Ministeriums für Diversität, das ausdrücklich beauftragt wäre, Vielfalt zu fördern und alle Formen der Diskriminierung zu bekämpfen. Dieses Ministerium wäre für die Umsetzung umfassender Strategien zuständig, die nicht nur offene Diskriminierung bekämpfen, sondern auch rechtliche und administrative Ungleichheiten abbauen. Darüber hinaus fordert Rosa L. eine LGBTIQ+-Kontaktstelle bei der Polizei sowie bessere Schulungen für Polizisten, da „einige Polizisten in Luxemburg ein erhebliches Wissensdefizit bei der Bearbeitung von Fällen mit queerem Bezug haben.“ Zudem kritisiert Rosa Lëtzebuerg das Fehlen von Statistiken über Fälle von queerfeindlicher Gewalt oder Hassreden.
Ein weiterer Punkt ist die Abschaffung des binären Geschlechtersystems: „Ein schneller und machbarer erster Schritt wäre die Entfernung von Geschlechtseinträgen auf allen offiziellen Dokumenten, wo diese Informationen keinen Mehrwert bieten.“ Darüber hinaus fordert Rosa Lëtzebuerg das Verbot von Konversionstherapien, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität von LGBTIQ+-Personen zu ändern.
Außerdem verlangt die Organisation, dass medizinische Eingriffe an Kindern mit abweichenden Geschlechtsmerkmalen gesetzlich verboten werden, bis diese selbst ihre Einwilligung geben können. Eltern und Betroffene müssten zudem umfassend und wahrheitsgemäß informiert werden. Dies sei im Koalitionsvertrag festgehalten worden, bisher aber noch nicht umgesetzt worden, so Rosa Lëtzebuerg.
Centre LGBTIQ Cigale
Das Centre LGBTIQ Cigale (Cigale) ist ein Informationszentrum, das traditionell keine politischen Forderungen stellt. Allerdings treffen sich im Zentrum unterschiedliche Interessengruppen der LGBTQIA+-Gemeinschaft, die ebenfalls an der Pride teilnehmen und mehrere Verbesserungsmöglichkeiten vorschlagen. Die unterschiedlichen Gruppen sorgen sich beispielsweise über die Zunahme von Intoleranz in Europa – getragen von öffentlichen und/oder politischen Bewegungen – sowie über die zunehmend polarisierte Gesellschaft, „wobei es im besten Fall zu Missverständnissen hinsichtlich der Verschiedenheit von Körper, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung und im schlimmsten Fall zu moralischen und sozialen Verurteilungen kommt“. LGBTIQ+-Feindlichkeit und Diskriminierungen würden an Zahl und Schwere zunehmen.
Die Interessengruppen fordern unter anderem die Beseitigung von administrativen und medizinischen Hindernissen bei der Transition, die Anerkennung der Nicht-Binarität und eine echte Gleichberechtigung von Regenbogenfamilien und ihren Kindern, „auf die wir seit 10 Jahren warten.“
Weiterhin müssten politische Entscheidungen mit intersektionalem Ansatz getroffen werden. Das heißt, dass dabei auch auf die Rechte und Forderungen marginalisierter Personengruppen und von Minoritäten geachtet werden muss. Auch das Fachwissen der LGBTQIA+-Gemeinschaften müsste auf politischer und gesellschaftlicher Ebene mehr beachtet werden und diese bei Entscheidungen, die sie betreffen, stärker mit einbezogen werden. Außerdem brauche es eine größere Sichtbarkeit bestimmter Gemeinschaften in politischen und sozialen Feldern für weniger Diskriminierung und mehr Inklusion.
Das Cigale wünscht sich darüber hinaus die Umsetzung einer ehrgeizigen Inklusionspolitik, die der gesamten luxemburgischen Gesellschaft zugutekommt. Man brauche mehr Mittel, „sowohl in Form von Personal als auch in Form von Einrichtungen wie Unterkünften oder der Möglichkeit, sektionsübergreifende Aktionen zur Unterstützung, Stärkung und Sensibilisierung der Gesellschaft in all ihren Teilen durchzuführen“.
Lëtz Rise Up
„Von Norwegen über Spanien und Italien bis in die Slowakei beobachten wir einen alarmierenden Anstieg von Angriffen und unterdrückenden politischen Strategien“, schreibt die Organisation Lëtz Rise Up. Der im April 2024 verabschiedete Asyl- und Migrationspakt habe die ohnehin schon eklatanten Schwierigkeiten für Migrantinnen und Migranten noch weiter verschärft. Zusammen mit institutionellem Rassismus und Polizeigewalt schaffe der Pakt ein bedrohliches Klima für ethnische Minderheiten und LGBTQIA+-Menschen. Deswegen fordere man im Kampf für LGBTQIA+-Rechte die Berücksichtigung von Mehrfachbenachteiligungen, z.B. ausgelöst durch die ethnische Herkunft, soziale Klasse, den administrativen Status oder andere soziale Kategorien. Gleichzeitig müsse verhindert werden, dass die LGBTQIA+-Bewegung für rassistische und klassenkämpferische Zwecke missbraucht werde. Am Ende fordert Lëtz Rise Up zudem die Gewährung des Asylrechts für alle LGBTQIA+-Personen, die Regularisierung aller Sans-Papiers und die Gewährleistung einer würdigen und menschenwürdigen Aufnahme für alle.
CID Fraen an Gender
Auch der CID Fraen an Gender hat zu LGBTQIA+-Politik mehrere Forderungen im Gepäck. Diese haben sie schon vor den Wahlen an die Politik gestellt, wiederholen sie aber zur Pride: Zunächst fordert das feministische Zentrum drei Monate Elternzeit bei vollem Lohnausgleich für den zweiten Elternteil, unabhängig von dessen Geschlecht, und den Ersatz des „Pappecongé“ durch den „Congé de naissance“. Außerdem brauche es in Luxemburg die Erhebung und Nutzung von genderspezifischen Daten (die über die Zweigeschlechtlichkeit hinausgehen). Diese könne man dann auch bei der Finanzierung von staatlichen und parastaatlichen Projekten beachten. Es brauche weiterhin eine gezielte Förderung von Genderforschung. Wie auch Rosa Lëtzebuerg fordert das CID eine Veränderung bei den Geschlechtseinträgen auf allen offiziellen Dokumenten. CID Fraen an Gender plädiert allerdings nicht für die Streichung der Geschlechtsangaben, sondern für eine weitere Kategorie neben männlich/weiblich oder für die Option, die betreffenden Felder nicht ausfüllen zu müssen. Schließlich fordert die Organisation auch Angebote und Aufnahmestrukturen für Frauen, nicht-binäre und queere Menschen, die keinen festen Wohnsitz haben.
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