Luxemburg / Von wegen „Ein Gläschen geht noch“: Suchtverband ruft „Dréchene Januar“ aus
Wenn schon morgens der Tag mit einem Drink beginnt oder sogar beginnen muss, um zu funktionieren, dann stimmt etwas nicht. Geschätzte 30.000 Menschen sind in Luxemburg alkoholabhängig. Zum ersten Mal hat der Suchtverband Lëtzebuerg, der Dachverband der Drogen- und Suchthilfeeinrichtungen im Land, den „Dréchene Januar” ausgerufen, um für den Missbrauch zu sensibilisieren.
Der Chef denkt über Sanktionen nach, der Partner droht mit dem Ende der Beziehung, oder ohne Alkohol ist der Alltag nicht mehr zu bewältigen: Mit Geschichten wie diesen kommen alle Patienten ins „Centre Äddi.c“ in Luxemburg-Stadt, einer Abteilung des „Centre hospitalier neuro-psychiatrique“ (CHNP) in Ettelbrück. Der Grund ist übermäßiger Alkoholkonsum. Die ambulante Tagesklinik hilft Suchtpatienten, die Krankheit in den Griff zu bekommen.
Dabei geht es nicht mehr nur einzig allein um Abstinenz. Manchmal reicht auch die Begleitung zum „kontrollierten Konsum“. Wie verbreitet die Sucht ist, zeigen Zahlen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Drei Millionen Todesfälle sind pro Jahr weltweit auf schädlichen Alkoholkonsum zurückzuführen. Dies entspricht 5,3 Prozent aller Todesfälle, teilt die WHO im „Fact Sheet“ zum Thema mit.
Außerdem sind 5,1 Prozent der weltweiten Krankheits- und Verletzungslast auf Alkohol zurückzuführen – ganz zu schweigen von den sozialen und wirtschaftlichen Verlusten für den Einzelnen und die Gesellschaft insgesamt. Bei Menschen im Alter von 20 bis 39 Jahren haben etwa 13,5 Prozent aller Todesfälle einen Zusammenhang mit Alkohol.
Wer keinen Alkohol trinkt, muss sich erklären
Und es gibt einen ursächlichen Zusammenhang zwischen schädlichem Alkoholkonsum und einer Reihe von psychischen Störungen und Verhaltensstörungen. Die WHO konstatiert geschlechterspezifische Unterschiede, die sich mit den Erfahrungen der Praktiker vor Ort decken. 7,7 Prozent aller Todesfälle bei Männern sind alkoholbedingt. Dem gegenüber stehen 2,6 Prozent Anteil an den Todesfällen bei Frauen.
Das ist die aktuelle weltweite Perspektive, nachdem sich bereits 2010 in Genf 193 WHO-Mitglieder auf einen „historischen Konsens“ in puncto Alkohol geeinigt hatten. Die Resolution Nummer WHA63.13 verabschiedet eine globale Strategie zur Reduzierung von übermäßigem Alkoholkonsum. Das Problem ist aber viel tiefliegender und kommt verdächtig unauffällig daher. Alkoholkonsum ist gesellschaftlicher Konsens.
Ein gutes Beispiel ist Silvester, wenn überall die Sektkorken knallen. „Wer dann auf einer Party nichts trinken will, muss sich rechtfertigen“, sagt Ute Heinz (54). „Ein Nichtraucher muss das nicht.“ Krank oder schwanger? Alkoholische Getränke abzulehnen, ist erklärungsbedürftig. Die Psychologin und Psychotherapeutin koordiniert die verschiedenen Angebote des CNHP zur Suchtbehandlung und ist Vize-Präsidentin des Suchtverbandes.
WHO hat riskanten Konsum definiert
Ein Gläschen irgendwas in geselliger Runde gehört zum guten Ton. In Weingegenden gehört das Glas gar zur Kultur, genauso wie in guten Restaurants. Deswegen stellen sich viele erst einmal keine Fragen über zu hoch, zu unmäßig, zu unkontrolliert oder noch normal. Die Weltgesundheitsorganisation definiert für Frauen einen „riskanten“ Konsum ab einer täglichen Menge von mehr als 12 Gramm. Das entspricht mehr als einem Glas Sekt.
Bei Männern wird es ab 24 Gramm Alkohol täglich gefährlich. Das ist mehr als ein halber Liter Bier. Ute Heinz kennt diese Definitionen, hält aber von Mengenangaben eher wenig. Dazu sind die Menschen und die Reaktionen auf verschiedene Mengen Alkohol zu unterschiedlich. Sie sagt: „Kontrollverlust beim Konsum und Entzugserscheinungen am Morgen wie Schwitzen, zittrige Hände oder Übelkeit sind Anzeichen für eine Abhängigkeit“.
Zudem gibt es „Spiegeltrinker“. „Das sind Menschen, die regelmäßig trinken, aber erst mal nicht mit einer Fahne aus dem Mund auffallen“, sagt Heinz. Wegen der Gesundheitsrisiken, die Alkoholkonsum hat, beschäftigt sich die Fondation Cancer schon länger mit dem Thema und setzt bei der „Sober Buddy Challenge“ auf Abstinenz. Alkohol rangiert unter den Top Ten der Krebserreger.
Beide Verbände setzen verschiedene Akzente und wollen sensibilisieren. 31 Tage nichts trinken soll die Vorteile für die körperliche, geistige, kognitive und finanzielle Gesundheit sichtbar machen, zu positiven Erfahrungen führen und die Reflexion über den eigenen Konsum anregen. Es ist ein Experiment, dessen Ausgang bei jedem unterschiedlich ist.
Anlaufstellen
Fro No: frono@cnapa.lu, +352 49 77 77-55
Centre ÄDDI-C: addic@chnp.lu, +352 26 82 77 01
Centre thérapeutique Useldange: ctu@chnp.lu, +352 26 82 79 29
Quai 57 – arcus asbl.: 26 48 04 90
4motion asbl. Pipapoter: pipapoter@4motion.lu, +352 26 54 05 24-69
Fondation Cancer: fondation@cancer.lu, +352 45 30 33-1
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Et ass jiderengem freigestallt sech vollaafen ze loossen!!!!